IoT – eher Segen als Albtraum
IoT-Konferenz vom 3. September 2020 in Bern
Im Kern ging es bei der Tagung, die am 3. September im Berner Kursaal stattfand, um das Internet der Dinge, also die Vernetzung von Objekten, Maschinen und Prozessen mit dem Internet und damit im Grunde um ihre «Lebendigwerdung». Aber gleichzeitig war die wegen Covid-19 vom Frühjahr auf den Herbstbeginn verschobene IoT-Konferenz von Asut auch einer von den wenigen Anlässen, die es den Teilnehmenden endlich wieder erlauben, «normal unter Menschen zu kommunizieren», wie es Asut-Präsident Peter Grütter in seinem Grusswort ausdrückte. Normal – aber in einer veränderten Welt, wie Grütter weiter betonte: Homeworking sei salonfähig geworden, der Pendlerverkehr reduziert, der Online-Handel florierend, das Leben allgemein entschleunigt. In einer solchen dezentralen Welt, in der Städte vermehrt wieder zum Wohnort würden, meinte Grütter, werde die Kommunikationsinfrastruktur und die durchgehende intelligente Vernetzung nun erst recht matchentscheidend.
![Freute sich, endlich wieder normal mit andern Menschen kommunizieren zu können: Peter Grütter, Asut-Präsident.](files/content/news-articles/I_Events/Archiv/2020/2010/IoT-R%C3%BCckschau%20_2.jpg)
IoT durchbricht das Muster
Technologische Entwicklungen haben den Menschen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder dabei geholfen, ein besseres Leben zu führen und den Wohlstand voranzutreiben. Dabei verursachten sie jedoch oft auch Umweltprobleme oder verschärften soziale Spannungen. Nach Meinung mancher Experten könnte die IoT-Technologie dieses Muster durchbrechen und sich als effektives Instrumentarium für mehr Nachhaltigkeit etablieren. Denn sie versieht Objekte und Prozesse, die ausserhalb der Reichweite älterer Technologie lagen, mit einer gewissen Intelligenz, bindet sie ans Internet an und befähigt sie damit, untereinander zu kommunizieren. Das eröffnet unzählige Möglichkeiten der effizienten Kooperation von Systemen: Smarte und lebenswerte Städte, ein leistungsfähiges und bezahlbares Gesundheitssystem, eine innovative und wettbewerbsfähige Industrie, oder nachhaltige Energie-, Verkehrs- und Logistiksysteme. Dabei seien die meisten Sensoren zurzeit noch relativ simpel, gab der erste Referent, Oscar Pallarols von Cellnex, dem europäischen Leader im Bereich der drahtlosen Telekommunikationsdienstleistungen zu bedenken. Das wird sich laut Pallarols, selber der Pandemie wegen nur virtuell aus Spanien zugeschaltet, bald ändern: «Stellen sie sich beispielsweise einen Sensor vor, der Mikroben aufspüren und mich warnen könnte, bevor ich einen infizierten Raum betrete», sagte Pallarols, «solche disruptive Sensoren werden das Potenzial von IoT explodieren lassen.»
Eine Vertrauensfrage
Datengetriebene Prozesse und eine umfassende Vernetzung von Geräten, Maschinen und Infrastrukturen sind die Voraussetzung dafür, dass die digitale Schweiz Wirklichkeit wird. Die dazu notwendige Technologie hat inzwischen die nötige Reife entwickelt, Konzepte und erste Anwendungen entstehen und die Zahl der vernetzten Dinge nimmt laufend zu. Fast alle Produkte, die neu auf den Markt kommen, verfügen bereits über eine IoT-Schnittstelle: professionelle Kaffeemaschinen ohne Anbindung ans Internet etwa existieren heute praktisch nicht mehr. Doch dass Daten die Lebensader von IoT sind, wirft sogleich auch die Frage nach dessen Risiken auf. Viel stärker als von der Technik, von Standards oder Prozessen, werden der Erfolg und insbesondere die soziale Akzeptanz des IoT davon abhängen, wie es sich mit dem Schutz von Daten- und Persönlichkeitsrechten vereinbaren lässt und nachhaltige Lösungen präsentiert.
Dies zumindest ist die Überzeugung der Datenspezialistin Giulia Fitzpatrick, Mitgründerin der Zetamind AG. Für sie ist das grösste Problem in einer Welt der vernetzten und datensammelnden Sensoren «das Schrumpfen und letzten Endes völlige Verschwinden der Privatsphäre». Darin sieht sie auch die Achillesferse der neuen Technologie: «Solange wir Menschen uns bezüglich unserer Daten vis-à-vis von Firmen und Regierungen in einer asymmetrischen Machtposition befinden, werden wir die IoT-Entwicklung mit Skepsis betrachten», sagt Fitzpatrick. Entsprechend gross sei der Druck auf die Politik, Bürgerinnen und Bürger in dieser Hinsicht zu schützen.
Das ist cool, das wollen wir auch
Mehr IoT oder doch eher Albtraum IoT? Auch für den Physiker Thomas Röder von den SGS Digital Trust Services in Graz ist das Vertrauen der Anwenderinnen und Anwender für den Erfolg des IoT zentral. Für ihn hängt dieses klar davon ab, wie sicher, zuverlässig und leistungsfähig die zur Verfügung stehenden Netze sind. Jan-Peter Meyer-Kahlen, Vize-Präsident der Ericsson GmbH, geht noch weiter: Die durch das mobile IoT getriebene Innovation werde erst mit der breiten Verfügbarkeit von 5G-Netzwerken ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Die technologischen Grundvoraussetzungen, gibt Egon Steinkasserer, Chief Product Officer B2B Swisscom, seinerseits zu bedenken, würden IoT-Projekte zu äusserst komplexen Unterfangen machen, deren erfolgreiche Implementierung sehr viel Know-how in den verschiedensten Bereichen voraussetze: «Das ist cool, das wollen wir auch, genügt hier nicht», sagte Steinkasserer.
In einem zweiten Teil wurden in schneller Abfolge bereits existierende IoT-Projekte vorgestellt und die vielfältigen Vorteile in Form von Effizienzgewinn und Ressourceneinsparung, die sie mit sich bringen: Das ging von der intelligenten Kaffeemaschine über das dynamische Management von Luftfiltern, bis hin zu smarten Gebäudehüllen und Glasfronten: Mit Sensoren bestückt reagieren Letztere auf wechselnden Umweltbedingungen und steuern von der Beleuchtung über die Heizung oder Kühlung bis hin zu Sicherheits- und Home-Entertainmentsystemen die gesamte Haustechnik effizient und energiesparend. Zu den weiteren Highlights gehörten das Referat von Alexander Lehrmann von Sunrise, der erklärte, wie Sensoren, die die Vitaldaten einer Kuh in Echtzeit erfassen, zum Tierwohl beitragen und gleichzeitig die Milchproduktion steigern können. Marc Nägeli, CEO der Hinni AG, berichtete, wie die lebenswichtige Ressource Wasser mithilfe einer IoT-Überwachung des Leitungsnetzes wirksam geschützt wird. Und laut Thomas Wunderli hilft IoT der Migros dabei die CO2-Emissionen in der Supply Chain zu reduzieren und damit ein Stück nachhaltige Zukunft zu gestalten: «Es wird immer schwieriger mit den Herausforderungen unserer Zeit fertig zu werden», fasste Wunderli zusammen , «IoT hift uns dabei, weil es die Welt transparenter macht.»
Die Referate der IoT-Konferenz sind hier verfügbar.