Ladestationen werden noch nützlicher
Standardisierung und netzdienliches Laden
Kürzlich feierte der norwegische Ladelösungsanbieter Zaptec eine halbe Million ausgelieferter Ladestationen. Die Schweizer Tochtergesellschaft macht die Hardware hierzulande verfügbar. Im Gespräch weist Florian Kienzle unter anderem auf aktuelle Herausforderungen und auf künftige Chancen hin. An Entwicklungsarbeit mangelt es nicht.
Bulletin: Was hat sich in den letzten Jahren bezüglich Technologie für Ladestationen verändert?
Florian Kienzle: Da gibt es diverse Aspekte, sowohl auf Software- als auch auf Hardwareseite. Der Standard ISO 15118, der internationale Standard für die bidirektionale Kommunikation zwischen Elektroauto und Ladestation, steht da im Fokus. Wir haben vor drei Jahren bei unserem maximal skalierbaren Modell Zaptec Pro die entsprechende Hardware eingebaut, ein PLC-Modul. Nun sind diese Stationen ISO-15118-ready. Ein Firmware-Upgrade genügt, und schon ist das Gerät mit den Funktionalitäten des Standards ausgerüstet. Im ersten Schritt geht es um den Use Case Plug-and-Charge. Da steckt man das Fahrzeug ein und die Ladestation bzw. das übergeordnete Abrechnungssystem erkennt das Auto automatisch, weil die Ladestation mit dem Auto kommunizieren kann. Ich muss mich also nicht mehr mit einem Badge oder einer App identifizieren. Was heute schon mit Tesla-Superchargern funktioniert, wird bald herstellerunabhängig möglich sein.
Wann kommt der Standard?
Den Standard gibt es schon. Plug-and-Charge-Anwendungen sind technisch schon umsetzbar. Aber nicht alle Autos und Abrechnungsdienstleister erfüllen den Standard schon – es wird also noch eine Weile dauern, bis er breit verfügbar ist. Der Standard ist gleichzeitig die Basis für Vehicle-to-Home und Vehicle-to-Grid, also die Rückspeisung aus der Autobatterie ins Gebäude oder ins Netz für netzdienliches Laden. Das dürfte die nächste grosse Innovation werden. Zaptec ist da schon mit Autoherstellern in Kontakt, die V2G über AC bereitstellen wollen. Die Frage, ob es über Wechselstrom (AC) oder Gleichstrom (DC) gehen soll, ist bei den Autoherstellern noch nicht klar. In letzter Zeit häufen sich jedoch die Nachrichten, dass es mehrheitlich via AC gehen soll, weil die Autohersteller sehen, dass es massentauglicher ist. Eine AC-Ladestation unter 1000 Fr. kann dann für V2G genutzt werden. Eine DC-Station, die künftig im Bereich zwischen 3000 bis 4000 Fr. liegen dürfte, ist dazu dann nicht mehr erforderlich.
Zaptec hat in Norwegen eine halbe Million Ladestationen produziert. Wie viele davon gelangen in die Schweiz?
Die halbe Million – diesen Meilenstein haben wir nun geknackt – ist die in Norwegen produzierte und ausgelieferte Anzahl Ladestationen. Sie wurde hauptsächlich in Skandinavien und europaweit vertrieben. Zu diesem Erfolg haben wir seit 2017 in der Schweiz mit rund 40 000 Ladestationen beigetragen und gehören damit zu den Marktführern.
Wodurch unterscheiden sich die in Norwegen installierten Ladestationen von den in der Schweiz eingesetzten?
Gar nicht, sie sind identisch. Bei der Zaptec Pro haben wir mittlerweile zwei Modelle, ein Modell, das MID-zertifiziert ist, und ein nicht zertifiziertes Modell. In Norwegen ist die MID-Zertifizierung noch keine harte Anforderung fürs Abrechnen der kWh, in der Schweiz schon, denn gemäss Messmittelverordnung muss man einen MID-zertifizierten Zähler haben, damit man die Energie mit einem Preis versehen darf. Seit Oktober diesen Jahres haben wir die MID-zertifizierte Zaptec-Pro-Station im Angebot.
Was ist die Messgenauigkeit eines solchen zertifizierten Zählers?
Die Station ist MID-zertifiziert, Klasse B, also beträgt die Messgenauigkeit ±1%. Damit erfüllt die Station sogar die höheren Anforderungen von industriellen Anwendungen.
Wo gibt es noch Handlungsbedarf bei der Standardisierung?
Im V2G-Bereich braucht es noch Konkretisierungen des ISO 15118. Wenn V2G über AC geht, stellt es ein Zusammenspiel von Netz, Ladestation und Auto dar. Sowohl die Ladestation als auch das Auto müssen die Anforderungen des Verteilnetzbetreibers erfüllen. Da ist noch nicht alles genau definiert. Wenn man im Bereich Smart Grid weiterschaut, wie der Netzbetreiber auf Flexibilitäten von Ladestationen, die sich hinter dem Hausanschluss befinden, zugreifen kann, gibt es sicher noch Fragen. Da gibt es Schnittstellen, die man definieren muss, damit es im grossen Massstab funktioniert. Bei der Elektromobilität geht es um Leistungen, die beträchtlich sind. Da rund 4,8 Mio. Personenwagen in der Schweiz unterwegs sind, und in den nächsten paar Jahren soll der grösste Anteil von ihnen elektrifiziert werden, muss man ziemlich viel Leistung systemweit im Griff haben. Die Sektorenkopplung zwischen der Mobilität und dem Stromnetz geschieht an der Ladestation. Da braucht es sicher noch weitere Standardisierungsschritte, damit das Ganze wirklich reibungslos funktioniert.
Was halten Sie vom induktiven Laden?
Man hört immer wieder davon. Erste Anwendungen wurden demonstriert. Aber ich kenne keine Anwendung, die schon in grossem Massstab im Einsatz wäre. Ich sehe zwei Probleme: Erstens die Standardisierung, die da enorm wichtig ist, damit jedes Auto herstellerunabhängig mit der Platte auf dem Boden geladen werden kann. Da ist die Standardisierung noch komplizierter, denn es geht um physische Komponenten, die bei allen gleich oder ähnlich aufgebaut werden müssen. Zudem ist da der Kostenfaktor. Ladestationen sind heute relativ günstig und es gibt viele Modelle. Den Mehrwert vom induktiven Laden sehe ich bei den meisten Anwendungen nur beschränkt und die technischen Herausforderungen sind gross. Natürlich wird dazu geforscht, aber ich bin da kurz- bis mittelfristig eher skeptisch.
Bietet Zaptec auch Energy Management an, das für das Laden vieler Fahrzeuge nötig ist, um das Verteilnetz nicht zu überlasten?
Intelligentes Lastmanagement ist ein integraler Bestandteil unserer Ladelösungen. Lastmanagement über beliebig viele Ladestationen oder über beliebig viele Stromkreise – das bisher grösste Beispiel in der Schweiz ist der Amag-Hauptsitz in Cham, wo in einer Tiefgarage über 160 Ladestationen über mehr als 20 Stromkreise verteilt gemanagt werden, inklusive unserem patentierten Phasenausgleich, der die Ladeleistung über die einzelnen Phasen ausgleicht, um Unsymmetrien beim Hausanschluss zu vermeiden und um das Maximum aus den Leitungskapazitäten rauszuholen. Jede unserer Ladestationen hat zusätzliche Schnittstellen, damit sie in ein übergeordnetes Lastmanagement eingebunden werden kann, beispielsweise um den Eigenverbrauch von Solarstrom zu optimieren, um eine gemischte AC-/DC-Ladeinfrastruktur zu managen oder um andere steuerbare Elemente wie Wärmepumpen zu berücksichtigen. Die Schnittstelle ermöglicht es, unsere Ladestationen stufenlos zu steuern. Das ist alles nahtlos integrierbar. Es ist die Voraussetzung für system- und netzdienliches Laden.
Ist bidirektionales Laden im Kommen oder aus Ihrer Sicht eher überflüssig?
Gute Frage. Ich sehe bei Vehicle-to-Grid grosses Potenzial. Wir werden wahrscheinlich drei bis fünf Jahre brauchen, bis wir das Potenzial ausschöpfen können. Aber bereits heute kann mit dem intelligenten, stufenlos regulierbaren Lastmanagement viel erreicht werden. Damit kann man jetzt schon verhindern, dass das Netz überlastet wird. Dies ist Standard bei unseren Installationen, damit man den Hausanschluss im Griff hat. Man kann sogar Regelleistung anbieten, wenn man genügend Ladestationen hat. Der Übergang von unidirektionalem zum bidirektionalen Laden wird fliessend sein, sobald es im Feld möglich ist und die Autos technisch kompatibel sind. Dadurch wächst der Mehrwert. So lassen sich die Tagesschwankungen der PV-Einspeisung gut glätten. Es ist vorstellbar, dass man beim Pendeln mit dem Auto beim Arbeitgeber günstig Solarstrom tankt, wenn er im Überfluss vorhanden ist, und den Strom am Abend nach Hause fährt, um das Gebäude zu versorgen. Aus Systemsicht gibt es da positive Effekte. Ich bin optimistisch, dass man diesen Mehrwert bald ausnutzen wird.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Installation von Ladelösungen in der Schweiz?
Als wir vor sechs Jahren in der Schweiz angefangen haben, war die Herausforderung, wie man die Hardware, das heisst die Ladeinfrastruktur, im Feld ausrollt. Da war viel Überzeugungs- und Ausbildungsarbeit nötig, um den Elektroinstallateuren zu vermitteln, wie man die Ladestationen effizient und skalierbar montiert. Heute ist der Hardwareteil nun so weit gelöst, die Ladestationen sind zuverlässig und hochwertig, die Elektriker sind mit den Ladestationen vertraut, auch bei grösseren Liegenschaften. Die nächste Herausforderung liegt im reibungslosen Betrieb und in der einfachen Abrechnung. Immobilienverwaltungen, Unternehmen, Parkhausbetreiber, Hotellerie, Gastronomie usw. müssen das Ladesystem einfach betreiben können. Jemand muss die Gesamtverantwortung dafür übernehmen, dass die Ladestationen und in Zukunft das Vehicle-to-Grid stets reibungslos funktionieren. Aber auch dafür gibt es Lösungen.
Zur Person
Dr. Florian Kienzle ist CEO der Zaptec Schweiz AG. Davor hat er bei EWZ als Leiter New Grid Solutions sowie beim BFE als Fachspezialist Energieversorgung gearbeitet. Sein Doktorat schloss er 2010 am Power Systems Laboratory der ETH Zürich ab.
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Zaptec Schweiz AG, 8804 Au ZH
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