Im Tandem mehr Solarstrom ernten
Perowskit-Silicium-Tandemtechnologie zur Industriereife bringen
Solarzellen mit zwei stromerzeugenden Halbleitern haben einen deutlich höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Einfachsolarzellen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE will diese Technologie nun schneller in den Markt bringen. Dazu treibt das Institut die industrielle Herstellung von Tandemsolarzellen voran.
Solarmodule werden immer leistungsfähiger. Der Grund sind höhere Wirkungsgrade durch Fortschritte in Forschung und Produktion. Das senkt die Kosten für den erzeugten Solarstrom. Weitere Wirkungsgradsteigerungen der einzelnen Bauelemente, der Solarzellen, werden aber immer schwieriger und aufwendiger – sowohl in der Forschung und Entwicklung als auch in der Grossserienfertigung. So liegt die Effizienz der marktbeherrschenden Silicium-Solarzellen im Labor aktuell bei 26,8% – das ist bereits nahe dem physikalischen Limit von 29,4%.
Tandemsolarzellen: Die nächste PV-Generation
Einen Weg, dieses Limit zu überwinden, bieten Tandemsolarzellen. Sie bestehen aus unterschiedlichen, übereinander geschichteten Solarzellen. Die Schichten nutzen zusammen die Breite des Sonnenlichtspektrums besser aus als die jeweilige Einfachsolarzelle. Die obere Solarzelle wandelt das Licht im sichtbaren Teil des Sonnenspektrums in Strom um, die darunterliegende das Licht im infrarotnahen Spektrum. Durch diese Kombination sind Wirkungsgrade von über 35% möglich.
Weltweit forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, Tandemsolarzellen zuverlässig, langlebig und mit industriellen Herstellungsprozessen zu produzieren.
Mittlerweile stehen mehrere Varianten zur Verfügung. Besonders interessant sind Tandemsolarzellen mit einer Dünnschichtsolarzelle oben und einer Silicium-Solarzelle unten. Während kristallines Silicium eine feste optische Bandlücke hat, bietet die Dünnschichttechnologie die Möglichkeit, die Bandlücke anders einzustellen.
Oben Perowskit, unten Silicium
Als die Dünnschichttechnologie der Wahl kristallisieren sich derzeit sogenannte Perowskit-Schichten als lichtabsorbierende Halbleiter heraus. Perowskite sind Materialien, die die gleiche Kristallstruktur aufweisen wie das gleichnamige natürliche Mineral. Einige Verbindungen dieser Materialklasse zeigen hervorragende optische und elektronische Eigenschaften und ihre Ausgangsstoffe sind reichlich verfügbar. Perowskite können zudem bei niedrigen Temperaturen abgeschieden werden. Sie zeichnen sich darüber hinaus durch eine hohe Defekttoleranz aus. Perowskit-Solarzellen sind daher eine potenziell kostengünstige Technologie, weshalb sie weltweit im Mittelpunkt der Entwicklungsbemühungen in Wissenschaft und Industrie stehen.

Als zweite absorbierende Schicht bieten sich klassische Silicium-Solarzellen an. Silicium-Solarzellen sind günstig, massenhaft verfügbar und technisch weit entwickelt. Zudem existieren Hersteller, die im Gigawattmassstab produzieren. Silicium-Solarzellen haben mittlerweile einen Marktanteil von rund 95%. Die Fähigkeit, einen hohen Wirkungsgrad bei der Energieumwandlung zu erzielen, und niedrige Degradationsraten waren entscheidende Faktoren für diese Erfolgsgeschichte. Sowohl mit den Solarzellen an sich als auch mit deren Herstellungsverfahren konnte die PV-Industrie über Jahrzehnte hinweg Erfahrungen sammeln. Es ergibt Sinn, eine Weiterentwicklung der Solarzellentechnologie auf diesem Erfahrungsschatz aufzubauen.
Und dies wird wortwörtlich getan: Die Perowskit-Solarzelle mit grosser Bandlücke wird auf die Silicium-Solarzelle abgeschieden. Da die Perowskit-Solarzelle eine höhere energetische Bandlücke als Silicium aufweist, kann sie hochenergetische Photonen besser nutzen als die Silicium-Solarzelle. Die Silicium-Solarzelle wiederum wandelt die niederenergetischen Photonen, die von der Perowskit-Solarzelle durchgelassen werden, in Strom um.
Die aktuelle Entwicklung der Technologie ist enorm: Perowskit-Silicium-Tandemsolarzellen im Labormassstab haben bereits das physikalische Limit der Einfachsolarzellen aus Silicium überwunden: Der derzeit höchste publizierte Wirkungsgrad liegt bei 33,7%. Daher könnte die Kombination von Perowskit-Dünnschicht und kristallinem Silicium die Technologie der Zukunft sein.
Verschiedene Silicium-Solarzellen möglich
Bei Silicium-Solarzellen gibt es mehrere Zelltypen zur Auswahl: PERC-, TOPCon-, HJT-, IBC-Solarzellen. PERC steht für «Passivated Emitter and Rear Cell», also für Solarzellen, deren Rückseite passiviert wurde. PERC-Solarzellen dominieren derzeit mit rund 80% den Markt, jedoch begrenzen bei ihnen die Verluste an den Kontakten den Wirkungsgrad. Sogenannte «Passivierende Kontakte» verhindern diese Verluste: Mit der TOPCon-Technologie («Tunnel Oxide Passivated Contacts») und der Heterojunction-Technologie (HJT) gibt es zwei unterschiedliche Ansätze von passivierenden Kontakten, die höhere Wirkungsgrade ermöglichen. Vor allem die TOPCon-Technologie wird aktuell im grossen Massstab industriell ausgebaut und als Nachfolgetechnologie der PERC-Solarzelle gehandelt.
Heterojunction-Solarzellen haben die Nase vorn
Geht es um die Integration in eine Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle, haben derzeit tendenziell die HJT-Solarzellen die Nase vorn, da sie unter anderem mit ähnlichen Prozesstechnologien wie Perowskit-Solarzellen hergestellt werden. Berücksichtigt man jedoch weitere Faktoren, etwa die Frage der Herstellungskosten und der Massenproduktion, ist das Rennen weiterhin offen. Die Entwicklungsarbeit wird daher voraussichtlich mit vielen Varianten von Silicium-Solarzellen fortgesetzt.
Was die elektrischen Kontakte angeht, spricht viel für die 2-Terminal-Perowskit-Silicium-Tandemsolarzellen. Die elektrische Energie wird hier nur an zwei äusseren Kontakten entnommen. Die Architektur besticht durch ihre Einfachheit. Die Zellen können zudem wie die bisherigen Silicium-Solarzellen zu einem Modul verbunden werden.
Silicium-Solarzelle mit Perowskit beschichten
Perowskitsolarzellen befinden sich noch in der Entwicklung. Sie bestehen aus einem speziellen elektrisch leitfähigen Material, dem sogenannten transparenten leitfähigen Oxid (TCO), einer Pufferschicht, einer Elektronentransportschicht, der eigentlichen Perowskitschicht sowie einer Löchertransportschicht. Die einzelnen Schichten werden grossteils mittels Vakuumprozessen oder nasschemischen Verfahren auf die Silicium-Solarzelle aufgetragen.
Trotz aller Erfolge: Die Flächen der Rekord-Tandemsolarzellen auf Perowskit-Silicium-Basis sind oft noch klein, rund ein Quadratzentimeter. Das ist um den Faktor 400 kleiner als die aktuelle Wafergrösse einer industriellen Silicium-Solarzelle. Die meisten der bisher im Labor verwendeten Herstellungsprozesse sind zudem nicht für die industrielle Fertigung nutzbar. Um hier Fortschritte zu erzielen, entwickelten Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer ISE die Produktion von Perowskit-Silicium-Tandemsolarzellen in kommerzieller Grösse sowie eine skalierbare und wirtschaftliche Herstellung dieser Tandemsolarzellen.
Industrielle Herstellung vorantreiben
In den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanzierten Forschungsprojekten «Pero-Si-SCALE» und «LiverPool» baut das Fraunhofer ISE nun eine unabhängige Technologieplattform zur Skalierung von Perowskit-Silicium-Tandemsolarzellen und -modulen. Ziel ist die Weiterentwicklung und Analyse von Zell- und Moduldesigns sowie deren Herstellungsprozesse, bei denen ein schneller Transfer in die Industrie möglich ist.
Eine solche Forschungsplattform für Perowskit-Silicium-Tandemphotovoltaik auf dieser Technologie-Reifestufe ist bisher weltweit einmalig und damit ein Alleinstellungsmerkmal für die deutsche Photovoltaik-Forschung. So kann das Institut die deutsche und europäische Photovoltaikindustrie, auch in Zusammenarbeit mit weiteren Forschungseinrichtungen, effektiv bei der Entwicklung und Umsetzung der nächsten Solarzellengeneration unterstützen.
Mit der Pero-Si-SCALE-Plattform sollen Prozesse, Technologien und Kompetenzen aufgebaut und entwickelt werden, die notwendig sind, um auf dem industriellen Waferformat M12-Perowskit-Silicium-Solarzellen und Module herzustellen, zu charakterisieren und zu prüfen. Dafür baut das Institut bis Ende 2024 eine Prozesslinie auf. Sie beinhaltet Anlagen zur Vakuumabscheidung und nasschemische Beschichtungsprozesse für die Perowskit-Solarzelle der Tandemsolarzelle. Auf Modulebene wird für die Entwicklung der Herstellungsprozesse ein industrieller Klebestringer der nächsten Generation zur Verfügung stehen sowie ein Lumineszenz-System zur Prozesskontrolle des Verschaltungsprozesses. Darüber hinaus können die Forscherinnen und Forscher die Charakterisierung, die Kalibrierung und die Qualitätsanalyse von Solarzellen und Modulen auf grosse Wafer erweitern.

Industrielle Verdampfungsmethoden entwickeln
Für die Herstellung der Laborzellen mit einem Quadratzentimeter Fläche ist die am häufigsten verwendete Methode bislang das nasschemische Spin-Coating. Das Verfahren ist vielseitig, aber auf kleine Flächen beschränkt. Die Alternative Schlitzdüsen-Beschichtung hat den Nachteil, dass bei der Beschichtung von texturiertem Silicium die Textur im Wesentlichen aufgefüllt und die Perowskit-Oberfläche meist eingeebnet wird. Das verschlechtert die Lichtausbeute.
Für das Aufbringen der Perowskit-Solarzelle auf die Silicium-Solarzelle sowie der Kontakte stehen auf der Pero-Si-SCALE-Plattform deshalb Aufdampfprozesse im Fokus. Die Entwicklung industriell umsetzbarer, vakuumbasierter Verdampfungsmethoden für Perowskit-Materialien und Kontaktschichten ist Ziel des Projekts «LiverPool».
Zwei interessante Methoden für eine bessere Beschichtung von texturiertem Silicium sind die Ko-Verdampfung und die Hybrid-Route. Letztere kombiniert die Ko-Verdampfung und die nasschemische Verarbeitung. Die Verfahren haben vielversprechende Ergebnisse erzielt, die wahrscheinlich auf eine grosse Waferfläche skalierbar sind und auch in industriellem Massstab hergestellt werden können.
Erste Erfolge gibt es bereits jetzt: Das Fraunhofer ISE hat mit skalierbaren, industriell nutzbaren Herstellungsverfahren jüngst eine Tandemsolarzelle auf Perowskit-Silicium-Basis in einer Grösse von 244 cm2 hergestellt.

Bau erster Vollformat-Module
Auch die Herstellung von Perowskit-Silicium-Vollformat-Modulen ist ein Schwerpunkt am Institut. Im Verbundvorhaben «Switch» entwickelte das Fraunhofer ISE gemeinsam mit Projektpartnern Verschaltungs- und Einkapselungslösungen für Tandemsolarzellen. Die Verschaltungs- und Laminationsprozesse mussten dabei so angepasst werden, dass die Perowskit-Silicium-Solarzellen ohne Schäden, kostengünstig und langzeitstabil ins Modul integriert werden können. Erste Prototypen mit einer Nennleistung von 430 W wurden bereits hergestellt. Auch eine detaillierte Analyse der Zelle-zu-Modul-Verluste und Untersuchungen zur Langzeitstabilität der Tandem-Module waren Teil der Forschungsarbeiten.
Fazit
Solarzellen mit zwei oder mehr stromerzeugenden Halbleitern wird eine grosse Zukunft vorhergesagt. Ihr Wirkungsgrad ist deutlich höher als der herkömmlicher Einfachsolarzellen. Das Fraunhofer ISE will diese vielversprechende Tandem-Solartechnologie nun schneller in den Massenmarkt bringen. Dazu treibt das Institut die industrielle Herstellung voran. Mit der Pero-Si-SCALE-Plattform sollen Prozesse, Technologien und Kompetenzen aufgebaut und entwickelt werden, die nötig sind, um auf dem industriellen Waferformat M12-Perowskit-Silicium-Solarzellen und Module herzustellen sowie charakterisieren und prüfen zu können. Die Entwicklung industriell umsetzbarer, vakuumbasierter Verdampfungsmethoden für Perowskit-Materialien und Kontaktschichten ist Ziel des Projekts «LiverPool». Mit den beiden Vorhaben soll die nächste Generation von Solarzellen marktreif werden – und der deutschen und europäischen Industrie zu besseren Marktchancen verhelfen.
Hintergrund
Effizienz exakt messen
Um hocheffizienten Perowskit-Silicium-Photovoltaik-Modulen den Weg in die industrielle Umsetzung zu ebnen, müssen die Tandemsolarzellen und -module zuverlässig vermessen werden. Nur so sind objektive Vergleiche zwischen verschiedenen Zellen und Modulen sowie technologische Verbesserungen möglich. Im Unterschied zu klassischen Silicium-Modulen ist die Kalibrierung hier jedoch deutlich herausfordernder.
Ein Projektkonsortium unter Leitung des Fraunhofer ISE entwickelt deshalb im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekt «Katana» Verfahren zur Charakterisierung von Perowskit-basierten Tandemmodulen. Der dafür eigens von der Firma Wavelabs Solar Metrology Systems GmbH gebaute Sonnensimulator ist nun im CalLab PV Modules des Forschungsinstituts im Einsatz.
Kommentare