Fachartikel Energieeffizienz

IE4-Produktlücke bei AC-Motoren

PM-Line-Start-Motoren statt Asynchronmotoren bei IE4

01.03.2017

Mit der Einführung der Premium-Effizienzklasse IE4 und der Erweiterung um den unteren Leistungsbereich (120 bis 750 W) stellt sich die Frage, wie solche Motoren zu realisieren sind. Im unteren Leistungsbereich ist es kaum möglich, ausreichend effiziente Asynchronmotoren zu bauen. Diese Lücke lässt sich mit PM-Line-Start-Motoren schliessen.

Direkt am Drehstromnetz betriebene Antriebe besitzen weiterhin eine beacht­liche Stück­zahl­bedeu­tung, z.B. bei Pumpen- und Lüfter­antrie­ben. Da die Dreh­moment­bildung des bei Line-Start-Antrieben einge­setzten Asynchron­motors die Strom­wärme­verluste im Läufer bedingt, sind der Wirkungs­grad­steige­rung physika­lische Grenzen gesetzt. Mit hoch­wertigen Elektro­blechen, der Ausfüh­rung des Käfigläufers mit Kupferdruckguss sowie einer deutlichen Redu­zierung der Aktivteil­ausnut­zung ist es möglich, Käfigläufermotoren in Effizienzklasse IE4 sicher bis AH 100 zu realisieren. Für den sich anschlies­senden unteren Bau­grössen­bereich AH  90 – 63 ist die Realisierung von Effizienz­klasse IE4 in Asynchron­technik sehr schwer bis nicht mehr möglich. Es besteht somit eine IE4-Produktlücke (Bild 1), die mit PM-Line-Start-Motoren geschlo­ssen werden kann. [2]

PM-Line-Start-Motoren vereinigen die Netzstart­fähigkeit des Käfigläufer­motors mit der hohen Energie­effizienz des PM-Synchron­motors. Der Hochlauf erfolgt über den Anlaufkäfig und nach dem Intrittfall arbeitet der Motor als PM-Synchron­motor mit einem entspre­chend hohen Wirkungs­grad. Beide Wirkungs­prinzipien gilt es bei der Entwick­lung ausge­wogen zu kultivieren.

Das Prinzip der PM-Line-Start-Motoren (PMLS-Motoren) geht auf Entwick­lungen aus den 1960er-Jahren zurück. [3] PM-Synchronmotoren mit Anlaufkäfig wurden zunächst für drehzahl­veränderbare Gruppen­antriebe entwickelt, die zum Beispiel in Anlagen zur Produktion von Natur- oder Chemiefasern in hohen Stückzahlen zum Einsatz kommen. Wegen des Betriebs am Gruppen­umrichter müssen die PM-Synchron­motoren in der Lage sein, auch selbsttätig anlaufen zu können, wenn sie zum Beispiel nach einem Störfall wieder an den Gruppen­umrichter zugeschaltet werden.

PMLS-Motoren können an U-f-Umrichtern ohne Sensorik und Regelung als drehzahl­veränder­bare Motoren betrieben werden. Sie lassen sich damit problemlos in die beste­hende Antriebs­plattform als Ersatz für Käfigläufermotoren mit nicht ausreichender Energie­effizienz integrieren. Der Beitrag zeigt, was zu beachten ist, damit einerseits der gewünscht hohe Wirkungs­grad im synchro­nen Betrieb und andererseits ein ausreichendes Hochlauf- und Intritt­fall­verhalten erreicht werden können.

PM-Line-Start-Motoren

PMLS-Motoren bieten in idealer Weise die Möglichkeit der Bauteile­kopplung mit Käfig­läufer­motoren, denn beide Motor­konzepte können nach dem Bau­kasten­prinzip gefertigt werden. Ausgehend von einem Basis-Käfigläufermotor müssen lediglich das Läuferaktivteil getauscht und die Ständer­wicklung bezüglich der Windungszahl angepasst werden. Der Ständer wird so mit einer verteilten Drehstrom­wicklung ausgeführt, im einfachsten Fall mit einer Einschicht-Ganzloch­wicklung. Für den Läufer sind zwei grund­sätzliche Design­varianten zu unterscheiden. Beim bisher fast ausschliesslich genutzten Läuferdesign werden die Seltenerd­magnete (SE-Magnete) in Magnet­taschen eingebracht, die in den Läuferblech­schnitt gestanzt sind. [4, 5] Diese Läuferausführung, für die ein eigenständiger Läufer­blech­schnitt erforderlich ist, eignet sich aufgrund der einfachen Fertigungstechnik besonders für die Serienproduktion. Am Beispiel eines 4-poligen Läufers zeigt Bild  2a hierzu eine von vielen Anordnungs­möglich­keiten der SE-Mag­nete im Läufer­blech­schnitt.

Bei einer zweiten Designvariante, die erst durch die Entwicklung äusserst gegen­feld­stabiler SE-Magnete möglich wurde, sind die SE-Magnete an der Läufer­oberfläche in Form von Magnet­schalen angeordnet. [6, 7]

Bild  2b zeigt hierzu ebenfalls einen 4-poligen Läufer, bei dem die finale  Läufer­bandage noch fehlt. Eine besonders enge Bauteile­kopplung mit dem Basis-Käfigläufer­motor wird erreicht, wenn der beste­hende Käfigläufer durch einfache Weiter­bearbeitung um die Luftspalt­magnete ergänzt wird.

Bei der Drehbearbeitung des Käfigläufers wird, zusätzlich zum mechanischen Luftspalt, noch eine Eindrehung vorgenommen, in die die Magnetschalen eingeklebt und mit einer finalen Ban­dage versehen werden. Zur Reduzierung der Rastmomente werden die Magnetschalen, ähnlich wie bei AC-Servomotoren [8], gestaffelt auf den Läufer geklebt.

Die beidseitigen Kurzschlussringe dienen beim Anlegen der Läuferbandage als Anfangs- und Endpunkt. Durch das zusätzliche Abdrehen des Läuferpakets um die Höhe von Magnetschale und Bandage geht allerdings der obere Teil der Käfigstäbe verloren und die Läufernuten sind, je nach konkreter Stabgeometrie, mehr oder weniger stark geöffnet. Das verschlechtert, wie auch schon der grössere magnetisch wirksame Luftspalt, die Wirksamkeit des Anlaufkäfigs.

Die unter Einhaltung von Effizienzklasse IE4 erreichbare Leistungsdichte ist bei PMLS-Motoren weitgehend unabhängig von der entsprechend Bild 2 gewählten Designvariante des Läufers. Wird von einem 4-poligen IEC-Normmotor der Baugrösse AH 90 mit einer Bemessungsleistung von 1,5 kW ausgegangen, so führt die Abwandlung zu einem PMLS-Motor durch alleinigen Läufertausch und angepasst ausgeführter Ständerwicklung bei konstanter Leistungsdichte auf eine Steigerung der Effizienzklasse von IE2 auf IE4 (Bild 3).

Als Elektroblech kommt hierbei lediglich die Qualität M530-50A zum Einsatz, und der Anlaufkäfig besteht aus einfachem Aluminium-Druckguss. Um diese Effizienzsteigerung von IE2 auf IE4 als Käfigläufermotor zu erreichen, hätte das Aktivteil um rund 70 % verlängert, die Elektroblech-Qualität von M530-50A auf M330-50A gesteigert und der Läufer von Aluminiumdruckguss auf Kupferdruckguss umgestellt werden müssen.

Zur Projektierung von Antrieben mit PMLS-Motoren

Bei der Entwicklung oder angepassten Auslegung von PMLS-Motoren muss stets ein Kompromiss zwischen angestrebt hohem Wirkungsgrad und robustem Hochlauf- und Intritt­fall­verhalten gefunden werden, da sich beide Auslegungs­ziele weitgehend konträr verhalten. Neben dem stationären synchronen Betrieb ist es daher zusätzlich notwendig, den transienten Hochlauf- und Intrittfall­vorgang unter Variation der wesentlichen Last­parameter Schwungmassen­verhältnis JLast/JMotor und Lastkenn­linie W(n) des angetrie­benen Prozesses zu beurteilen.

Die folgenden Betrachtungen sollen am Beispiel eines 4-poligen PMLS-Motors der Baugrösse AH 90 erfolgen, der die Basis­konstruktion eines entspre­chenden IEC-Norm­motors der Effizienzklasse IE2 nutzt und über die Gehäuseoberfläche eigengekühlt ist. Bei einer Bemes­sungs­leistung von 1,5 kW, das entspricht einem Bemessungs­dreh­moment von rund 9,5 Nm, wird der PMLS-Motor durch die in Bild 4 dargestellten stationären syn­chronen Betriebsdaten beschrieben.

Mit einem für die Effizienz­klasse IE4 geltenden Grenz­wirkungs­grad (1,5 kW/ 4-polig / 50 Hz) von 88,2 % besitzt der PMLS-Motor das Potenzial für eine noch höhere Effizienz­klasse. Dieser Wirkungs­grad­vorteil setzt sich, wie von PM-Synchron­motoren bekannt, bis in den Teillastbereich fort. Der hohe Wirkungs­grad wird auch deshalb erreicht, weil sich der Leistungsfaktor im Bemessungs­punkt aufgrund der gewählten Aus­legung nur knapp unter dem Wert cos Phi = 1 bewegt. Damit ist der Blind­leistungs­bedarf auch im Teillastbereich gering.

Typisch für die Premium-Effizienzklasse ist auch die verhältnis­mässig geringe thermische Ausnut­zung, die im Bemessungs­punkt auf eine Ständer­wicklungs­erwärmung von nur rund 20 K führt. Mit den in Bild 4 darge­stellten Betriebs­daten erfolgt die Projektierung für den stationären Arbeitspunkt.

Neben dem stationären synchronen Betrieb muss noch das Hochlauf- und Intrittfall­verhalten überprüft werden. Bei richtiger Projektie­rung findet nach dem Hochlauf der finale Intrittfall auf die synchrone Drehzahl statt. Bei unzurei­chender Abstim­mung der Lastparameter findet der Intrittfall nicht statt und der Hochlauf endet in einem unter­synchronen Grenzzyklus (Bild 5). In diesem Störfall treten hohe Pendel­momente auf, die auf die periodi­schen Drehzahl­schwan­kungen des Antriebes führen. Neben ein­deutigen Geräusch­erschei­nungen führt dieser Zustand zur schnellen Motor­erwärmung, so dass der PMLS-Motor entsprechend geschützt werden muss.

Für die Beurteilung des Hochlauf- und Intrittfall­verhaltens ist die sogenannte Intrittfall-Grenzkennlinie hilfreich. Sie beschreibt für einen bestimm­ten Lastkenn­linientyp, zum Beispiel für die quadra­tische Last­kenn­linie eines Lüfters oder einer Kreiselpumpe, in Abhän­gigkeit des Schwung­massen­verhält­nisses JLast/JMotor das maximal mögliche Lastmoment Wmax bei synchroner Drehzahl, bei dem ein Hochlauf mit finalem Intrittfall noch möglich ist. Ein eventuelles Hängen­bleiben in der Hochlaufphase am generato­rischen Bremssattel [7] wird bei der Bestimmung der Intrittfall-Grenz­kennlinie auto­matisch berücksichtigt. In Bild 6 sind die Intrittfall-Grenzkennlinien für den 1,5-kW-PMLS-Motor für die drei wichtigsten Lastkenn­linien­typen (quadratische, lineare und konstante Lastkennlinie) dargestellt. Im betrachteten Schwung­massen­bereich besteht ein robustes Hochlauf- und Intrittfallverhalten mit hoher Intrittfallreserve. Lüfter- und Pumpen­antriebe, bei denen ein typisches Schwung­massen­verhältnis von JLast/JMotor = 2 bis 4 vorliegt, werden voll­ständig abgedeckt. Eine Intrittfall­reserve ist erforderlich, um auch bei leichter Unter­spannung oder bei einem Warmstart den sicheren Intrittfall zu gewährleisten. Da PMLS-Motoren der Premium-Effizienz­klasse thermisch sehr gering ausgenutzt sind, ist der Unterschied zwischen Kaltstart und Warmstart allerdings von geringer Bedeutung.

Sollte die Intrittfallgrenze, zum Beispiel bei Antrieben mit deutlich höheren Schwungmassenverhältnissen, nicht ausreichend sein, so kann die Intrittfall-Grenzkennlinie auslegungstechnisch durch Absenkung der Strangwindungszahl angehoben werden. Da sich die Auslegungsziele robustes Intrittfallverhalten und hohe Energieeffizienz konträr verhalten, geht diese Anhebung der Intrittfall-Grenzkennlinie zu Lasten des Wirkungsgrades.

Für das feste Schwungmassen­verhältnis JLast/JMotor = 5 und bei Unter­stellung einer quadra­tischen Lastkennlinie ist in Bild 7 das maximal mögliche Lastmoment an der Intrittfall­grenze in Abhän­gigkeit des möglichen Wirkungs­grades im Bemessungspunkt 1,5 kW bei Variation der Strang­windungs­zahl dargestellt. Es ist damit grundsätzlich kein Problem, ein robustes Intrittfall­verhalten oder einen hohen Wirkungsgrad zu erreichen. Für die Kombination beider Auslegungs­ziele bedarf es jedoch eines Kompromisses. Die bestehende Wirkungsgrad­reserve des betrachteten PMLS-Motors nach Bild 7 bis zur knappen Einhaltung von Effizienzklasse IE4 könnte in eine weitere Verbesserung des Intrittfall­verhaltens gewandelt werden.

Mit der Absenkung der Strang­windungs­zahl ist im stationären synchro­nen Betrieb eine entspre­chende Reduktion der Polrad­spannung verbunden, so dass bei konstanter Bemessungs­leistung der Bemessungs­strom steigt und sich Leistungsfaktor und Wirkungsgrad verschlechtern. Einfluss hat die Absen­kung der Strangwin­dungszahl auch auf die Einschaltdaten des PMLS-Motors. Der Einschaltstrom, der ähnlich wie beim reinen Käfigläufermotor das 6- bis 7-fache des Bemessungs­stroms beträgt, steigt ebenfalls an. Im betrachte­ten Leistungs­bereich der IE4-Lücke (Bild 1) bewegt sich der Einschaltstrom jedoch in einer Grös­senordnung, in der noch nicht über ein Einschalt­verfahren zur Reduzierung des Einschalt­stroms nachgedacht werden muss.

Referenzen

[1] IEC 60034-30.

[2] H.G. Schirmer, G. Huth, «Low-power motors in PM line-start technique with surface-mounted magnets», IKMT 2015, Köln, 14.–15. 9. 2015, ETG-Fachbericht 146, S. 165–171.

[3] W. Volkrodt, «Eigenschaften eines neuartigen Synchronmotors mit Erregung durch Bariumferritmagnete», Dissertation TH Braunschweig 1960.

[4] W. Volkrodt, «Polradspannung, Reaktanzen und Ortskurve des Stromes der mit Dauermagneten erregten Synchronmaschine», ETZ Bd.83, 1962, Heft 16,
S. 517–522.

[5] W.H. Kim, K.C. Kim, S.J. Kim, et al., «A Study on the Optimal Rotor Design of LSPM Considering the Starting Torque and Efficiency», IEEE Trans. Magnetics, Vol. 45, No. 3, March 2009, S. 1808–1811.

[6] R. Fischer, G. Huth, «Operational behavior of PM line-start motors with surface-mounted magnets», International ETG-Congress 2011, Würzburg ,
ETG-Report 130.

[7] G. Huth, R. Fischer, «Running up and pulling into step of PM line-start motors with surface mounted magnets», Electrical Engineering 97 (2015), S. 13–24.

[8] G. Huth, «Slot cogging torque of permanent magnet ac-servomotors with a staggered rotor arrangement», Electrical Engineering 78 (1996), S. 391–397.

Autor
Prof. Dr. Gerhard Huth

leitet den Lehrstuhl für Mechatronik und elektrische Antriebssysteme.

  • TU Kaiserslautern
    DE-67663 Kaiserslautern

Kommentare

Was ist die Summe aus 7 und 8?