IE4-Produktlücke bei AC-Motoren
PM-Line-Start-Motoren statt Asynchronmotoren bei IE4
Mit der Einführung der Premium-Effizienzklasse IE4 und der Erweiterung um den unteren Leistungsbereich (120 bis 750 W) stellt sich die Frage, wie solche Motoren zu realisieren sind. Im unteren Leistungsbereich ist es kaum möglich, ausreichend effiziente Asynchronmotoren zu bauen. Diese Lücke lässt sich mit PM-Line-Start-Motoren schliessen.
Direkt am Drehstromnetz betriebene Antriebe besitzen weiterhin eine beachtliche Stückzahlbedeutung, z.B. bei Pumpen- und Lüfterantrieben. Da die Drehmomentbildung des bei Line-Start-Antrieben eingesetzten Asynchronmotors die Stromwärmeverluste im Läufer bedingt, sind der Wirkungsgradsteigerung physikalische Grenzen gesetzt. Mit hochwertigen Elektroblechen, der Ausführung des Käfigläufers mit Kupferdruckguss sowie einer deutlichen Reduzierung der Aktivteilausnutzung ist es möglich, Käfigläufermotoren in Effizienzklasse IE4 sicher bis AH 100 zu realisieren. Für den sich anschliessenden unteren Baugrössenbereich AH 90 – 63 ist die Realisierung von Effizienzklasse IE4 in Asynchrontechnik sehr schwer bis nicht mehr möglich. Es besteht somit eine IE4-Produktlücke (Bild 1), die mit PM-Line-Start-Motoren geschlossen werden kann. [2]
PM-Line-Start-Motoren vereinigen die Netzstartfähigkeit des Käfigläufermotors mit der hohen Energieeffizienz des PM-Synchronmotors. Der Hochlauf erfolgt über den Anlaufkäfig und nach dem Intrittfall arbeitet der Motor als PM-Synchronmotor mit einem entsprechend hohen Wirkungsgrad. Beide Wirkungsprinzipien gilt es bei der Entwicklung ausgewogen zu kultivieren.
Das Prinzip der PM-Line-Start-Motoren (PMLS-Motoren) geht auf Entwicklungen aus den 1960er-Jahren zurück. [3] PM-Synchronmotoren mit Anlaufkäfig wurden zunächst für drehzahlveränderbare Gruppenantriebe entwickelt, die zum Beispiel in Anlagen zur Produktion von Natur- oder Chemiefasern in hohen Stückzahlen zum Einsatz kommen. Wegen des Betriebs am Gruppenumrichter müssen die PM-Synchronmotoren in der Lage sein, auch selbsttätig anlaufen zu können, wenn sie zum Beispiel nach einem Störfall wieder an den Gruppenumrichter zugeschaltet werden.
PMLS-Motoren können an U-f-Umrichtern ohne Sensorik und Regelung als drehzahlveränderbare Motoren betrieben werden. Sie lassen sich damit problemlos in die bestehende Antriebsplattform als Ersatz für Käfigläufermotoren mit nicht ausreichender Energieeffizienz integrieren. Der Beitrag zeigt, was zu beachten ist, damit einerseits der gewünscht hohe Wirkungsgrad im synchronen Betrieb und andererseits ein ausreichendes Hochlauf- und Intrittfallverhalten erreicht werden können.
PM-Line-Start-Motoren
PMLS-Motoren bieten in idealer Weise die Möglichkeit der Bauteilekopplung mit Käfigläufermotoren, denn beide Motorkonzepte können nach dem Baukastenprinzip gefertigt werden. Ausgehend von einem Basis-Käfigläufermotor müssen lediglich das Läuferaktivteil getauscht und die Ständerwicklung bezüglich der Windungszahl angepasst werden. Der Ständer wird so mit einer verteilten Drehstromwicklung ausgeführt, im einfachsten Fall mit einer Einschicht-Ganzlochwicklung. Für den Läufer sind zwei grundsätzliche Designvarianten zu unterscheiden. Beim bisher fast ausschliesslich genutzten Läuferdesign werden die Seltenerdmagnete (SE-Magnete) in Magnettaschen eingebracht, die in den Läuferblechschnitt gestanzt sind. [4, 5] Diese Läuferausführung, für die ein eigenständiger Läuferblechschnitt erforderlich ist, eignet sich aufgrund der einfachen Fertigungstechnik besonders für die Serienproduktion. Am Beispiel eines 4-poligen Läufers zeigt Bild 2a hierzu eine von vielen Anordnungsmöglichkeiten der SE-Magnete im Läuferblechschnitt.
Bei einer zweiten Designvariante, die erst durch die Entwicklung äusserst gegenfeldstabiler SE-Magnete möglich wurde, sind die SE-Magnete an der Läuferoberfläche in Form von Magnetschalen angeordnet. [6, 7]
Bild 2b zeigt hierzu ebenfalls einen 4-poligen Läufer, bei dem die finale Läuferbandage noch fehlt. Eine besonders enge Bauteilekopplung mit dem Basis-Käfigläufermotor wird erreicht, wenn der bestehende Käfigläufer durch einfache Weiterbearbeitung um die Luftspaltmagnete ergänzt wird.
Bei der Drehbearbeitung des Käfigläufers wird, zusätzlich zum mechanischen Luftspalt, noch eine Eindrehung vorgenommen, in die die Magnetschalen eingeklebt und mit einer finalen Bandage versehen werden. Zur Reduzierung der Rastmomente werden die Magnetschalen, ähnlich wie bei AC-Servomotoren [8], gestaffelt auf den Läufer geklebt.
Die beidseitigen Kurzschlussringe dienen beim Anlegen der Läuferbandage als Anfangs- und Endpunkt. Durch das zusätzliche Abdrehen des Läuferpakets um die Höhe von Magnetschale und Bandage geht allerdings der obere Teil der Käfigstäbe verloren und die Läufernuten sind, je nach konkreter Stabgeometrie, mehr oder weniger stark geöffnet. Das verschlechtert, wie auch schon der grössere magnetisch wirksame Luftspalt, die Wirksamkeit des Anlaufkäfigs.
Die unter Einhaltung von Effizienzklasse IE4 erreichbare Leistungsdichte ist bei PMLS-Motoren weitgehend unabhängig von der entsprechend Bild 2 gewählten Designvariante des Läufers. Wird von einem 4-poligen IEC-Normmotor der Baugrösse AH 90 mit einer Bemessungsleistung von 1,5 kW ausgegangen, so führt die Abwandlung zu einem PMLS-Motor durch alleinigen Läufertausch und angepasst ausgeführter Ständerwicklung bei konstanter Leistungsdichte auf eine Steigerung der Effizienzklasse von IE2 auf IE4 (Bild 3).
Als Elektroblech kommt hierbei lediglich die Qualität M530-50A zum Einsatz, und der Anlaufkäfig besteht aus einfachem Aluminium-Druckguss. Um diese Effizienzsteigerung von IE2 auf IE4 als Käfigläufermotor zu erreichen, hätte das Aktivteil um rund 70 % verlängert, die Elektroblech-Qualität von M530-50A auf M330-50A gesteigert und der Läufer von Aluminiumdruckguss auf Kupferdruckguss umgestellt werden müssen.
Zur Projektierung von Antrieben mit PMLS-Motoren
Bei der Entwicklung oder angepassten Auslegung von PMLS-Motoren muss stets ein Kompromiss zwischen angestrebt hohem Wirkungsgrad und robustem Hochlauf- und Intrittfallverhalten gefunden werden, da sich beide Auslegungsziele weitgehend konträr verhalten. Neben dem stationären synchronen Betrieb ist es daher zusätzlich notwendig, den transienten Hochlauf- und Intrittfallvorgang unter Variation der wesentlichen Lastparameter Schwungmassenverhältnis JLast/JMotor und Lastkennlinie W(n) des angetriebenen Prozesses zu beurteilen.
Die folgenden Betrachtungen sollen am Beispiel eines 4-poligen PMLS-Motors der Baugrösse AH 90 erfolgen, der die Basiskonstruktion eines entsprechenden IEC-Normmotors der Effizienzklasse IE2 nutzt und über die Gehäuseoberfläche eigengekühlt ist. Bei einer Bemessungsleistung von 1,5 kW, das entspricht einem Bemessungsdrehmoment von rund 9,5 Nm, wird der PMLS-Motor durch die in Bild 4 dargestellten stationären synchronen Betriebsdaten beschrieben.
Mit einem für die Effizienzklasse IE4 geltenden Grenzwirkungsgrad (1,5 kW/ 4-polig / 50 Hz) von 88,2 % besitzt der PMLS-Motor das Potenzial für eine noch höhere Effizienzklasse. Dieser Wirkungsgradvorteil setzt sich, wie von PM-Synchronmotoren bekannt, bis in den Teillastbereich fort. Der hohe Wirkungsgrad wird auch deshalb erreicht, weil sich der Leistungsfaktor im Bemessungspunkt aufgrund der gewählten Auslegung nur knapp unter dem Wert cos Phi = 1 bewegt. Damit ist der Blindleistungsbedarf auch im Teillastbereich gering.
Typisch für die Premium-Effizienzklasse ist auch die verhältnismässig geringe thermische Ausnutzung, die im Bemessungspunkt auf eine Ständerwicklungserwärmung von nur rund 20 K führt. Mit den in Bild 4 dargestellten Betriebsdaten erfolgt die Projektierung für den stationären Arbeitspunkt.
Neben dem stationären synchronen Betrieb muss noch das Hochlauf- und Intrittfallverhalten überprüft werden. Bei richtiger Projektierung findet nach dem Hochlauf der finale Intrittfall auf die synchrone Drehzahl statt. Bei unzureichender Abstimmung der Lastparameter findet der Intrittfall nicht statt und der Hochlauf endet in einem untersynchronen Grenzzyklus (Bild 5). In diesem Störfall treten hohe Pendelmomente auf, die auf die periodischen Drehzahlschwankungen des Antriebes führen. Neben eindeutigen Geräuscherscheinungen führt dieser Zustand zur schnellen Motorerwärmung, so dass der PMLS-Motor entsprechend geschützt werden muss.
Für die Beurteilung des Hochlauf- und Intrittfallverhaltens ist die sogenannte Intrittfall-Grenzkennlinie hilfreich. Sie beschreibt für einen bestimmten Lastkennlinientyp, zum Beispiel für die quadratische Lastkennlinie eines Lüfters oder einer Kreiselpumpe, in Abhängigkeit des Schwungmassenverhältnisses JLast/JMotor das maximal mögliche Lastmoment Wmax bei synchroner Drehzahl, bei dem ein Hochlauf mit finalem Intrittfall noch möglich ist. Ein eventuelles Hängenbleiben in der Hochlaufphase am generatorischen Bremssattel [7] wird bei der Bestimmung der Intrittfall-Grenzkennlinie automatisch berücksichtigt. In Bild 6 sind die Intrittfall-Grenzkennlinien für den 1,5-kW-PMLS-Motor für die drei wichtigsten Lastkennlinientypen (quadratische, lineare und konstante Lastkennlinie) dargestellt. Im betrachteten Schwungmassenbereich besteht ein robustes Hochlauf- und Intrittfallverhalten mit hoher Intrittfallreserve. Lüfter- und Pumpenantriebe, bei denen ein typisches Schwungmassenverhältnis von JLast/JMotor = 2 bis 4 vorliegt, werden vollständig abgedeckt. Eine Intrittfallreserve ist erforderlich, um auch bei leichter Unterspannung oder bei einem Warmstart den sicheren Intrittfall zu gewährleisten. Da PMLS-Motoren der Premium-Effizienzklasse thermisch sehr gering ausgenutzt sind, ist der Unterschied zwischen Kaltstart und Warmstart allerdings von geringer Bedeutung.
Sollte die Intrittfallgrenze, zum Beispiel bei Antrieben mit deutlich höheren Schwungmassenverhältnissen, nicht ausreichend sein, so kann die Intrittfall-Grenzkennlinie auslegungstechnisch durch Absenkung der Strangwindungszahl angehoben werden. Da sich die Auslegungsziele robustes Intrittfallverhalten und hohe Energieeffizienz konträr verhalten, geht diese Anhebung der Intrittfall-Grenzkennlinie zu Lasten des Wirkungsgrades.
Für das feste Schwungmassenverhältnis JLast/JMotor = 5 und bei Unterstellung einer quadratischen Lastkennlinie ist in Bild 7 das maximal mögliche Lastmoment an der Intrittfallgrenze in Abhängigkeit des möglichen Wirkungsgrades im Bemessungspunkt 1,5 kW bei Variation der Strangwindungszahl dargestellt. Es ist damit grundsätzlich kein Problem, ein robustes Intrittfallverhalten oder einen hohen Wirkungsgrad zu erreichen. Für die Kombination beider Auslegungsziele bedarf es jedoch eines Kompromisses. Die bestehende Wirkungsgradreserve des betrachteten PMLS-Motors nach Bild 7 bis zur knappen Einhaltung von Effizienzklasse IE4 könnte in eine weitere Verbesserung des Intrittfallverhaltens gewandelt werden.
Mit der Absenkung der Strangwindungszahl ist im stationären synchronen Betrieb eine entsprechende Reduktion der Polradspannung verbunden, so dass bei konstanter Bemessungsleistung der Bemessungsstrom steigt und sich Leistungsfaktor und Wirkungsgrad verschlechtern. Einfluss hat die Absenkung der Strangwindungszahl auch auf die Einschaltdaten des PMLS-Motors. Der Einschaltstrom, der ähnlich wie beim reinen Käfigläufermotor das 6- bis 7-fache des Bemessungsstroms beträgt, steigt ebenfalls an. Im betrachteten Leistungsbereich der IE4-Lücke (Bild 1) bewegt sich der Einschaltstrom jedoch in einer Grössenordnung, in der noch nicht über ein Einschaltverfahren zur Reduzierung des Einschaltstroms nachgedacht werden muss.
Referenzen
[1] IEC 60034-30.
[2] H.G. Schirmer, G. Huth, «Low-power motors in PM line-start technique with surface-mounted magnets», IKMT 2015, Köln, 14.–15. 9. 2015, ETG-Fachbericht 146, S. 165–171.
[3] W. Volkrodt, «Eigenschaften eines neuartigen Synchronmotors mit Erregung durch Bariumferritmagnete», Dissertation TH Braunschweig 1960.
[4] W. Volkrodt, «Polradspannung, Reaktanzen und Ortskurve des Stromes der mit Dauermagneten erregten Synchronmaschine», ETZ Bd.83, 1962, Heft 16,
S. 517–522.
[5] W.H. Kim, K.C. Kim, S.J. Kim, et al., «A Study on the Optimal Rotor Design of LSPM Considering the Starting Torque and Efficiency», IEEE Trans. Magnetics, Vol. 45, No. 3, March 2009, S. 1808–1811.
[6] R. Fischer, G. Huth, «Operational behavior of PM line-start motors with surface-mounted magnets», International ETG-Congress 2011, Würzburg ,
ETG-Report 130.
[7] G. Huth, R. Fischer, «Running up and pulling into step of PM line-start motors with surface mounted magnets», Electrical Engineering 97 (2015), S. 13–24.
[8] G. Huth, «Slot cogging torque of permanent magnet ac-servomotors with a staggered rotor arrangement», Electrical Engineering 78 (1996), S. 391–397.
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