Fachartikel Energiemarkt , Regulierung

Herausforderungen und Chancen für EVUs

Zusammenschluss des Eigenverbrauchs

09.12.2019

Die Lieferbeziehung zwischen Versorgungswerk und Kunde war über viele Jahre hinweg klar und unidirektional strukturiert. Aufgrund der zunehmenden Anzahl Photovoltaik-Anlagen, die Strom ins Netz einspeisen, stehen Versorgungswerk und Kunde je länger, je mehr in einer Wechselbeziehung zueinander.

Mit dem Zusammenschluss des Eigenverbrauchs (ZEV) kommt eine neue Dimension der Geschäftsbeziehung auf. Der Eigentümer einer Photovoltaik-Anlage produziert Solarstrom, den er nicht nur selbst verwendet, sondern auch einem überschaubaren Benutzerkreis zur Verfügung stellt – beispielsweise den Bewohnern seines Mehrfamilienhauses. Die Leistung wird abhängig vom Verbrauch der einzelnen Nutzer verrechnet. Seit jeher stellt das Versorgungswerk sowohl das Netz als auch die Zähler zur Lieferung und Messung von Energie. Die Vorteile der vorhandenen Messinfrastruktur können die Werke effizient nutzen und den Eigenverbrauchern eine attraktive Palette an Dienstleistungen anbieten.

Solarstrom vom eigenen Dach

Wenn die Photovoltaik-Anlage zum Eigenverbrauch genutzt wird, gibt es zwei Modelle:

  • Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)
  • Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG)

Beim ZEV erfolgt die Organisation und Durchführung der Leistungsabrechnung intern im Verbund. Beim EVG werden Messung und Verrechnung (meist) durch den lokalen Energieversorger durchgeführt. Diese Variante ist für Versorgungswerke folglich besonders interessant, denn sie können ihre Infrastruktur und Expertise gegen Entgelt zur Verfügung stellen. Im Kontext der Verrechnung kommt ihnen ein technischer Vorteil zugute: Das Messmittelmanagement muss komplexe regulatorische Anforderungen erfüllen, weshalb es sinnvoll ist, diesen Prozess an den «Profi» auszulagern. Weiter verfügt das lokale Werk über effektive und effiziente Ablesetechnologien, die bereits bei der herkömmlichen Energielieferung genutzt werden. Hierzu gehört auch das entsprechende Reporting, worin Verbrauchswerte nachvollziehbar dargestellt sind.

Der Umfang an Unterstützung durch das Versorgungswerk kann beispielsweise folgende Dienstleistungen umfassen: Ablesen und Reporting der gesamten Gemeinschaft mit Details zu einzelnen Benutzern, Aufbereitung der Rechnungen an die Endkunden der Gemeinschaft oder Übernahme des Inkasso- und Mahnprozesses.

Alle Dienstleistungspakete beinhalten mindestens die Verbrauchsmessung, das Ablesen und ein Reporting des gesamten Energieverbrauchs. Je nach Angebot werden zusätzlich die Verbrauchs- beziehungsweise Messdaten der Endkunden geliefert. Im Normalfall wird hierfür eine pauschale Gebühr verlangt oder nach Anzahl Messpunkten verrechnet.

Eine weitaus komplexere Dimension erreichen Angebotsvarianten, bei denen das Werk auch die Fakturierung des Verbrauchs übernimmt. Als Dienstleistungsanbieter gilt es in diesem Fall, einige Aspekte zu beachten.

Rechnungsstellung

Es kann durchaus sein, dass die EVG der Mehrwertsteuer (MWST) unterstellt ist – beispielsweise, wenn Vorsteuern für Investitionen oder Leistungsbezüge geltend gemacht werden sollen. Bei der Rechnungsstellung, in Vertretung der Gemeinschaft, muss die entsprechende MWST-Nummer auf der Rechnung aufgeführt werden. Werden mehrere EGV mit der Dienstleistung der Rechnungsstellung bedient, kann der administrative Aufwand schnell sehr gross werden (die eine EVG ist zum Beispiel mehrwertsteuerpflichtig, die andere nicht). Allenfalls ist es daher sinnvoll, einen separaten Mandanten im Verrechnungssystem zu führen. Bei einer Fakturierung für Dritte sollen deren Umsätze natürlich nicht in die eigene Buchhaltung fliessen. Der Vorteil von separaten Mandanten ist, dass die fakturierten Erlöse buchhalterisch keine weitere Verwendung erfahren. Nicht zuletzt kann es auch sein, dass das Layout nicht deckungsgleich mit den eigenen Rechnungen ist. Dies erfordert Anpassungen im Verrechnungssystem.

Insbesondere die folgenden Punkte sollten beachtet werden: Die Rechnungsstellung sollte in jedem Fall separat erfolgen, mit oder ohne Mehrwertsteuer. Ausserdem sollte die fakturierte Summe auf einem dedizierten Konto als Fremdguthaben geführt werden. Und wenn auf der Rechnung die MWST gefordert wird, empfiehlt sich ein zusätzliches separates Konto. Mit einem separaten MWST-Code kann schliesslich eine detaillierte Abrechnung geliefert werden.

Mehrwertsteuer

Weil die abzuliefernde Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) in modernen Finanzbuchhaltungs-Lösungen automatisch auf das entsprechende Passivkonto gebucht wird, liegt es nahe, bei Fakturierungen für Dritte die gleiche Systematik zu nutzen. Vielfach wickeln Versorgungswerke heute schon die Fakturierung für eine nahestehende Drittpartei ab, beispielsweise für Leistungen der Gemeinde.

Die eigentlichen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft und die Umsatzsteuer werden als getrennte Konten geführt. Da die Verpflichtungen aus revisionstechnischen Gründen gegenüber allen einzelnen Drittparteien korrekt ausgewiesen werden müssen, kann es durchaus sein, dass die Anzahl dieser Konten sprunghaft zunimmt (je nach Anzahl solcher Kundenbeziehungen). Wenn das Werk diese Leistung bereits anbietet, ist es zielführend, möglichst viele Kunden dafür zu gewinnen, um den Initialaufwand gering zu halten respektive auf eine Vielzahl Kunden zu verteilen. Hier sollte das Augenmerk insbesondere auf einer sinnvollen Nummerierung der Konten liegen. Andernfalls läuft man Gefahr, dass die Kontonummernbereiche beziehungsweise MWST-Codes mittelfristig nicht mehr ausreichend sind.

EVUs sollten ihre ZEV-Partner daher direkt auf die Mehrwertsteuer ansprechen. Ist ein Kunde der Mehrwertsteuer unterstellt, muss die entsprechende MWST-Nummer bei der Rechnungsstellung zwingend aufgeführt werden. Sinnvoll ist, das Thema gleich als Bestandteil im Dienstleistungsvertrag aufzunehmen. Auf diese Weise werden die Kunden dazu verpflichtet, ihre MWST-Pflicht anzugeben und die fakturierte MWST ordnungsgemäss abzuliefern.

Inkasso

Nebst der Rechnungsstellung an die Parteien der Gemeinschaft nehmen EVGs vielfach auch das Angebot zum Inkasso dieser Forderungen wahr. Hierbei handelt es sich um Forderungen, die nicht in die Erfolgsrechnung fliessen, sondern in die Buchhaltung – und zwar als Fremdguthaben beziehungsweise kurzfristiges Fremdkapital. Folgende Fragen sind hier relevant: Auf welches Bankkonto erfolgt die Zahlung? Erfolgt die Mahnung konsistent und einheitlich? Bei eigenen Leistungsbezügern steht nach wiederholten Mahnungen ein Stromsperren zur Diskussion. Aufgrund welcher Faktoren (der Fakturierung oder der bezahlten Rechnung) erfolgt die Weitergabe der Erträge? Erfolgt die Rechnungsstellung der Gesamtleistung separat oder in Verrechnung mit den eingegangenen Zahlungen?

Fakt ist, dass der Anspruch an das eigene System bei einem Dienstleistungsangebot mit Fakturierung und Inkassoprozess massiv steigt. Dies sollte sich entsprechend im Preis niederschlagen. Zudem ist es zentral, beim Aufbau solcher Dienstleistungsangebote nicht nur die marktorientierten Möglichkeiten abzuwägen, sondern auch die geforderten technischen Massnahmen intern und mit den Software-Partnern abzuklären, frühzeitig umzusetzen und zu testen.

Ein neues Geschäftsfeld

Mit dem Aufkommen der Eigenverbrauchsgemeinschaft ergibt sich für Versorgungswerke ein neues, attraktives Geschäftsfeld. Die Ausarbeitung von Dienstleistungen für die Verbrauchergemeinschaft verlangt jedoch nicht nur die Prüfung von netztechnischen und vertraglichen Aspekten, sondern auch den Fokus auf betriebswirtschaftliche und systemtechnische Anforderungen. Aus diesem Grund ist es ausschlaggebend, die Vertriebs- sowie Buchhaltungsabteilung frühzeitig zu involvieren und sicherzustellen, dass der Prozess optimal aufgegleist wird. Auf diese Weise werden neue Dienstleistungen erfolgreich Anklang finden.

Autor
Michael Grimm

ist Produkt­verant­wort­licher BDO Abacus bei BDO AG.

  • BDO AG, 8031 Zürich

 

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