Interview Fachkräfte

«Handwerk­liche Berufe haben es schwer»

Interview mit Raymond Zuber

02.04.2018

Raymond Zuber, Präsident der Kommission Höhere Berufsbildung Netzelektriker/in, über die Gründe, warum es mehr Netzelektriker-Stellen als Netzelektriker gibt und wie es um die Reformation der Grundbildung steht.

Bulletin: Raymond Zuber, Netzelektrikerinnen und Netzelektriker sind gesuchte Fachleute. Warum halten sich in diesem Bereich Nachfrage und Angebot nicht die Waage?

Raymond Zuber: Die Ausbildung zur Netzelektrikerin respektive zum Netz­elektriker ist eine handwerkliche Lehre. Und im Gegensatz zu Ausbildungen im Dienstleistungssektor sind solche Lehren heute viel weniger begehrt als früher. Die Folge daraus ist ein Delta zwischen zu besetzenden Stellen und dafür qualifizierten Personen. In der Schweiz sind aktuell mehrere Hundert Netzelektriker-Stellen zu besetzen. Aber es sind schlicht zu wenig Fachleute vorhanden.

Handelt es sich also primär um ein Image-Problem von handwerklichen Berufen?

Es kommt noch eine weitere wichtige Komponente hinzu: Netzelektrikerinnen und Netzelektriker übernehmen eine grosse Verantwortung. Heute schreit zwar jede und jeder nach Verantwortung, aber wenn es dann effektiv darum geht, diese auch wahrzunehmen, werden plötzlich alle still.

Sind handwerkliche Berufe heutzutage benachteiligt?

Es ist wohl keine bewusste Benachteiligung, aber viele junge Menschen suchen heute bevorzugt eine Tätigkeit, bei der sie sich die Hände nicht ‹schmutzig› machen müssen. Handwerkliche und technische Berufe haben es da schwer, zumal auch deren Status und Image in der Gesellschaft gelitten haben. Tätigkeiten, die am Computer sitzend erledigt werden können, sind heute gefragter.

Welche Möglichkeiten eröffnet denn eine Ausbildung zur Netzelektrikerin respektive zum Netzelektriker?

Sehr viele. Wer eine höhere Fachprüfung absolviert, hat gute Aussichten auf eine Kaderstelle, und eine solche Stelle bietet zahlreiche Optionen zum beruflichen Weiterkommen. Aufgrund der gros­sen Nachfrage können sich Netzelektrikerinnen und Netzelektriker ausserdem quasi aussuchen, wo sie arbeiten möchten.

Noch seltener als Netzelektriker sind Netzelektrikerinnen. Welches sind die Gründe dafür?

Die Arbeit von Netzelektrikern ist anstrengend. Sie steigen in Gräben hinab und wieder herauf oder müssen auf Masten hinauf- und wieder herunterklettern. Dabei hantieren sie mit schwerem Material und Gerät – und das bei fast jeder Witterung. Diese Umstände schrecken junge Frauen wohl von diesem Beruf ab.

Es gibt aber auch Frauen, die das nicht stört. Stellen Sie eine Tendenz fest?

Ohne das mit konkreten Zahlen belegen zu können, habe ich doch den Eindruck, dass in den letzten fünf Jahren vermehrt Frauen die Aus- und Weiterbildungen des VSE besucht haben. Ich freue mich jeweils sehr, wenn ich in Kallnach und Lenzburg, wo unsere Weiterbildungen stattfinden, auch junge Netzelektrikerinnen begrüssen darf. Das Beispiel Silvia Rüegg zeigt, dass Frauen im Beruf Netzelektriker angekommen und akzeptiert sind. Das ist ähnlich wie beim Frauenfussball. Zu Beginn belächelt, ist er heute eine feste Grösse im globalen Fussballkalender.

Die höhere Berufsbildung für Netz­elektrikerinnen und Netzelektriker wird aktuell überarbeitet und modernisiert. Wo stehen diese Arbeiten und wie sieht der Fahrplan aus?

Diese Reformation ist dringend notwendig. Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium, doch sind wir zuversichtlich, dass wir Ende 2018 einen Vorschlag werden präsentieren können. Wenn wir wie geplant vorankommen, werden die ersten Prüfungen nach neuer Ausbildungsordnung voraussichtlich im Jahr 2023 oder 2024 absolviert.

Autor
Ralph Möll

war Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

Zur Person

Raymond Zuber präsidiert ad interim die Kommission Höhere Berufsbildung Netzelektriker/in. Er ist stellvertretender Bereichsleiter MS-/NS-Netze und Abteilungsleiter Betrieb bei der Energiedienste Visp-Westlich Raron AG.

E-Mail

Informationen zum Berufsbild Netzelektriker

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