Fachartikel Energiespeicher , Infrastruktur

Brenn­stoff­zellen im Notstrom­bereich

Wasserstoff als Energiespeicher

12.06.2023

Neben der Anwendung im mobilen Bereich können mit Wasserstoff betriebene Brenn­stoff­zellen auch im stationären Bereich, beispielsweise in der NotStrom­ver­sor­gung, einen wichtigen Beitrag leisten. Ihre technische Reife bezüglich Leistung, Funktionalität und Sicherheit ist heute weit fortgeschritten.

Brenn­stoffzellen­systeme erzeugen aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrischen Gleichstrom. Sie arbeiten leise und wartungsarm. Zur Sicher­stellung der Strom­ver­sor­gung im Notfall können sie umwelt­freundlich eingesetzt werden. Wird eine standortspezifisch ausreichend grosse Menge an Wasserstoff bereitgestellt, können Autonomie­zeiten von mehreren Tagen gewährleistet werden. Der Anlagen­zustand ist aus der Ferne stets kontrollierbar. Für den Betrieb der Anlage muss kein Personal vor Ort sein.

In einem national geförderten Projekt zum Langzeit­verhalten von Brenn­stoff­zellen im Bereich des Mobilfunks [1] konnte ein Forscherteam der Hochschule Luzern auch bei längeren Standzeiten eine hohe Zuverlässigkeit der Systeme nachweisen. Ausserdem birgt der farb- und geruchlose Wasserstoff als Brennstoff grosses Potenzial zur Verringerung des globalen CO2-Ausstosses und zum Aufbau einer nachhaltigen Energie­versorgung. Die Penta-Länder, also Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und die Schweiz, haben im Dezember 2021 ein Memorandum of Understanding zur Strom­krisen­vorsorge unter­zeichnet, welches sich insbesondere mit der Verbreitung von Wasserstoff befasst.

Der Schweizer Markt ist noch sehr klein für Brenn­stoff­zellen-Anwendungen mit Wasserstoff. Gemäss einem aktuellen Bericht von Swiss Cleantech [2] wird Wasserstoff eher in kleineren Mengen für einzelne Anwendungen genutzt. So betrug im Jahr 2021 der Anteil von Wasserstoff nur ca. 1% des Schweizer Erdgas­marktes.

Grundlagen

Wie Batterien und Akkumu­latoren bestehen auch Brenn­stoff­zellen aus Anode und Kathode, die durch einen Elektrolyten getrennt sind. Die verschiedenen Typen von Brenn­stoff­zellen unterscheiden sich durch die Art des Elektrolyten und ihrer Betriebstemperatur. Gemäss einer Statistik der Beratungsfirma E4tech [3] ist der Brenn­stoff­zellentyp mit einer Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM) weltweit am meisten verbreitet. Am zweithäufigsten verbreitet ist die Festoxid-Brenn­stoff­zelle (SOFC), die bei Tempe­raturen bis zu 1000°C betrieben wird (Bild 1).

Brenn­stoff­zellen, die als einzelne Zellen in Serie geschaltet werden, nennt man Stapel. Die Spannung des Stapels ist abhängig von der Anzahl der in Serie geschalteten Zellen. Der maximale Strom des Stapels wird durch die Grösse der aktiven Querschnitts­fläche bestimmt. Die Anzahl in Serie geschalteter Zellen ist begrenzt durch die Gas- und Wasserführung innerhalb der Zellen.

Zu einem Brenn­stoff­zellen­system gehören folgende Komponenten: Stapel, ein Kompressor für die Zuluft, eine Abluftführung, ein luft- oder wassergeführter Kühlkreislauf, eine Regelung und Steuerung des Systems, Leistungs­elektronik und eine Kommu­nikations­schnittstelle zur Datenübertragung. Bei Bedarf können über diese Schnittstelle Alarme in ein über­geord­netes Kontrollsystem eingebunden werden. Bild 2 zeigt ein Prinzipschema mit den einzelnen Komponenten und wird im Folgenden erläutert.

Durch die Zufuhr von Wasserstoff und Sauerstoff, der meist aus der Umgebungs­luft zugeführt wird, erzeugt die Brenn­stoff­zelle Gleichstrom mit einem Wirkungsgrad von rund 50%, je nach System und Einsatzbedingungen auch höher. Beim Prozess entsteht Abwärme, die über ein Kühlsystem abgeführt werden muss. Das bei der chemischen Reaktion entstehende Wasser wird teilweise in Dampfform zusammen mit der unbenutzten Zuluft ins Freie geleitet. Eine geringe Menge an Wasser wird ausgeschieden und kann in einem Gefäss aufgefangen oder über einen Schlauch ins Freie geleitet werden.

Bei einem Stromausfall startet eine Steuereinheit das System und kontrolliert die Gaszufuhr. Über die Steuereinheit wird das System auch für periodische, automatische Funktionstests gestartet. Diese werden je nach Angaben des Systemherstellers in der Regel alle sechs bis acht Wochen durchgeführt. Der Wasserstoff­verbrauch für diese Funktionstests muss eingeplant werden.

Ein Stromspeicher als Start-up-Einheit überbrückt die Anlaufzeit des Systems, die meist wenige Sekunden dauert. Wenn ein unter­brechungs­freier Betrieb der Verbraucher gewährleistet werden soll, sind die Anforderungen an die Start-up-Einheit lastabhängig.

Die Spannung des Brenn­stoff­zellenstapels wird meist über eine Leistungs­elektronik (Wandler) auf die benötigte Spannung des Verbrauchers transformiert. Um den Strom und somit die Leistung des Systems und zugleich die Ausfall­sicherheit des Systems zu erhöhen, können einzelne Stapel parallel­geschaltet werden.

Wasserstoff

Die meisten Brenn­stoff­zellen werden mit gasförmigem Wasserstoff betrieben. Wasserstoff gilt als Sekundärenergieträger. Da Wasserstoff in der Natur nur chemisch gebunden vorkommt, muss Primärenergie für die Abtrennung aus der Verbindung aufgewendet werden. Je nach Art der für die Herstellung eingesetzten Primärenergie wird Wasserstoff mit verschiedenen Farben bezeichnet; am häufigsten sind Grün, Grau und Blau. Als grün wird Wasserstoff bezeichnet, wenn er mit Strom aus 100% erneuerbaren Energiequellen erzeugt wurde. Bei grauem Wasserstoff wird mit Dampfreformierung meist Erdgas unter hohen Temperaturen in Wasserstoff und CO2 umgewandelt, das ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben wird. Wird das CO2 abgefangen und über eine Kohlen­stoff­dioxid­speicher-Technologie (Carbon Capture and Storage CCS) gespeichert, wird der Wasserstoff als blau bezeichnet. Die Bilanz wird dann als CO2-neutral betrachtet. Diese Technologien sind noch Gegenstand von Forschungs- und Pilotprojekten [4].

Wasserstoff wird in verschiedenen Reinheitsgraden angeboten, die sich auch im Preis unterscheiden. Zu Beginn der Brenn­stoff­zellen­entwicklung musste das Gas meist in einer sehr hohen Reinheit von 99,999% zugeführt werden, um Verunreinigungen der empfindlichen Membran zu vermeiden. Inzwischen gibt es Systeme, die auch mit dem preisgünstigeren technischen Wasserstoff mit einer Reinheit von 99,9% betrieben werden können.

Wasserstoff liegt in einem grossen Temperaturbereich gasförmig vor, weshalb es für Anwendungen immer komprimiert eingesetzt wird. Handelsüblich sind 50-l-Druck­gas­zylinder mit einem Druck von 200 oder 300 bar, die als Einzelzylinder oder als Bündel mit je 12 Zylindern bereitgestellt werden.

Eine Alternative zu Gaszylindern sind Metall­hydrid­speicher, in denen Wasserstoff in einer festen Metalllegierung durch eine reversible chemische Reaktion gebunden wird. In diesen Speichern kann Wasserstoff unter Zufuhr von Wärme ohne Zyklenverluste wieder freigesetzt werden. Bei der Kombination mit Brenn­stoff­zellen wird deren Abwärme genutzt. Die Speicherung erfolgt in einem niedrigeren Druckbereich, je nach Hersteller zwischen 30 und 40 bar. Solche Systeme werden in der Schweiz beispielsweise bei der Firma GRZ entwickelt und sind kommerziell erhältlich. Die Speicher sind modular aufgebaut und können in Serie geschaltet werden. Metall­hydrid­speicher sind schwer und deshalb vor allem für einen stationären Einsatz geeignet.

Bedarfsabschätzung

Um den Wasserstoffverbrauch für eine Brenn­stoff­zellenanlage abzuschätzen, können Richtwerte angenommen werden. Ein 50-l-Wasserstoffzylinder mit 200 bar beinhaltet knapp 10 m³ beziehungsweise knapp 1 kg Wasserstoff. Mit einer Energiedichte des Wasserstoffs bei Normaldruck von 3 kWh/m³ enthält ein Zylinder 30 kWh chemische Energie. Mit einem elektrischen Wirkungsgrad des Brenn­stoff­zellensystems von 50% können mit einem Zylinder 15 kWh elektrische Energie erzeugt werden. In der Praxis variieren diese Werte je nach Wirkungsgrad des Systems und dadurch, dass in den Zylindern in der Regel ein Restdruck verbleiben muss.

Der Gasbedarf hängt je nach Anwendung von der geforderten Autonomiezeit und der Leistung des Verbrauchers ab. Bei einer Last von zum Beispiel 5 kW und einer Autonomiezeit von 72 Stunden werden 360 kWh elektrische Energie benötigt. Auf Basis der genannten Abschätzung werden zur Versorgung 24 Zylinder benötigt, was zwei Paletten entspricht. Dabei sind die Reserven nicht berücksichtigt. Falls die Last nicht konstant bei 5 kW liegt, sondern teilweise etwas niedriger ist, bietet diese Abschätzung eine gute Orientierung. Bei einem Zylinderdruck von 300 bar erhöht sich die zur Verfügung stehende Autonomiezeit von 72 Stunden auf ca. 106 Stunden.

Sicherheit

Der Wasserstoffspeicher wird bevorzugt im Aussenbereich aufgestellt. Für die Leitungsführung und die Installation des Brenn­stoff­zellen­systems müssen entsprechende Sicherheits­mass­nahmen und Brandschutz­vorschriften beachtet werden. Für die Montage der Leitungen sollten erfahrene Installateure beauftragt und geeignete Materialien verwendet werden. Für die Verlegung der Gasleitungen sind Schweiss­verbindungen und möglichst wenig Verschraubungen zu bevorzugen.

Der Aufstellungs­raum der Brenn­stoff­zelle sollte mit einem Wasserstoff­sensor ausgestattet sein, der regelmässig geprüft wird. Während des Betriebs der Brenn­stoff­zelle ist für eine ausreichende Belüftung des Raumes zu sorgen. Im Rack selbst befindet sich zusätzlich ein durch den Hersteller eingebauter Sensor. Bei einer zu hohen Gas-Konzentration müssen die Ventile geschlossen und die Gaszufuhr gestoppt werden.

Anwendung als Notstromanlage

Als Notstromanlage kann ein Brenn­stoff­zellensystem als Stand-Alone-System direkt an den Verbraucher angeschlossen werden oder als Range Extender die Batterie eines klassischen USV-Systems ergänzen. In letzterem Fall übernimmt bei einem Netzausfall zuerst die konventionelle USV-Anlage die Strom­ver­sor­gung unter­brechungsfrei. Dabei muss die Ausgangsspannung der Brenn­stoff­zelle mit einem Spannungs­wandler an die Zwischen­kreis­spannung der USV angepasst werden. Gute Planungshinweise für eine NotStrom­ver­sor­gung mit Brenn­stoff­zellen gibt es in einem Planungsleitfaden aus Deutschland [5].

Zurzeit wird in der Schweiz ein für die Astra installiertes Brenn­stoff­zellensystem mit 20 kW für den Notstrom eines Autobahn­tunnels erprobt. Geplant und installiert wurde die Anlage durch die Firma H2tec (h2tec.ch). Der Wasserstoff­speicher ist in einem gesicherten Aussenbereich aufgestellt, die Brenn­stoff­zelle ist in einem separaten belüfteten Innenraum installiert. Bild 3 zeigt das Gehäuse für die Aufstellung der Wasserstoffzylinder. Aufgrund guter Erfahrungen klärt Astra weitere Notstrom-Projekte mit Brenn­stoff­zellen ab.

Auch Stadtwerk Winterthur hat die Vorteile von Brenn­stoff­zellen­systemen erkannt und wird noch in diesem Jahr ein erstes Pilotprojekt mit einer 5-kW-NotStrom­ver­sor­gung realisieren.

Neben den Anwendern gibt es in der Schweiz auch Firmen, die eigene Systeme anbieten. Ein Beispiel ist das Unternehmen Inerso GmbH, das einen Prototyp für ein netz­unab­hängiges, trans­portier­fähiges und inselfähiges Brenn­stoff­zellensystem mit Metall­hydrid­speicher entwickelt hat. Auf Bild 4 ist das System zu sehen mit einer elektrischen Nennleistung von 3 kW und einer Speicherkapazität von 3 kg Wasserstoff. Dies entspricht einer nutzbaren elektrischen Speicherkapazität von 50 kWh.

Fazit

Die technische Reife von PEM-Brenn­stoff­zellen­systemen ist heute bezüglich Leistung, Funktionalität und Sicherheit weit fortge­schritten. Im Vordergrund der Entwicklung stehen die Kosten­reduktion und die Verfüg­barkeit von Service­leistungen sowie die Produktion von grünem Wasserstoff. Auch in letzterem Bereich werden künftig neue Erkenntnisse erwartet. Es ist davon auszugehen, dass in einem sich verän­dernden politischen Umfeld und steigenden Anforde­rungen durch Umwelt­vorschriften Wasserstoff und Brenn­stoff­zellen­systeme ihren Platz auf dem Markt finden.

Referenzen

[1] U. Trachte, P. Sollberger, T. Gisler, Langzeittest USV mit Brenn­stoff­zellen, BFE, Juni 2019.

[2] Cleantech Alps: Hydrogen in Switzerland. What role can Switzerland play in this sector, 2022.

[3] Fuel Cell Industry Review, E4tech, 2021.

[4] CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) und Negativ­emissions­techno­logien (NET), Wie sie schritt­weise zum lang­fristigen Klimaziel beitragen können, Bundesrat, 2022.

[5] Planungs­leitfaden Brenn­stoff­zellen-ErsatzStrom­ver­sor­gungen, Clean Power Net (CPN), NOW GmbH, 2018.

Autorin
Ulrike Trachte

ist Senior wissen­schaftliche Mitar­bei­terin am CC ther­mische Energie­systeme und Verfahrens­technik.

Event

Anlagentagung

Das im Beitrag erwähnte Notstrom­versor­gungs-Projekt von Stadtwerk Winterthur wird an der Anlagen­tagung vom 21. Septem­ber 2023 in Aarau im Detail vorgestellt.

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