Fachartikel Erneuerbare Energien

Gut für die Umwelt und die Glaubwürdigkeit

Zertifizierter Ökostrom

29.01.2019

Viele Schweizer Unternehmen setzen auf Ökostrom, obwohl dieser etwas teurer ist als die meisten Standard-Stromprodukte. Was motiviert sie dazu?

Ökostrom mit dem Schweizer Gütesiegel Naturemade Star wird unter Einhaltung strenger Umweltauflagen produziert, damit die natürlichen Lebensräume rund um die Kraftwerke möglichst wenig beeinträchtigt werden. Zudem werden Renaturierungen im Umfeld der Kraftwerke finanziert (vgl. Kasten unten). Ökostrom ist also mehr als «nur erneuerbar», dafür aber etwas teurer. Trotzdem bestellt bereits heute eines von 50 Schweizer Unternehmen zertifizierten Ökostrom. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Attraktiv für Impact Investments

Für den europäischen Grünstromproduzenten Aventron aus Münchenstein ist Nachhaltigkeit ein wesentliches Positionierungsmerkmal, wie CEO Antoine Millioud erläutert. Von den über 125 Kraftwerken, die das Unternehmen in sechs europäischen Ländern besitzt, ist daher ein Teil mit dem Ökostrom-Gütesiegel zertifiziert. Damit könne Aventron Investoren gewinnen, denen neben der finanziellen Rendite auch der ökologische Impact am Herzen liege. Zudem trage der Verkauf des ökologischen Mehrwerts in Form von Herkunftsnachweisen (HKN) wesentlich zur Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke bei, etwa bei den Schweizer Photovoltaik-Anlagen des Unternehmens, die wider Erwarten ohne KEV auskommen müssen. Aventron besitzt überdies auch Wasserkraftwerke in Norwegen, die mit sehr tiefen Marktpreisen und Subventionen operieren müssen. Auch hier sind die Erlöse aus den HKN wesentlich für die Wirtschaftlichkeit.

Handfeste Unterstützung für gefährdete Natur

Stromkunden, die Naturemade-Star-Ökostrom aus Wasserkraft beziehen, speisen mit jeder gekauften Kilowattstunde einen Rappen in einen Fonds ein, aus dem ökologische Aufwertungen im Umfeld der Kraftwerke finanziert werden. Im Jahr 2017 konnten mit Mitteln aus diesen Fonds 10 Kilometer Fliessgewässer und Seeufer sowie Lebensräume so gross wie 60 Fussball-Felder in der ganzen Schweiz revitalisiert oder neu geschaffen werden.

Die Gemeindewerke Erstfeld haben den Bockibach, den ihre beiden Kraftwerke Bocki I und II zur Stromgewinnung nutzen, mit Geldern aus diesem Fonds vor einigen Jahren umfassend aufgewertet. Durch die Schaffung eines zweiten, strukturreichen Bachbettes sind bedrohte Fischarten, wie Seeforelle, Bachforelle und Groppe in den Bockibach zurückgekehrt. «Unsere Ökostromkundinnen und -kunden, zu denen neben der Gemeinde Erstfeld auch lokale KMU gehören, können so direkten Einfluss auf die Natur vor ihrer Haustür nehmen», sagt Peter Dittli, Geschäftsführer der Gemeindewerke Erstfeld. «Das ist ein wichtiges Verkaufsargument für uns.» Und noch dazu ein sehr anschauliches. So laden die Gemeindewerke jeden Sommer OberstufenschülerInnen zu Umweltbildungstagen am Bockibach ein. Sie erfahren so vor Ort, wie die Fische vom neuen, naturnahen Bachbett profitieren. Das Engagement der Gemeindewerke Erstfeld für den Gewässerschutz schlägt sich auch im neuesten EVU-Benchmarking nieder, mit dem das Bundesamt für Energie die Leistungen von EVU im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz vergleicht: Unter anderem dank voller Punktzahl im Handlungsfeld Gewässerschutz erreichen die Gemeindewerke Erstfeld Platz 1 unter den kleinen EVU.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Der Kosmetik- und Arzneimittelhersteller Weleda nutzt seit fast 100 Jahren natürliche Rohstoffe zur Herstellung seiner Produkte. Für das Unternehmen aus Arlesheim BL ist das Wirtschaften in Einklang mit Mensch und Natur daher logischer Bestandteil seiner Unternehmensphilosophie, wie Nachhaltigkeitsmanager Marcel Locher erklärt. Das beginnt bei der Produktion der Rohstoffe, die grösstenteils biologisch und fair angebaut werden, zeigt sich auch im neuen Firmengebäude, das nach Kriterien von Minergie ECO und Minergie P errichtet wurde und reicht bis zum Umgang des Unternehmens mit Energie.

An den drei Hauptstandorten von Weleda in der Schweiz, Deutschland und Frankreich wird ausschliesslich mit erneuerbarem Strom produziert. In der Schweiz bezieht das Unternehmen Naturemade-Basic-zertifizierten Strom (vgl. Kasten unten) von EBM. «Wir sehen dieses Engagement als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung und Vorbildfunktion, nutzen es aber gleichzeitig auch zur Positionierung im Sinne von ‹Tue Gutes und sprich darüber›», sagt Locher.

Engagement für die Region demonstrieren

Ähnlich tönt es beim Müesliproduzenten Bio-Familia, der bereits 1959 das erste biologische Bircher-Müesli lancierte und damit zum Bio-Pionier wurde. Der Bezug von Ökostrom, der noch dazu vor Ort produziert wird, trage zur Glaubwürdigkeit gegenüber den Kunden bei und lohne sich daher trotz des Mehrpreises, so Martin Ettlin, Leiter Technologie & Energie.

Das Unternehmen aus Sachseln OW wurde für die Produktion seines Ökostromes sogar selbst aktiv und initiierte beim lokalen Wasserversorger den Bau eines Trinkwasserkraftwerks. Dieses deckt heute zusammen mit zwei Trinkwasserkraftwerken des lokalen Elektrizitätswerks den gesamten Stromverbrauch des Unternehmens mit zertifiziertem Ökostrom. Führungen durch die Kraftwerke seien für die internationalen Kunden des Unternehmens oft sehr eindrücklich und demonstrierten anschaulicher als jeder Nachhaltigkeitsbericht die Unternehmensphilosophie, so Ettlin. Einziger Wermutstropfen sei, dass Bio-Familia auch als Ökostromkonsument die Abgabe auf Strom für die KEV bezahlen müsse und damit doppelt zur Kasse gebeten werde.

Umweltfreundliche E-Fahrzeuge dank Ökostrom

Immer mehr Unternehmen setzen auch in ihrer Firmenflotte zunehmend auf Strom statt Benzin, denn Elektrofahrzeuge sind effizienter und stossen während der Fahrt keine Schadstoffe aus. Die Post hat beispielsweise ihre Rollerflotte für die Postzustellung – rund 6000 Fahrzeuge – komplett auf Strom umgestellt. Im Betrieb brauchen die Elektro-Roller sechsmal weniger Energie als ihre Benzin-Vorgänger und deutlich weniger Wartung. Auch für die Paketzustellung testet die Post verschiedene Antriebe wie Elektro-Lieferwagen.

«Oft werde ich gefragt, wie umweltfreundlich Elektrofahrzeuge tatsächlich sind», erzählt Anne Wolf, Leiterin Corporate Responsibility der Post. «Das hängt im Betrieb aber vor allem von der Wahl des Stroms ab.» Die Post lädt daher ihre gesamte Elektrofahrzeugflotte ausschliesslich mit Öko­strom.

Anrechenbar bei Enaw und Act

Der Bezug von Naturemade-Star-Ökostrom wird im Monitoring von Enaw und Act als Energieeffizienzmassnahme anerkannt. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Ökostrom hoher Qualität Strom aus weniger umweltfreundlichen Quellen ersetzt. Der anrechenbare Beitrag an die Zielerreichung ist auf 30 % begrenzt.

Anrechenbar sind Naturemade-Star-zertifizierte Stromprodukte, wie etwa beim Aussenwerbeunternehmen APG|SGA. «Wir decken unseren gesamten Strombedarf in sämtlichen Liegenschaften sowie für unsere Werbeträger seit 2014 zu 100 % mit Ökostrom», erläutert Alexandre Zimmermann, Leiter Infrastruktur bei APG|SGA, und ergänzt: «Erfreulich ist, dass auch immer mehr Städte und Gemeinden unsere Umweltleistungen, von denen die Ökostrombeschaffung ein Bestandteil ist, bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigen.» Aber auch der Naturemade-Star-Anteil in Naturemade-Basic-zertifizierten Stromprodukten lässt sich anrechnen. So bezieht etwa die Flumroc AG seit 2010 ein Naturemade-Basic-Stromprodukt und lässt sich den Naturemade-Star-Anteil von 6,5 % bei der Enaw anrechnen.

Mit Ökostrom unterwegs zur Energiestadt Gold

Auch bei Energiestädten wird der Ökostrombezug sowohl für öffentliche Bauten als auch für das ganze Gemeindegebiet angerechnet. Die Stadt Wädenswil, unterwegs zur Auszeichnung Energiestadt Gold, bezieht seit Anfang 2018 für die öffentlichen Liegenschaften 50 % Ökostrom mit Naturemade-Star-Qualität. Sie erfüllt damit auch die Anforderungen des Gebäudestandards 2011.

Mit dem Ökostrombezug kommt Wädenswil nicht nur der Energie­stadt-Gold-Auszeichnung näher, sondern erfüllt zusammen mit vielen anderen Energiestädten eine wichtige Vorbild­rolle. «Städte, wie Wädenswil können hier vorangehen und Unternehmen der Privatwirtschaft zur Nachahmung motivieren», ist Sophia Rudin, Energiebeauftragte der Stadt Wädenswil, überzeugt. Steige dadurch die Nachfrage nach zertifiziertem Ökostrom, bestünde für Energieversorger ein höherer Anreiz, ihr entsprechendes Angebot auszubauen und beispielsweise mehr in lokale Energieproduktion und -beratung zu investieren.

Das Schweizer Gütesiegel Naturemade Basic

Strom mit dem Gütesiegel Naturemade Basic stammt vor allem aus Schweizer Wasserkraft. Mit einem Mindestanteil von 10 % wird zudem die Stromproduktion aus Sonne, Wind, Biomasse und naturfreundlichen Wasserkraftwerken gefördert.

Das Schweizer Gütesiegel Naturmade Star

Strom mit dem Gütesiegel Naturemade Star ist Ökostrom und stammt vor allem aus Schweizer Wasserkraft sowie Sonne, Wind und Biomasse. Diese Kraftwerke erfüllen strenge Umweltauflagen, damit Pflanzen und Tiere rund um das Kraftwerk möglichst wenig beeinträchtigt werden. Zusätzlich fliesst für jede verkaufte Kilowattstunde aus Wasserkraft ein Rappen in einen Fonds. Dieser finanziert ökologische Aufwertungen im Umfeld der Kraftwerke.

Das Gütesiegel gibt es auch für Biogas, Energie und Wertstoffe aus besonders nachhaltigen Verwertungs- und Recyclingprozessen sowie für Energieeffizienz.

Getragen werden diese Gütesiegel vom VUE Verein für umweltgerechte Energie. Mitglieder des Vereins sind Schweizer Verbände für erneuerbare Energien, Grosskonsumenten von Strom sowie Energieversorger, aber auch das Schweizerische Konsumentenforum KF, WWF Schweiz und Pro Natura. Diese breite Abstützung gewährleistet die Glaubwürdigkeit des Gütesiegels.

Autorin
Claudia Carle

ist Kommunikationsbeauftragte des VUE Verein für umweltgerechte Energie.

  • VUE, 8004 Zürich

 

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