Grüner Strom – aber ohne Treibhausgase
Alternativen zur Gasisolation mit SF6 im Mittelspannungsbereich
Die Energiewende bedingt einen höheren Bedarf an Mittelspannungsschaltanlagen, doch das darf nicht zu vermehrtem Ausstoss klimaschädlicher Isoliergase führen. Alternativen sind am Markt vorhanden und bringen auch im Betrieb Vorteile, wie ein Beispiel aus Nidwalden zeigt.
Verglichen mit den europäischen Nachbarländern steht die Schweiz in Sachen CO2-neutraler Energieerzeugung gut da. Fossile Brennstoffe spielen im eidgenössischen Strommix nur eine marginale Rolle. Allerdings kommt auch hierzulande das Ende der Kernkraft und es müssen Alternativen gefunden werden. Dass neue Wasserkraftgrossprojekte umgesetzt werden, erscheint unter Umweltaspekten fragwürdig.
So wird man auch hierzulande nicht umhinkommen, auf eine dezentralere Energieerzeugung aus regenerativen Quellen zu setzen. Das können Wind und Sonne sein, aber auch kleinere Wasserkraftanlagen, die die Ökosysteme weniger stark belasten. Die Veränderungen in der Erzeugung haben allerdings auch Implikationen auf das Stromnetz. Mehr Einspeisestellen bedeuten auch einen höheren Bedarf an Mittelspannungsschaltanlagen.
Günstig und gefährlich
Bis heute werden im Mittelspannungsbereich kompakte Anlagen mit SF6 als Isoliergas verbaut, etwa bei Windkraftanlagen oder kleineren Solarinstallationen. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Anschaffungskosten für diese Anlagen immer noch unter denen für gasfreie Alternativen liegen. Dabei wird allerdings nur der reine Anschaffungspreis berücksichtigt. Im Hinblick auf die Total Cost of Ownership ist dieser Vorteil nicht mehr haltbar. Denn die SF6-Anlagen benötigen regelmässige Wartung wie die Prüfung des Gasdrucks. Ausserdem verursacht ihre sachgemässe Entsorgung Kosten.
Ganz abgesehen vom Kostenaspekt sollte es gerade in der Ökostrombranche selbstverständlich sein, auf jeden vermeidbaren Treibhausgasausstoss zu verzichten. Schätzungen zufolge verlieren gasisolierte Anlagen auch im ordnungsgemässen Regelbetrieb über die gesamte Lebensdauer etwa 15% ihres schädlichen Inhalts.
Alternativen sind vorhanden
Bereits seit längerer Zeit sind Alternativen für gasisolierte Mittelspannungsanlagen verfügbar, die ebenfalls sehr kompakt aufgebaut werden können. Das wird durch die Kombination von Feststoffisolierung und Vakuumschaltern erreicht. Aus diesen Anlagen können somit keine schädlichen Gase mehr austreten. Darüber hinaus haben sie aber noch den Vorteil, dass sie prinzipiell wartungsfrei sind. Alle stromführenden Teile befinden sich in einem hermetisch geschlossenen System, sodass Einflüsse auf die Funktion, etwa durch Staub, Feuchtigkeit oder andere Umgebungsbedingungen, ausgeschlossen werden. Ausserdem kommt ein derartiger Aufbau auch gut mit längeren Perioden der Inaktivität zurecht, wie sie die Praxis oft mit sich bringt. Eine Konstruktion, die schmiermittelfrei funktioniert, erhöht die Betriebssicherheit weiter.
Mit Vakuumschaltern lassen sich sehr geringe Lichtbogenspannungen und kurze Lichtbogenzeiten realisieren, was wiederum zu einer niedrigen Lichtbogenenergie führt. Bedingt durch diese niedrige Energie wird die Kontaktabnutzung auf ein fast vernachlässigbares Niveau minimiert. Während ihrer zertifizierten Lebensdauer sind diese Schalter ebenfalls wartungsfrei. Diese Wartungsfreiheit der Vakuum-Feststoff-Anlagen nivelliert über die Zeit den zunächst höheren Anschaffungspreis gegenüber gasisolierten Anlagen.
Unterirdisch in der Höhe
Das Gemeindewerk Beckenried produziert knapp die Hälfte des Stroms, den die Gemeinde verbraucht, in insgesamt drei (Klein-) Wasserkraftwerken selbst. Daneben gehören aber auch Stromtransport und -verteilung zu den Aufgaben. Dafür unterhält das Gemeindewerk auch eine Trafostation auf einer Alp in 1600 m Höhe, die unter anderem Gasthäuser und Skilifte versorgt. Als in dieser Trafostation die Schaltanlage ersetzt werden sollte, entschied sich der Betreiber vor allem aus Umweltschutzgründen für eine SF6-freie Lösung.
Die Trafostation ist unterirdisch gelegen, weshalb nur eine sehr kompakte Anlage in Frage kam. In dieser Lage bedeutet Wartung, wegen der langen und umständlichen Anfahrt, einen erheblichen Aufwand. Daher war auch unter betriebstechnischen Gesichtspunkten für diesen Standort eine SF6-freie Schaltanlage die ideale Wahl.
«Im Leitbild unseres Gemeindewerks nimmt die Verantwortung gegenüber der Umwelt einen hohen Stellenwert ein. Deshalb kam für uns beim Ersatz der Schaltanlage auch nur eine SF6-freie Lösung in Frage», sagt Peter Feldmann, Betriebsleiter des Gemeindewerks Beckenried.
Schwefelhexafluorid
Bei der Verbindung SF6 handelt es sich um ein farb- und geruchloses, ungiftiges und nicht brennbares Gas. Es besitzt eine Durchschlagfestigkeit, die in etwa dreimal so hoch ist wie jene von Luft, ausserdem zeichnet es sich durch geringe dielektrische Verluste aus. Diese Eigenschaften prädestinieren SF6 als Isolationsmedium. Als solches wird es in Mittel- und Hochspannungsschaltanlagen eingesetzt. Mit diesen gasisolierten Anlagen sind wesentlich geringere Baugrössen realisierbar als bei Luftisolation. Gegenüber Freiluftanlagen haben sie zudem den Vorteil der Kapselung als Schutz vor Umwelteinflüssen.
Neben seinen erwünschten Eigenschaften ist SF6 jedoch auch das wirksamste bekannte Treibhausgas. Seine Auswirkungen auf das Klima übertreffen jene von CO2 um den Faktor 23'500. Ein Kilogramm SF6 ist also in etwa so schädlich wie 23,5 t CO2. Laut Bundesamt für Umwelt sind die Emissionen in der Schweiz zwischen 1990 und 2018 um zirka 15 % angestiegen. Zwar hat sich die Industrie eine freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt, um die Leckagen von SF6 zu begrenzen, dennoch wurde 2018 etwa 1 t SF6 ausgestossen, was 23'500 t CO2 entspricht.
Im Mittelspannungsumfeld sind mit Vakuum- und Feststoffisolationen schon seit Langem Alternativen zu SF6 bekannt. Vor diesem Hintergrund prüft die Europäische Union bis Ende des Jahres auch ein vollständiges Verbot des Isoliergases in Mittelspannungsanlagen.
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