Fachartikel Installationstechnik , Sicherheit

Grosse Hilfe oder potenzielle Gefahr?

Blitzschutz bei Gebäuden

01.04.2022

Unter anderem auf Gebäuden mit Personen­ansammlungen und erhöhter Gefahr werden Blitz­schutz­anlagen (Lightning Protection Systems) installiert. Im Falle eines Blitz­einschlags leitet ein solches System den Blitz zuverlässig um das Gebäude herum in die Erde, und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und Gesundheit.

Für Blitzschutz­systeme bestehen normative Grundlagen. Die Anforderungen, wo ein Blitzschutz­system installiert wird, ist in der VKF (Vereinigung kantonaler Gebäude­versicherer) Richtlinie Blitzschutz­systeme 22–15 verankert. Die Ausführung erfolgt nach SNR 464022. In Europa gilt die EN 62305 Teil 1–4. In der SNR 464022 befindet sich für die Einteilung der Blitz­schutz­klassen eine Tabelle mit zwei Spalten: Schutzziel A nach VKF und Schutzziel B nach SNR.

Die Klassen können sich dabei unterscheiden, denn die VKF hat nur die Aufgabe, das Gebäude vor Schäden zu schützen oder den Schaden möglichst gering zu halten. Die SNR geht weiter, denn sie beachtet auch alle technischen Einrichtungen im Gebäude. Daher kann die SNR strenger in der Einteilung sein als die VKF. Bei der Baueingabe wird der minimale Schutzgrad für das Gebäude durch die VKF festgelegt. Der Bauherr kann freiwillig die Schutz­klasse erhöhen. Die definitive Klasse wird dann in der Bau­bewilligung festgelegt.

Bauliche Grundlagen

Der Blitzschutz, auch LPS (Light­ning Protection System) genannt, wird in drei Klassen unterteilt. Die Klassen 1 bis 3 unterscheiden sich in der Grösse der einzelnen Maschen des auf dem Dach installierten Maschen­netzes sowie in den Ableitern, die die Ströme in das Erdungs­system des Gebäudes leiten. Diese Einteilung wird auch LPL genannt (Lightning Protection Level). LPL 1 ist die höchste Klasse und bietet den besten Schutz.

Der Blitzschutz hat drei Komponenten: dem äusseren Blitzschutz, dem inneren Blitzschutz sowie dem Erdungs­system. Der äussere Blitzschutz – Maschennetz, Fang­stangen und Ableiter – fängt den Blitzstrom ein und leitet ihn zum Erdungs­system. Je nach Einsatzort wird unterschiedliches Material gewählt. Wichtig ist dabei, dass es sich um geprüftes, robustes Material handelt, denn nicht jede Verbindungs­klemme eignet sich für die Verwendung bei Blitzschutz. Bei äusseren Ableitern wird meist Kupfer verwendet.

Der innere Blitzschutz schützt die Installationen im Gebäude bei einem Blitz­einschlag. Ein Blitz hat eine grosse Energie und einen sehr hohen Strom. Deshalb können sich durch das entstehende Magnetfeld Über­spannungen in den Leitern bilden, die die Installationen zerstören können. Der innere Blitzschutz besteht aus dem Schutz­potenzial­ausgleich und dem Über­spannungs­ableiter. Letztere gibt es in drei Typen, die sich in ihrer inneren Bauweise sowie der maximal ableitbaren Energie unterscheiden.

Heute ist das Erdungs­system meist als Fundament­erder ausgeführt. Er wird im Beton mit den Armierungs­eisen verbunden, um eine niederohmige Verbindung zum Erdreich zu erreichen. Wenn ein isoliertes Fundament vorhanden ist, wird ein Ersatzerder gelegt. Dies ist meist ein Ring, der in einem Abstand von mind. 1 m zu den Aussen­wänden ums Gebäude gelegt wird, damit der Ringerder immer im feuchten Erdreich ist. Bei Ringerdern muss darauf geachtet werden, dass pro Ableiter eine Verbindung auf den Ringleiter führt. Die Anforderungen an einen solchen Erder sind in der SNR 464113 aufgeführt.

Ausführung

Mit der Bau­bewilligung wird festgelegt, ob ein Blitzschutz nötig ist. Ist dies der Fall, muss ein Blitzschutz­planer mit der Planung beauftragt werden. Bei der Wahl des Planers ist darauf zu achten, dass die Person auch ein zertifizierter Experte für Blitzschutz ist, damit die Person das Fachwissen aufweist, um die Anlage professionell zu planen. Die Ausführung des äusseren Blitz­schutzes wird je nach Angebot und Bauart des Dachs durch einen Elektriker oder durch einen Dachspengler ausgeführt. Nach Abschluss der Installation wird ein Blitz­schutz­zertifikat ausgestellt und der Gebäude­versicherung zugestellt. Mit dem Zertifikat wird ein aktueller Plan abgegeben, auf dem alle Installationen im Bereich Blitzschutz ersichtlich sind.

Häufige Fehler

Leider entsprechen die Installationen oft nicht den Normen­vorgaben. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und nicht immer genau nachvollziehbar. Dabei kann ein halbes oder ein falsch installiertes Blitz­schutz­system mehr Schaden anrichten, als es nützt. Ein häufiger Fehler ist die Koordination vom äusserem und innerem Blitzschutz, wenn diese von mehreren Firmen ausgeführt werden. Eine Kontrolle über beide Systeme wird selten durchgeführt, was dazu führt, dass oft wichtige Komponenten beim inneren Blitzschutz fehlen. Oder die Komponenten sind ohne Plan eingebaut, was auch ungünstig ist. Ein weiterer Fehler ist die falsche Materialwahl beim äusseren Blitzschutz. Manchmal werden Klemmen gewählt, die nicht blitz­strom­beständig sind oder Installations­material, das nicht für den Einsatz geeignet ist. Auch sind fehlende Wartungen oder Über­prüfungen des Zustands Ursachen für unvollständige oder falsch installierte Blitz­schutz­systeme.

Umbauten

Wenn in einem Gebäude Umbau­arbeiten im Dachbereich vorgenommen werden, die nur kleine Auswirkungen auf die gesamte Gebäude­hülle haben, erfährt die kantonale Gebäude­versicherung oft nicht, dass es Anpassungen gab. Auch bei kleinen Anpassungen ist der Eigentümer verpflichtet, den Blitzschutz nachprüfen zu lassen bzw. im Falle einer vorgängigen Planung den Punkt Anpassung Blitzschutz prüfen lassen. Bei nachträglichen Änderungen werden die Blitz­strom­ableiter direkt beim Gebäude­eintritt oft vergessen, oder es werden Installationen gar nicht in den Blitzschutz eingebunden. Zudem tritt es häufig auf, dass bei Demontage­arbeiten die Leiter des Maschen­netzes einfach beiseitegelegt werden, um die Installationen demontieren zu können. Die Leiter des Maschen­netzes werden selten wieder korrekt montiert und verlegt. Oft wird es nur per Zufall oder durch einen Kontrolleur festgestellt, dass an einem Blitzschutz­system Änderungen vorgenommen wurden. Frühzeitige Anpassungen sind selten. Die Gründe dazu können meist nur vermutet werden. Sie reichen von «nicht sauber geplant oder einfach vergessen» bis zu «kein Geld dafür eingerechnet». Die wenigsten sind sich der Auswirkungen eines verschleppten Blitz­stroms bewusst. Man will sparen, riskiert aber, einen Stillstand im Gebäude zu haben. Bei günstigem Ausgang wird der Ausfall auf einen oder zwei Tage beschränkt sein. Im schlimmsten Fall werden Verteilungen zerstört, Drähte aus den Wänden gerissen, und es kann Wochen dauern, bis der Betrieb wieder normal läuft.

Fazit

Blitzschutz­anlagen helfen, die Naturgewalt eines Blitzes schadlos für Leben und Sachen in die Erde zu leiten. Wichtig ist aber, dass dieses System regelmässig auf die Wirksamkeit überprüft wird und bei Anpassungen genau hingeschaut wird, was man anpassen muss. Wenn ein solches System gut gewartet ist, kann es viel Geld sparen.

Die erste Version dieses Artikels ist im eTrends 04-2021 erschienen.

 

Autor
Remigius Sauter

war bis 2022 Inspektor bei Electrosuisse und ist jetzt fachtechnischer Leiter bei Kirby.

  • Kirby Group Engineering
    6004 Luzern

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