Gratis-Versicherung
Eine Meinung zu Kapazitätsmechanismen
Ohne Stromabkommen mit der EU wird die Schweiz bei wichtigen Gremien wie Acer und Entso-E von bestimmten Einflussnahmen ausgeschlossen. Damit sind die Möglichkeiten zur Verhinderung der zunehmenden, ungeplanten Ströme über die Schweiz stark eingeschränkt. Diese Ströme reduzieren aber die Importfähigkeit der Schweiz und die Netzstabilität. Sie zwingen die Swissgrid dazu, immer öfter einzugreifen, um n–1-Verletzungen abzufangen. Dabei muss sie vermehrt auf schweizerische Wasserkraftwerke zurückgreifen. Gleichzeitig werden diese noch stärker für die eigene Versorgung gebraucht, wenn die Importkapazitäten weiter reduziert werden.
Von all dem bekommen die Endverbraucher selten etwas mit. Mit fixen Tarifen merken sie nicht, wie es um die Versorgungssicherheit steht. Sie ändern ihr Verhalten nicht, wenn beispielsweise im Februar die Stauseen leer, die Importkapazitäten reduziert und wegen einer Dunkelflaute der Strom knapp und der Marktpreis folglich sehr hoch ist.
Damit unterscheidet sich der Strom ganz wesentlich von anderen Gütern und Dienstleistungen am Markt, wie etwa Erdöl. Bei diesen bemerken die Konsumenten die Preisbewegungen und müssen sich absichern, zum Beispiel mit einer Option, wenn sie die Risiken von plötzlichen Preiserhöhungen begrenzen wollen. Für diese Absicherung zahlen sie eine Prämie.
Auf den Strom übertragen bedeutete dies, dass jeder Konsument einerseits dynamische, marktbasierte Stromtarife erhielte und anderseits selbst Verträge mit Kraftwerken abschliessen müsste, möchte er auch in Zukunft zuverlässig mit Strom zu stabilen Preisen versorgt werden. Diese Verträge trügen dazu bei, den schweizerischen Kraftwerken ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit abzugelten. Heute ist diese Sicherheit ohne Aufpreis zu haben.
Es ist daher an der Zeit, dass auch die Versicherung beim Strom einen Preis erhält, damit sie auch in Zukunft vollumfänglich zur Verfügung steht. Diese Versicherung könnte von jedem Endverbraucher einzeln ausgehandelt werden; oder kollektiv und dann allen zur Verfügung stehen. Unsere Nachbarn wählten Letzteres und haben Kapazitätsmechanismen eingeführt. Ob sich die Schweiz als bald einziges Land in Europa noch lange eine gratis Versicherung leisten kann, ist fraglich.
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