Gesetzgebung des Bundes – was ändert sich?
Neuerungen für die Strombranche – Teil II
Welche Gesetze könnten oder werden sich 2017 ändern? Zweiter Teil der Übersicht.
Am 1. Januar 2017 traten auf Bundesebene rund 360 Gesetzes- und Verordnungsänderungen in Kraft.[1] Die Energiewirtschaft betreffen jedoch nur einzelne, geringfügige Änderungen, welche in einem ersten Teil [2] abgehandelt wurden. Dennoch könnte das Jahr 2017 in gesetzgeberischer Hinsicht ein Wendepunkt für die Branche sein, denn es stehen massgebliche Entscheidungen, beispielsweise die Abstimmung zum 1. Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 oder die Beschlüsse der Räte über die Strategie Stromnetze, bevor. Aus diesem Grund wird auch ein Blick in die nahe Zukunft geworfen und die wichtigsten bevorstehenden Weichenstellungen nun in einem zweiten Teil kurz in chronologischer Reihenfolge erläutert.
Totalrevision des Datenschutzgesetzes
Bereits kurz vor Ende des letzten Jahres wurde die Totalrevision des Datenschutzgesetzes bei den interessierten Kreisen in die Vernehmlassung geschickt.[3] Für die Branche ist dies besonders interessant, weil im Rahmen des 1. Massnahmenpakets der Energiestrategie 2050 neu im Energiegesetz statuiert wird, dass auf die Datenbearbeitung im Zusammenhang mit intelligenten Mess-, Steuer- oder Regelsystemen das Bundesgesetz über den Datenschutz Anwendung findet.[4] Mit der Vorlage sollen einerseits die Schwächen des Datenschutzgesetzes behoben werden, die aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung entstanden sind, anderseits soll die Revision den Entwicklungen auf Ebene des Europarates und der Europäischen Union Rechnung tragen.[5] Eine Arbeitsgruppe mit Juristen aus Branchenunternehmen analysiert zurzeit die zahlreichen Änderungen, insbesondere die Pflichten für die Unternehmen, und bereitet eine Stellungnahme zuhanden des Bundes vor. Gleichzeitig arbeitet eine technische Arbeitsgruppe beim VSE an einer Branchenempfehlung zur Datensicherheit bei Smart Metern.
Energiestrategie 2050
Am 21. Mai 2017 wird das Volk in einem Urnengang über das 1. Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 abstimmen, da das Referendum zustande gekommen ist.[6] Die Energiestrategie 2050, deren Startschuss der Bundesrat zwölf Tage nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima vom 11. März 2011 gegeben hatte, beinhaltet schwergewichtig Änderungen im Energiegesetz und wurde bereits oft thematisiert, weshalb vorliegend nur noch einmal die wichtigsten Eckpunkte aufgelistet werden.[7] Kernelement ist zunächst der Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke. Diese dürfen so lange am Netz bleiben, wie sie von der Aufsichtsbehörde als sicher eingestuft werden, aber es dürfen keine neuen Rahmenbewilligungen für Kernkraftwerke erteilt werden. [8]
Daneben zollt das Gesetz dem Willen nach einem verstärkten Beitrag der erneuerbaren Energien zur Stromversorgung und einer erhöhten Energieeffizienz Tribut, wozu entsprechende Richtwerte vorgegeben werden. Die erneuerbaren Energien sollen durch eine revidierte und etwas marktnähere KEV sowie Einmalvergütungen weiter gefördert werden. Neu werden auch für den Ausbau der Grosswasserkraft Investitionsbeiträge gewährt. Die bestehende Grosswasserkraft, welche ihre Produktion unter Gestehungskosten am Markt absetzen muss, wird zudem befristet durch eine Marktprämie gestützt.[9]
Zur Finanzierung all dieser Massnahmen wird der Netzzuschlag auf max. 2,3 Rp./kWh erhöht. Dieses Förderinstrumentarium ist neu zeitlich begrenzt: Fünf Jahre nach Inkrafttreten werden keine neuen Anlagen mehr in die KEV aufgenommen werden, Investitionsbeiträge werden bis 2030 gewährt, die Marktprämie ist auf fünf Jahre ausgelegt, wobei der Bundesrat bis 2019 ein marktnahes Nachfolgemodell vorlegen muss. Für die Energieeffizienz bleibt das Gebäudeprogramm das zentrale Element und wird zusätzlich gestärkt. Künftig dürften pro Jahr 450 Millionen Franken statt wie heute 300 Millionen Franken aus der CO2-Abgabe dafür eingesetzt werden.[10]
Energetische Gebäudesanierungen sollen auch mit steuerlichen Anreizen stärker gefördert werden. Steuerabzüge können neu über insgesamt drei Steuerperioden verteilt werden. Zudem können bei Ersatzneubauten die Kosten für den Rückbau des alten Gebäudes abgezogen werden.[11] Ferner kann der Bundesrat Vorgaben zur Einführung intelligenter Mess-, Steuer- und Regelsysteme beim Endverbraucher machen. So kann er die Netzbetreiber dazu verpflichten, Smart Meter zu installieren.[12]
Verzichtet hat das Parlament auf verpflichtende Vorgaben für Elektrizitätsunternehmen, das Stromsparen beim Endverbraucher zu fördern. Hingegen hat das Parlament die Eigenverbrauchsregelung ausgeweitet, sodass diese neu auch die Bildung von Eigenverbrauchsgemeinschaften ermöglicht. Im Gegenzug hat es eine stärkere Gewichtung der Leistungskomponente bei der Netztarifierung beschlossen.
Das Bundesamt für Energie beabsichtigt eine Inkraftsetzung des 1. Massnahmenpakets (vorbehältlich einer allfälligen Ablehnung durch den Souverän) auf 1. Januar 2018. Aus diesem Grund wartete das BFE auch nicht erst das Ergebnis der Abstimmung ab, sondern gab die notwendigen Verordnungsänderungen bereits am 1. Februar 2017 bei den interessierten Kreisen in die Vernehmlassung.
Verschiedene Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Branchenunternehmen und dem VSE analysieren aktuell die Änderungen auf Verordnungsstufe und bereiten entsprechende Stellungnahmen vor. Auch ohne eine vertiefte Analyse werden die grossen Veränderungen auf den ersten Blick deutlich, denn die Energieverordnung wird neu auf drei separate Verordnungen aufgeteilt: Neben der totalrevidierten Energieverordnung soll es künftig auch eine Verordnung über die Förderung der Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien (Energieförderungsverordnung; EnFV) sowie eine Verordnung über die Anforderungen an die Energieeffizienz serienmässig hergestellter Anlagen, Fahrzeuge und Geräte (Energieeffizienzverordnung; EnEV) geben.
Strategie Stromnetze
Unter dem Begriff «Strategie Stromnetze» sind Änderungen des Elektrizitätsgesetzes und des Stromversorgungsgesetzes zusammengefasst.[13] Kernpunkte sind Vorgaben zur Planung und Optimierung der Stromnetze, Optimierung der Bewilligungsverfahren für Leitungsprojekte, Vorgaben für Entscheid «Kabel oder Freileitung» und die Verbesserung der Akzeptanz von Leitungsprojekten.[14]
Das Geschäft ist zurzeit in der parlamentarischen Beratung, wobei der Ständerat die Vorlage bereits als Erstrat behandelt hat. Erfreulicherweise hat er dabei auch vom VSE eingebrachte, weitergehende Vorschläge aufgenommen: So sollen künftig Anlagen bis 36 kV vom Plangenehmigungsverfahren, das in der Vergangenheit vor allem durch sehr lange Fristen und buchstabengetreue Auslegung der raumplanerischen Verhältnisse durch das Bundesamt für Raumentwicklung ARE auf sich aufmerksam gemacht hat, ausgenommen werden. In diesem Zusammenhang ist auch die überaus deutliche Überweisung der Motion Häberli-Koller «Transformatorenstationen und andere elektrische Anlagen einfacher ermöglichen» an den Bundesrat als wichtiger Erfolg zu nennen (Ständerat 37:1 Stimmen; Nationalrat 122:57 Stimmen). Sie verlangt, dass Transformatorenstationen und andere elektrische Anlagen ausserhalb der Bauzone künftig einfacher, schneller und möglichst kostengünstig erstellt oder den veränderten Anforderungen angepasst werden können.
Zudem hat der Ständerat auch die Gelegenheit ergriffen, die im Rahmen der Strategie Stromnetze erfolgende Revision des StromVG zu nutzen, um die durch den bestens bekannten und an dieser Stelle bereits kommentierten Bundesgerichtsentscheid zu den Energiekosten in der Grundversorgung [15] verursachten Fehlentwicklungen rückgängig zu machen.[16] Art. 6 Abs. 5 StromVG, wonach die Betreiber der Verteilnetze verpflichtet sind, Preisvorteile aufgrund ihres freien Netzzugangs anteilsmässig an die festen Endverbraucher weiterzugeben, soll nach dem Willen des Ständerats (Erstrat) ersatzlos gestrichen werden. Das Geschäft befindet sich nun bei der zuständigen Kommission im Nationalrat.
Wasserzins
Der Wasserzins ist eine öffentliche Abgabe für das mit der Konzession eingeräumte Sondernutzungsrecht an einem öffentlichen Gewässer, nämlich für das Recht, ein Wasserkraftpotenzial zur Erzeugung von elektrischer Energie zu verwerten.[17] Die Abgabe wurde im Jahr 1916 im «Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte» auf nationaler Ebene verankert und auf Anfang des Jahres 1918 eingeführt.
Die Berechnung des Wasserzinses geht aus Art. 51 Wasserrechtsgesetz (WRG) und den ausführenden Regelungen in der Wasserzinsverordnung (WZV) hervor. Die nach diesen Erlassen ermittelte mechanische Bruttoleistung in Kilowatt multipliziert mit dem jeweiligen kantonalen Wasserzinsansatz ergibt den jährlich zu entrichtenden Wasserzins. Der Wasserzins darf nach Art. 49 Abs. 1 WRG bis Ende 2019 jährlich 110 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung nicht übersteigen. Folglich muss bald eine Gesetzesrevision in Vernehmlassung gegeben werden, in der der Wasserzins ab dem Jahr 2020 definiert werden kann. Das Parlament hat hierzu den Bundesrat 2016 mit einer über ein «einfaches» Wasserzinsmaximum hinausgehenden Neuregelung beauftragt, welche die konkrete Lage der Wasserkraftwerke und die Förderungsmechanismen der Energiestrategie 2050 berücksichtigt.[18]
Der Wasserzins ist im Grundsatz unbestritten, allerdings passt die heutige Regelung nicht mehr zum Marktumfeld. Wegen der teilweisen Liberalisierung können die Wasserkraftproduzenten den Wasserzins nicht mehr beziehungsweise nur noch in geringem Ausmasse an die grundversorgten Endverbraucher abwälzen. Es braucht deshalb eine Neuregelung, welche die Interessen sowohl der Standortkantone/-gemeinden als auch der Wasserkraftbetreiber berücksichtigt. Zielführend erscheint eine Flexibilisierung der Wasserzinsen mit einem fixen und einem variablen, marktpreisabhängigen Teil. Zur Vorbereitung und Begleitung dieser anstehenden Gesetzgebungsarbeiten hat die Branche unter dem Dach von Hydrosuisse eine Arbeitsgruppe eingesetzt (vgl. www.strom.ch/wasserzins)
Revision StromVG
Bereits kurz nach der Inkraftsetzung des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) hat das BFE die Arbeiten zu einer Totalrevision aufgenommen, diese jedoch wegen der politisch vordringlicheren Energiestrategie 2050 sistiert. 2014 wurden die entsprechenden Arbeitsgruppen wieder eingesetzt und die Revision vorangetrieben, mit dem Ziel, bestehende Lücken im Gesetz zu schliessen sowie neue Regelungen aufgrund der sich wandelnden Rahmenbedingungen in der Strombranche zu prüfen.[19]
Obwohl sich das StromVG grundsätzlich bewährt hat, zahlreiche Rechtsfragen unterdessen durch das Bundesgericht geklärt wurden und punktuelle Optimierungen wohl genügen würden, strebt das Bundesamt für Energie eine Totalrevision an, die in zwei Paketen eingeführt werden soll. Alleine im ersten Paket schlägt das BFE in einem bunten, kaum überschaubaren Strauss Änderungen beziehungsweise neue Regelungen zu Netzentgelten, Wälzvorgaben, Netzkostenbeiträgen, anrechenbaren Betriebskosten, zur Sunshine-Regulierung, zu einem Smart-Grid-Indikator, zur Kostenanerkennung von Netzverstärkungen über SDL, zum Zugriff des BFE auf ElCom-Daten, zur Streichung des Erneuerbaren-Vorrangs bei der Regelenergie und des Vorrangs bei der Kapazitätszuteilung im Netz, zur Verbesserung der Liquidität im SDL-Markt, zum grenzüberschreitenden SDL-Austausch, zu ITC-Mindererlösen, zu Flexibilitäten, zur Datensicherheit, zu Arealnetzen, zum Messwesen, zu den Netzanschlussbedingungen für Produzenten und den Netzanschlusskosten für Endverbraucher, zum WAS-Modell respektive zur Ersatzversorgung, zur Abnahme- und Vergütungspflicht nach der vollen Marktöffnung, zur Swissgrid, zum Beschwerderecht der ElCom ans Bundesgericht und zur Versorgungssicherheit vor.
Nach Ansicht des VSE vermag die Argumentation des BFE über die Notwendigkeit einer Gesetzesanpassung bei der Mehrheit der vorgeschlagenen Massnahmen nicht zu überzeugen. Aus Branchensicht ist eine Legiferierung auf Vorrat nicht sinnvoll, weshalb der VSE die Totalrevision des StromVG ablehnen wird.
Weitere Vernehmlassungen und Parlamentsgeschäfte
2017 steht auch die Vernehmlassung zu einer Revision der Mehrwertsteuerverordnung an, mit welcher die 2016 vom Parlament verabschiedete Gesetzesrevision konkretisiert wird.[20] Zudem tritt das Sachplanverfahren geologische Tiefenlager im zweiten Halbjahr 2017 mit der Vernehmlassung zur zweiten Etappe in eine wichtige Phase: Zum Ende dieser zweiten Etappe werden die in Frage kommenden Standortgebiete für ein geologisches Tiefenlager auf je zwei für schwach- und mittelaktive Abfälle einerseits und für hochaktive Abfälle anderseits eingegrenzt.
In der zweiten Jahreshälfte 2017 dürfte zudem der Startschuss zu weiteren, für die Branche relevanten Parlamentsgeschäften fallen: Der Bundesrat wird die Botschaften vorlegen zur Klimapolitik der Schweiz nach 2020 (inklusive Totalrevision des CO2-Gesetzes), zur 2. Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (insbesondere Optimierung der Bestimmungen über das Bauen ausserhalb der Bauzone) und zur Revision des Fernmeldegesetzes (insbesondere Zugang zu passiver Infrastruktur).
Durchatmen zwischen den Revisionen täte Not
Wenn etwas in der Strombranche gleich bleibt, dann ist es der Wandel. Allerdings ist es bisweilen schwierig, gerade auch für kleinere Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sämtliche Änderungen im Blick zu behalten, insbesondere, wenn die Kadenz der Neuerungen weiterhin so hoch bleibt. Es ist zu wünschen, dass künftig den Unternehmen mehr Zeit gewährt wird, um sich an rechtliche Neuerungen zu gewöhnen und nicht wie nach dem im Sport verbreiteten Sprichwort «nach dem Spiel ist vor dem Spiel» eine Revision an die nächste gehängt wird.
Referenzen
[1] www.admin.ch/opc/de/stats/in-force/index.html.
[2] Bulletin 3/2017.
[3] www.admin.ch/ch/d/gg/pc/pendent.html.
[4] vgl. Art. 17c Energiegesetz gemäss Schlussabstimmungstext.
[5] Medienmitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 21. Dezember 2016.
[6] www.bk.admin.ch/aktuell/media/03238/index.html?lang=de&msg-id=65468.
[7] vgl. Bundesamt für Energie, Chronologie Energiestrategie 2050.
[8] vgl. Art. 12 Kernenergiegesetz gemäss Schlussabstimmungstext.
[9] vgl. Art. 30 Energiegesetz gemäss Schlussabstimmungstext.
[10] siehe auch Artikel im Tages-Anzeiger vom 4. Dezember 2015 .
[11] vgl. Art. 32 Abs. 2 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer gemäss Schlussabstimmungstext.
[12] vgl. Art. 17a ff. Energiegesetz gemäss Schlussabstimmungstext.
[13] Bundesgesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze.
[14] Medienmitteilung des Bundesamts für Energie BFE vom 13. April 2016.
[15] BGer-Urteil 2C_681/2015, 2C_682/2015 vom 20. Juli 2016.
[16] vgl. auch Artikel in der NZZ vom 8. Dezember 2016.
[17] Ruedi Sigg, Werner Röthlisberger, Der Wasserzins – die wichtigste Abgabe auf der Wasserkraftnutzung in der Schweiz, in: Berichte des BWG, Serie Wasser, Nr. 3, Bern 2002, S. 5.
[18] vgl. überwiesene Motion «Wasserzinsregelung nach 2019».
[19] www.bfe.admin.ch/themen/00612/00613/04787/index.html?lang=de.
[20] Vernehmlassung bereits eröffnet (vgl. https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/pendent.html).
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Der Autor dankt Cornelia Abouri, Senior Expertin Public Affairs beim VSE, und Niklaus Mäder, Senior Experte Regulierung beim VSE, für die kritische Durchsicht des Artikels.
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