Verband Fachkräfte , VSE

Gemeinsame Vision und Leitlinien

Wandel der Berufsbildung

05.10.2017

Die Verbundpartner der Schweizer Berufsbildung (Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt) erarbeiten gemeinsam eine Vision und strategische Leitlinien für die Berufsbildung.

An der Verbundpartnertagung im März 2016 hatte der Gedanke Form angenommen, am Spitzentreffen der Berufsbildung einen Monat später wurde er manifestiert: Die Schweizer Berufsbildung braucht eine breit abgestützte Vision 2030 sowie strategische Leitlinien. Bis im Frühling 2017 erarbeiteten die Akteurinnen und Akteure im Berufsbildungsbereich in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft die Grundlagen dazu. Vorausgegangen war ein Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates, in welchem diese den Bundesrat einlädt, zusammen mit den Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt eine langfristige und kohärente Strategie zu entwerfen.

Das Ziel des Prozesses «Berufsbildung 2030» ist, eine gemeinsame Vision und strategische Leitlinien für die Berufsbildung zu entwickeln. Diese sollen als Grundlage einer breit abgestützten Strategie 2030 für die Schweizer Berufsbildung dienen.

Prozess «Berufsbildung 2030»

In einer ersten Phase wurden Informationen und Positionen gesammelt, bevor in einer zweiten Phase Berufsbildungsexpertinnen und -experten der Verbundpartner über die Megatrends sowie über Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren der Berufsbildung (SWOT-Analyse) diskutierten.

Nun liegt der Entwurf zu einem verbundpartnerschaftlich erarbeiteten Leitbild für die Berufsbildung 2030 vor. Die Vision und die strategischen Leitlinien geben die Stossrichtung in verschiedenen Bereichen der Berufsbildung vor. Nach der Verabschiedung des definitiven Leitbilds für die Berufsbildung 2030 werden die Verbundpartner gemeinsam Massnahmen entwickeln, um die formulierten Ziele zu erreichen. Ausserdem sind alle Partner gehalten, die organisationseigenen Strategien zu überprüfen und basierend auf der Vision sowie den strategischen Leitlinien weiterzuentwickeln.

Aufgrund der bisherigen Ergebnisse werden bereits Trends und Handlungsfelder für die Trägerschaft Berufsbildung Netzelektriker/-in absehbar:

Megatrend Digitalisierung

Das Thema Digitalisierung ist in aller Munde. Mit der Digitalisierung wird sich die gesamte Berufslandschaft verändern. Neue Berufe werden entstehen (zum Beispiel Netzelektriker Schwerpunkt Telekommunikation), bestehende Berufe werden verschwinden. Die Tätigkeiten auch innerhalb eines Berufs werden sich verändern beziehungsweise an die neuen Technologien anpassen (zum Beispiel verschwinden Primär-Relais im Energienetz, während Sekundärschutz an Bedeutung gewinnt). Entsprechend werden sich auch die Bildungsinhalte verändern. Die Digitalisierung eröffnet in der Bildung neue Möglichkeiten in der Wissensvermittlung, stellt aber auch neue Anforderungen an die pädagogischen Methoden. So wird Lernen mit digitalen Medien, Mobilephone-Anwendungen und Tablets herkömmliche Unterrichtsformen und Papierdokumente vermehrt verdrängen.

Aufgrund der technologischen Entwicklung wird Wissen einfacher zugänglich. Es kann über verschiedene Kanäle «konsumiert» werden. Der Wissensvorsprung aufgrund von Erfahrung verliert an Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Lernenden technologisch «up to date» sind. Die Anforderungen an die Ausbildner in der Schule, aber auch im Betrieb steigen dadurch. So müssen Lehrkräfte und Ausbilder die Möglichkeit erhalten, mit der Technik mithalten zu können, indem neue didaktische Methoden und Hilfsmittel eingeführt und geschult werden.

Megatrend Up-Skilling

Die steigenden Anforderungen der Wirtschaft an die Fachkräfte spiegeln sich auch in steigenden Anforderungen an die Lernenden. So ist beispielsweise die Begleitung der Netzelektriker-Lernenden anspruchsvoller geworden. Der VSE hat aus diesem Grund sogar einen speziellen Lehrgang zur Unterstützung der Berufsbildner geschaffen.

Die Bedeutung der höheren Berufsbildung für die persönliche berufliche Entwicklung wird zunehmen. Daher müssen Bedeutung und Nutzen von Berufsprüfungen und höheren Fachprüfungen für Netzelektriker stärker gegenüber anderen Bildungswegen herausgearbeitet werden. Ausserdem muss ein attraktives Angebot sichergestellt werden, da der Bedarf an gut ausgebildetem Fachpersonal schon heute nicht gedeckt werden kann. Laufbahnbeispiele von Netzfachleuten sowie Netzelektrikermeisterinnen und -meistern sollen helfen, Imagepflege respektive -aufwertung zu betreiben.

Bei steigenden Anforderungen wird einerseits die Konkurrenz um schulstarke Jugendliche verstärkt, anderseits steigt die Zahl jener Personen, welche den Anforderungen nicht mehr gewachsen sind. So werden beispielsweise seit Beginn der neuen Grundbildung Netzelektriker/-in EFZ auch Zahlen zu Ausbildungsabbrüchen erhoben, um diese Entwicklung genau zu verfolgen und zu analysieren.

Die Attraktivität des Berufsfeldes, welche massgebend durch berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten bestimmt wird, ist zunehmend wichtig für die Gewinnung von Fachkräften. Aus diesem Grund hat die Branche auch ein Projekt zur Reform der höheren Berufsbildung initiiert.

Auf einen weiteren Megatrend geht das Leitbild noch nicht ein: Mit der rasch steigenden Marktdurchdringung von Mobilephones sowie exzessivem Nutzerverhalten – gemäss einer britischen Studie greift der durchschnittliche Nutzer pro Woche 1500 Mal zu seinem Smartphone, das heisst 214 Mal pro Tag! – erwachsen grössere Herausforderungen für Betriebe. Wie sollen Vorgesetzte und Unternehmen mit Gefahren durch Smartphone-Ablenkung, Unachtsamkeit, insbesondere bei Tätigkeiten an elektrischen Anlagen sowie bei Lernenden umgehen?

Strategische Leitlinien

Berufsbildung 2030 stellt zehn strategische Leitlinien auf. Damit sollen Berufsleute nachhaltig für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Die Vermittlung bedarfsgerechter Kompetenzen und die Möglichkeit zu ständiger Weiterentwicklung sind dabei die wichtigsten Komponenten. Berufsbildungen müssen aufgrund künftiger Veränderungen nicht nur anpassungsfähig und durchlässig sein, sondern auch effizient und finanzierbar.

Die Trägerschaft Berufsbildung Netz­elektriker/-in verfolgt die Arbeiten im Prozess Berufsbildung 2030 aufmerksam und hat ihre Meinung auch eingebracht. Sie wird die Resultate weiterverfolgen und diese bei der Erarbeitung von Massnahmen zur Weiterentwicklung des Berufsbilds Netzelektriker/-in berücksichtigen.

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Autor
Toni Biser

ist  Senior Experte Berufsbildung beim VSE.

  • VSE,  5000 Aarau

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