Verband Fachkräfte , VSE

Gemeinsam künftige Anforderungen angehen

Berufsbildung Netzelektriker

22.04.2020

Die «Trägerschaft Berufsbildung Netzelektriker/-in» ist für die Aus- und Weiterbildungen in der ganzen Schweiz verantwortlich. Diese Aufgaben erledigt sie oft in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen. Damit die Branche auch in Zukunft fit bleibt, soll eine Erhebung den aktuellen und künftigen Bedarf an ausgebildetem Personal im Bereich «Netzelektrik» klären.

Ende 2014 hatte die Trägerschaft die erste Umfrage durchgeführt. Im Wesentlichen bestätigten deren Resultate die Wahrnehmung auf dem Arbeitsmarkt – es fehlen Fachleute. Folgende Massnahmen wurden damals ergriffen: Verstärkung des Berufsmarketings für Netzelektrikerinnen und Netzelektriker, Ausbau des Kursangebots in der höheren Berufsbildung, Schaffung des Lehrgangs «Einführung in Netzbau».

Im September 2019 führte die Trägerschaft erneut eine Umfrage durch. Deren Ergebnisse werden im Folgenden zusammengefasst und analysiert. Befragt wurden insgesamt 480 Unternehmen (420 VSE-Mitglieder, 47 der VFFK und 13 des Sniv; der VÖV nahm nicht teil). Insgesamt haben 82  Unternehmen geantwortet – 17,08% der Befragten. Sehr erfreulich ist die hohe Beteiligung der Unternehmen aus der italienischsprachigen Schweiz (siehe Ta­­belle 1). Die Rücklaufquote von Unternehmen des Sniv ist erwähnenswert hoch und auch beim VFFK gut. Bei den Mitgliedern des VSE ist sie allerdings sehr gering (Tabelle 2). Die Trägerschaft lädt daher auch alle VSE-Mitglieder ein, in Zukunft ihre Angaben mitzuteilen. Nur so ist es der Trägerschaft möglich, die Bedürfnisse besser zu kennen und geeignete Massnahmen zu erarbeiten.

Unternehmen aller Grössen befassen sich mit Fragen der Aus- und Weiterbildung von Netzelektriker/-innen. Die Mehrheit der antwortenden Unternehmen beschäftigt 11 bis 50 Mitarbeitende (Bild unten).

Die Unternehmen beschäftigen zwei Drittel ihres Netzpersonals in der Funktion Netzelektrikerin respektive Netzelektriker, knapp einen Fünftel als Netzfachleute und einen Zehntel als Netzelektrikermeisterin respektive Netzelektrikermeister (Bild unten).

Fehlendes Fachpersonal im Arbeitsbereich der Netze

In den antwortenden Unternehmen wurden 2019 54 Abschlüsse als Netz­e­lektrikerin oder Netzelektriker mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (Qualifikationsverfahren), 16 Netzfachleute mit eidgenössischem Fachausweis (Berufsprüfung) und 3 Netzelektrikermeister mit Diplom (höhere Fachprüfung) gezählt. Zum Vergleich: In der gesamten Schweiz haben 2019 total 152 Netzelektrikerinnen und Netzelektriker das eidgenössische Fähigkeitszeugnis erhalten. Die antwortenden Unternehmen machen somit rund einen Drittel der QV-Abschlüsse aus. Die geringe Anzahl Rückmeldungen lässt aber keine Hochrechnungen für den schweizerischen Arbeitsmarkt zu. Es konnten keine grös­seren Unterschiede zwischen den Sprachregionen festgestellt werden, auch nicht zwischen Stadt und Land.

Die Unternehmen geben an, dass ihnen heute 148 Netzelektrikerinnen und Netzelektriker mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis, 39 Netzfachleute mit eidgenössischem Fachausweis und 23 Netzelektrikermeisterinnen und Netz­elektrikermeister mit Diplom fehlen.

Im Durchschnitt fehlen heute 17 (EFZ) bis 19% (Diplom) der Fachleute im elektrischen Netz. Besonders deutlich fällt dieser Mangel bei den Leitungsbauunternehmen auf, wo in beinahe jedem Unternehmen Fachkräfte fehlen. Im Leitungsbau Energie fehlt ein Viertel der Fachleute, im Leitungsbau Telekommunikation ein Drittel. In den Elektrizitätsunternehmen fehlen rund 10% der Fachleute. Die Branche ist nun gefordert, um diese Lücke zu füllen (Bild unten).

Eine Abfrage am 19.  Februar 2020 auf dem Unternehmens-Stellenportal jobs.ch zeigte, dass Netzelektrikerinnen und Netzelektriker gesucht sind. Zu jenem Zeitpunkt wurden 124 Fachleute auf Stufe eidgenössisches Fähigkeitszeugnis und 31 auf Stufe eidgenössischer Fachausweis/Diplom gesucht. Lehrstellen wurden in 61  Inseraten angeboten.

Marcel Oetiker hat in der Firma Cablex AG die Abschätzungen für den Fachkräftebedarf durchgeführt. Beim Montagepersonal fehlen aktuell 69 Fachkräfte. Er rechnet damit, dass durch Pensionierungen und Fluktuationen jährlich 150 Fachkräfte einzustellen wären. Diese Anzahl gibt der aktuelle Markt jedoch nicht her.

Der Bereich Human Resources der Elektrizitätswerke der Stadt Zürich schreibt: «Das Montagepersonal mit den Grundausbildungen Netzelektriker/-in EFZ, Elektroinstallateur/-in EFZ oder Montageelektriker/-in EFZ ist mitunter essenziell zur Erfüllung des Leistungsauftrags von EWZ in Bezug auf den Unterhalt und den störungsfreien Betrieb der Netzinfrastruktur Stadt Zürich und Mittelbünden. Wir sind stets bestrebt, dem akuten Fachkräftemangel aktiv entgegenzutreten. Die interne Grundausbildung von neuen Fachkräften sowie die Aus- und Weiterbildung ist hierbei ein wichtiger Pfeiler der langfristigen Qualitäts- und Quantitätssicherung und wird von EWZ stetig gefördert und weiterentwickelt.»

Primäre Grundbildungen im Arbeitsgebiet der Netzelektrik

Im Arbeitsbereich Netzelektrik weisen die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine netzspezifische Grundbildung auf. Auffällig ist der bedeutende 20-%-Anteil an Elek­troinstallateurinnen/-installateuren sowie Montage-Elektrikerinnen/ -Elektrikern. Rund 30% der Monteure im Netz bringen eine andere handwerkliche Grundbildung mit, wie zum Beispiel Mechaniker, Schlosser oder Elektromechaniker (Bild unten).

Gegenüber der Umfrage aus dem Jahr  2014 ist der Anteil Personen mit weiteren Berufsausbildungen in den unteren zwei Stufen Fähigkeitszeugnis (von 10 auf 29%) und Fachausweis (von 15 auf 35%) markant gestiegen, hauptsächlich zulasten der Netzelek­triker.

Lehrstellenmarkt

Die untenstehende Tabelle zeigt auf, wie viele Lehrstellen Netzelektriker/-in die teilnehmenden Unternehmen angeboten haben, wie viele besetzt worden und wie viele Lehrstellen offen geblieben sind. Im Arbeitsbereich Netzelektrik konnte in den vergangenen Jahren jede 10. Lehrstelle nicht besetzt werden. In der Umfrage 2014 blieb jede 12. Lehrstelle unbesetzt. Die Entwicklung soll weiterverfolgt werden. Der Trend der «unbesetzten Lehrstellen» wird sich in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich verschärfen. Die Branche muss sich jetzt über geeignete Massnahmen Gedanken machen und mit deren Umsetzung beginnen.

Lehrvertragsauflösungen

Gab es 2019 nur acht Lehrabbrüche, so waren es in den Jahren zuvor mit zwölf respektive neun leicht mehr. Als Hauptgründe werden zehnmal ungenügende Schulleistungen ausgewiesen. Als weitere wichtige Gründe werden siebenmal eine falsche Berufswahl und ebenfalls siebenmal Beziehungsprobleme im Arbeitsumfeld angegeben. Oft sind mehrere Gründe zusammen für eine Lehrvertragsauflösung verantwortlich. Diese Hauptgründe decken sich mit Ergebnissen aus Studien, die von den Kantonen geführt wurden.[1] Die Zeitung 20 Minuten nennt in der Ausgabe vom 29. November 2019 «Elektrizität und Energie» als Branche mit vielen Abbrüchen. Sie bezieht sich dabei auf die Elektro­installateure mit 32,4% vorzeitigen Lehrvertragsauflösungen.

In den Zahlen des Bundesamtes für Statistik vom 21. Novemver 2019 werden für den Beruf Netzelektriker/-in EFZ 10,9% Lehrvertragsauflösungen ausgewiesen (für Ausbildungen, die 2014 begonnen haben). Über alle Berufe betrachtet, liegt der Durchschnitt der Lehrvertragsauflösungen bei 21%.

Beschäftigung von Fachleuten aus dem Ausland

13 der antwortenden Unternehmen haben in den drei letzten Jahren Personen aus dem Ausland im Bereich Netz­elektrik angestellt. Diese Fachleute stammen mehrheitlich aus Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien, ferner auch aus Portugal und Spanien.

Bedarf an ausgebildeten Mitarbeitenden für die Zukunft

Die Fragestellung betreffend Abschätzung des Bedarfs nach ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Zukunft konnte nur von wenigen Unternehmen beziffert werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Markt für Netzelektrikerinnen und Netzelektriker stabil bleiben wird.

Umschulung von Personen aus verwandten Berufen

Damit in Zukunft genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, muss die Branche jetzt handeln und in Bildung sowie Berufsmarketing investieren. In den kommenden Jahren wird sich die Situa­tion auf dem Lehrstellenmarkt weiter verschärfen. Gründe für den Mangel an geeigneten Lernenden sind auf den Geburtenrückgang zurückzuführen sowie auf die an Attraktivität gewinnende Maturitätsausbildung. Die Branche ist daher gefordert, ihr Engagement in der Nachwuchsförderung zu verstärken, und zwar auf allen Ebenen: von der Schule über die Berufslehre bis hin zur Erwachsenenbildung zum Beispiel in Form einer Umschulung.

Einzelne Unternehmen schulen bereits heute mit Erfolg Personen aus verwandten Berufen zur Netzelektrikerin respektive zum Netzelektriker um. Der VSE bietet dazu den Umschulungslehrgang «Einführung in Netzbau» an. Bei zusätzlicher Absolvierung des Wahlmoduls «Elektrotechnik» eignet sich dieser auch für «Nicht-Netzelek­triker-verwandte Berufe».
Was haben die bisherigen Massnahmen bewirkt?

Verstärkung des Berufsmarketings für Netzelektrikerinnen und Netzelektriker: Neue Werbeflyer und Plakate wurden geschaffen. Diese Printprodukte werden den Branchen­­mitgliedern kostenlos abgegeben. Ausserdem soll der Internetauftritt aktualisiert werden. Für ausbildende Betriebe wurde eine Vorlage für die Berufspräsentation geschaffen. Neben der Kommunikation mit Berufsberatungsstellen wird auch die Zusammenarbeit mit Yousty im Bereich Rekrutierung von Schülern und Bekanntmachung des Netzelektrikers weitergeführt.

Ausbau des Kursangebots in der höheren Berufsbildung: Zu den deutschsprachigen Vorbereitungskursen auf die Berufsprüfung wurden Pa­rallelkurse geschaffen. Dank dieser Massnahme konnten mehr Fachleute mit eidgenössischem Fachausweis für den Arbeitsmarkt ausgebildet werden. Zugleich wurden die seit Jahren bestehenden Engpässe beim Zugang zum Vorbereitungskurs abgebaut. Auf Stufe höhere Fachprüfung wurde vom zweijährigen Kurs- und Prüfungsrhythmus auf einen Jahresrhythmus umgestellt. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Das  Instruktoren- und Expertenteam konnte erweitert und verjüngt werden, und auch der Kreis der Unternehmen, die sich in der Weiterbildung aktiv einsetzen, wurde erweitert.

Schaffung des Lehrgangs «Einführung in Netzbau»: In vier Lehrgängen konnten seit 2016 rund 40  Personen als Fachkräfte für den Einsatz im Netzbau befähigt werden, wovon drei italienischsprechend waren.

Die Branche engagiert sich aktiv in der Berufsbildung

43  Unternehmen sind ausbildende Betriebe und engagieren sich mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv in der Grundbildung der Netz­elektrikerinnen und Netzelektriker, als Instruktoren bei den überbetrieblichen Kursen, als Prüfungsexperten oder in der Berufsfachschule. Viele Unternehmen wirken sogar an mehreren Bildungsorten mit. 35 Unternehmen sind ausbildende Betriebe, aber ohne Enga­gement an weiteren Bildungsorten oder machen keine nähere Angabe dazu.

Rund 20  Unternehmen engagieren sich in der höheren Berufsbildung als Instruktoren oder Experten. Die Mehrzahl der Unternehmen engagiert sich hier nicht, häufig aus Ressourcengründen (kleinere Unternehmen, unschlüssige Motivation und Respekt vor der Instruktionstätigkeit).

Empfehlung: Um die Branche für den absehbar steigenden Bedarf nach gut und spezifisch ausgebildetem Personal vorzubereiten, sollen vermehrt auch Unternehmen, die sich bisher kaum engagierten, für eine aktive Mitarbeit in der Berufsbildung gewonnen werden. Ausserdem gebührt auch jenen Unternehmen, die sich bereits seit längerer Zeit aktiv einbringen, entsprechend grosse Wertschätzung.

Schlussfolgerungen

Die Branche muss jetzt Massnahmen angehen und in die Berufsbildung investieren, um dem aufgezeigten Fachkräftemangel effizient entgegenzuwirken. Die Verbände der Trägerschaft Netzelektriker/-in können hier gemeinsam mit der Branche eine aktive Rolle als Bildungsanbieter übernehmen. Die Unternehmen müssen die Bestrebungen aber mittragen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren, als Instruktoren und Experten mitzuwirken.

Referenz

[1]   Evi Schmid & Barbara E. Stalder, «Lehrvertragsauflösung: Chancen und Risiken für den weiteren Ausbildungsweg. Ergebnisse aus dem Projekt LEVA», Bildungsplanung und Evaluation der Erziehungsdirektion Bern, 2008.

Autor
Toni Biser

ist  Senior Experte Berufsbildung beim VSE.

  • VSE,  5000 Aarau
Autor
Giampaolo Mameli

ist Vorsitzender des Leitungsausschusses Berufsbildung Netzelektriker/in.

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