Rückschau Beleuchtung , Energieeffizienz , Gebäudeautomation

Gebäudetechnik-Kongress 2019

Digitalisierung und Dekarbonisierung als Trends

03.10.2019

Das Leitthema des Gebäudetechnik-Kongresses vom 3. Oktober 2019 im KKL lautete «Wandel und Challenge» bei der Dekarbonisierung des Gebäudeparks. Dabei stellen neue Digitalisierungs-Technologien in der Gebäudetechnik eine Herausforderung dar, die erst gemeistert werden kann, wenn die technologischen Lösungen praxistauglich und wirtschaftlich sind. Deshalb war eines der Ziele des Kongresses die Vermittlerfunktion zwischen der Wissenschaft und der Praxis.

Der Auftakt kam aus dem Fernen Osten: Shicong Zhang von der China Academy of Building Research ging auf Nullenergiegebäude in China ein. Er skizzierte die Geschichte der Energieeffizienz in Gebäuden, die in China auf die 1980er-Jahre zurückgeht; das Programm hat in den letzten 30 Jahren eine energetische Einsparung von 65% gebracht. In drei chinesischen Regionen will man nun noch weiter gehen: Man plant den Bau von ­Nearly-Zero-Carbon-Gebäuden. Wenn sich dies bewährt, wird man dieses Konzept auch in den weiteren Provinzen anwenden. Gleichzeitig wird in China an aktiven und passiven Gebäudetechnologien zur Steigerung der Energieeffizienz geforscht und es werden entsprechende Normen erstellt.

Nachhaltigkeit aus ökonomischen Gründen

Ein Vordenker der Sustainability-Bewegung, der Banker Reto Ringger, fragte sich, welches Rettungskonzept man anstreben soll – eine sanfte Renovation oder eine radikale Umgestaltung. Letztere illustrierte er mit den Veränderungen bei den Heim-Audiogeräten und Computern: Wofür man früher diverse Geräte benötigt hat – Videokameras, Tonbandgeräte, Personal Computer –, kann man heute ein Smart Phone nehmen, das zudem noch leistungsfähiger und preisgünstiger als das frühere Equipment ist und deutlich weniger Rohstoffe erfordert. Anhand eines Beispiels mit autonomen Fahrzeugen präsentierte er die Dynamik des Marktes: Künftig werden Fahrzeuge autonom, geteilt und elektrisch. Der Autobesitz und die Autokäufe werden sinken, denn durch den vermehrten Einsatz und die bessere Auslastung von geteilten Fahrzeugen wird die Mobilität preisgünstiger. Wie sich seine These, dass sich das künftige Modell der Mobilität aus ökonomischen statt aus ökologischen Gründen durchsetzen wird – die Ökologie wird nebenbei realisiert –, auf die Gebäudetechnik-Branche übertragen lässt, liess er offen.

Die Sicht der Wissenschaft

Bei Peter Richner, Empa, wurde es wissenschaftlich. Basierend auf den klimapolitischen Vorgaben für Gebäude zeigte er auf, wie man die anstehende Aufgabe bewältigen kann. Er erläuterte die modifizierte Kaya-Identität, die sich aus zwei Technologie-Faktoren (Energieeffizienz, Dekarbonisierung) und zwei sozio-ökonomischen Faktoren (Bevölkerungswachstum, Flächenbedarf) zusammensetzt. Effizienz kann dabei passiv und aktiv (Betriebs­optimierung) verbessert werden, oft kommt aber nur Ersteres zum Einsatz. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive könnte ein Ersatzneubau manchmal die bessere Option sein. Neue Gebäude müssen klimaneutral betrieben werden können oder auf diesen Stand gebracht werden: «Was wir heute bauen, ist der Bestand von 2050.»

Seine Überlegungen blieben aber nicht nur bei der Energieeffizienz der Gebäude stehen, sondern schnitten das für nachhaltiges Bauen ebenso wichtige Thema «Rohstoffe» an. Er erläuterte, wie man künftig modular bauen sollte, um die eingesetzten Materialien nach dem Rückbau möglichst einfach trennen und rezyklieren zu können. Auch das Tageslicht brachte er ins Gespräch: Trotz unbestreitbarer architektonischer Qualitäten diente ihm der komplett vom Tageslicht abgeschnittene, künstlich beleuchtete KKL-Saal als Beispiel, wie man künftig nicht mit dem Sonnenlicht umgehen sollte.

Breites thematisches Spektrum

Auf den Wandel, den ein Schweizer Bauunternehmen zurzeit durchführt, ging Jens Vollmar ein. Da stand die Lean Production im Fokus. Mit ihr lassen sich Prozesse verschlanken, Kosten reduzieren sowie eine Qualitätssteigerung erzielen.

Am Kongress wurde vom Verein «Die Planer», früher SWKI, der Students Competition Award an Jan Stöckl und Mario Widmer verliehen, die die Jury mit ihrer Bachelor-Arbeit überzeugten. Die Arbeit befasst sich mit einer energetischen und ökonomischen Betrachtung der Optimierung massiver Aussenwandkonstruktionen im Wohnungsbau.

Weitere Vorträge gingen auf den Schweizer Immobilienmarkt, Wasser-Wärmepumpen in Städten, Visionen vom Gebäude der Zukunft und branchenfremde Herausforderer in der Gebäudetechnik ein. Der SIA-Vizepräsident Adrian Altenburger schloss den inspirierenden Event mit einem Ausblick auf den nächsten Kongress ab.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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