Fachartikel Energieeffizienz , Software

Flexible Forschung mit flexibler Kommunikation

Die Empa setzt auf das Kommunikationsprotokoll OPC-UA

24.07.2018

Die Forschungs- und Innovationsinfrastruktur (Nest, Move, Ehub, Dhub) der Empa in Dübendorf erlaubt Energieforschung in einem belebten Quartier. Um den Gebäude- mit dem Mobilitätsbereich zu verbinden – und damit auch sämtliche Komponenten, die Energie produzieren, speichern, transportieren und umwandeln – setzt man auf das Kommunikationsprotokoll OPC-UA.

Technologische Innovationen entstehen meist im Labor. Doch was im Labormassstab bestens funktioniert, ist noch lange keine Blaupause für eine grosstechnische Umsetzung. Der Weg von der Entwicklung im Labor bis hin zur erfolgreichen Innovation, die sich am Markt behauptet, ist oft lang und reich an Hindernissen. Um den Innovationsprozess zu beschleunigen, hat die Empa in den letzten Jahren verschiedene Demonstratoren, sogenannte Research and Technology Transfer Platforms, aufgebaut. Dabei handelt es sich um die Grossprojekte Nest, Move, Ehub und Dhub, die in enger Zusammenarbeit mit Forschungspartnern und mit der Industrie marktfähige Lösungen im Gebäude-, Mobilitäts- und Energiebereich hervorbringen sollen.

Nest ist ein modulares Gebäude, das aus einem zentralen Gebäudekern – dem «Backbone» – und drei offenen Plattformen besteht, auf denen einzelne Forschungs- und Innovationsmodule nach einem «Plug&Play»-Prinzip installiert werden. In diesen sogenannten Units wird gearbeitet und gewohnt – und gleichzeitig sind sie belebte Versuchslabors. Der Mobilitätsdemonstrator Move untersucht verschiedene Pfade zur Umwandlung von erneuerbarer Energie in CO2-arme Treibstoffe und bietet neben einer Elektroladestation auch Gas- und Wasserstoffzapfsäulen an. Der Ehub – kurz für Energy Hub – verbindet die beiden anderen Demonstratoren und macht alle Komponenten, die Energie produzieren, speichern, transportieren oder umwandeln, für die Energieforschung ansteuerbar. Er betrachtet Nest nicht als Gebäude, sondern als vertikales Quartier, in dem die Units mit ihren unterschiedlichen Nutzungsprofilen die einzelnen Gebäude darstellen. Die Units sind über thermische und elektrische Netze miteinander verbunden und können über diese miteinander inter­agieren. Durch das modulare Konzept entstehen immer wieder neue Units, und bestehende Units werden rückgebaut. Der Dhub – kurz für Digital Hub – erweitert den Demonstratorenpark schliesslich um eine digitale Ebene, auf der sämtliche Daten aller anderen Demonstratoren zur Verfügung stehen, um digitale Lösungen im Gebäude-, Energie- und Mobilitätsbereich zu erproben.

Offenheit und klare Schnittstellen

Damit diese Infrastruktur sowohl von Forschenden als auch von Unternehmen zur Weiterentwicklung neuer Technologien und zur Validierung regeltechnischer Konzepte genutzt werden kann, braucht es eine möglichst offene und unabhängige Plattform und gleichzeitig klare Schnittstellen.

So besteht lediglich eine physikalische Verbindung von den Units zum Backbone, welche die Units mit den vorhandenen thermischen und elektrischen Systemen koppelt. Jede Unit funktioniert für sich eigenständig mit ihrer eigenen Automatisierungslösung, welche über Ethernet mit dem Ehub kommuniziert. In den Units selbst werden keine Vorgaben gemacht, welche Geräte und Systeme eingesetzt werden müssen.

Die Herausforderung ist, neue Units mit möglichst wenigen Einschränkungen in Nest zu integrieren, sodass die Systeme einerseits vom technischen Dienst gewartet und anderseits für Forschungszwecke uneingeschränkt und sicher benutzt werden können. Die Integration muss flexibel sein, weil sich die Systemgrenze immer wieder verändert, sobald eine neue Unit hinzukommt. Diese Flexibilität gilt für den ganzen Demonstratorenpark (Bild unten).

Eine weitere Herausforderung ist, das ganze System von überall her zugänglich zu machen. Die Voraussetzung dafür war, dass man auf Server inhouse verzichtet und die Prozessleit­ebene direkt in der Cloud (Dhub) realisiert. Somit musste auch ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheitsfunktion direkt in den speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) gelegt werden, damit der sichere Betrieb der Anlagen auch bei Kommunikationsstörungen gewährleistet ist.

Um dieser Komplexität gerecht zu werden, wurde bewusst auf OPC-UA (Open Plattform Communications Unified Architecture) als Kommunikationstechnologie gesetzt. Im Demons­tratorenpark der Empa wird es von der Querkommunikation auf Steuerungs­ebene bis hinauf zur Datenanalyse in der Cloud und zur Forschungsintegration eingesetzt. Hierfür wurde ein eigenes OPC-UA-Informationsmodell entwickelt. Mithilfe dieses Modells können neue Units und Komponenten nach standardisierten Vorgaben integriert werden. Um den Integrationsaufwand möglichst gering zu halten, wurden Teile der Softwarearchitektur direkt in das OPC-UA-Informationsmodell integriert, damit eine Vereinheitlichung gewährleistet werden kann. Zudem besteht die Möglichkeit, neue Software und Dienstleistungen im Bereich Internet of Things (IoT) zu implementieren, ohne das bestehende System anpassen zu müssen.

OPC-UA als Kommunikationstechnologie

OPC-UA ist eine standardisierte und herstellerunabhängige Kommunikationsarchitektur (Bild unten). Durch die IP-basierende Server-/Client- respektive Publisher-/Subscriber-Architektur lässt sich das System flexibel skalieren. Die Transportschicht bietet von der horizontalen Machine-to-Machine-Integration bis hinauf zu den übergeordneten Machine-to-Human-Interfaces vollständige Durchgängigkeit in der Automatisierungspyramide – und ist somit optimal für IoT.

Unabhängig von der Transportschicht werden im Informationsmodell die geräte- und anlagespezifischen Daten beschrieben und abgebildet. Dabei können sowohl einfache Variablen als auch komplexe hierarchische Datenstrukturen erstellt und beliebig instanziiert werden. Jeder Server kann seine eigenen Informationsmodelle zur Verfügung stellen (Namespace).

Die Sicherheit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor bei OPC-UA. Einerseits kann der Zugriff auf das Informationsmodell über Autorisierung geregelt werden, anderseits kann die Transportschicht mit Zertifikaten verschlüsselt werden, um eine höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.

OPC-UA-Transportschicht

Um Modularität zu gewährleisten, wurden für die Teilsysteme im Nest-Backbone und den Units sowie im Ehub und in Move eigene speicherprogrammierbare Steuerungen eingesetzt. Diese verfügen über einen OPC-UA-Server und -Client. Die Teilsysteme kommunizieren untereinander sowie zum OPC-UA-Gateway in der Cloud, welche alle OPC-UA-Server aggregiert und als einen Server zur Verfügung stellt. Dies ist zugleich der Zugangspunkt für übergeordnete Systeme wie Datenbank, Forschungstemplates und das Scada-System (Supervisory Control and Data Acquisition) (Bild unten).

Jede Unit stellt die relevanten Daten über ihren eigenen OPC-UA-Server zur Verfügung. Sobald die Unit installiert und angeschlossen ist, steht die Kommunikation zu den anderen Units bis hinauf zum OPC-UA-Gateway, wo die Daten zur Überwachung, Steuerung und Speicherung bereit stehen.

Um die Kommunikation zu schützen, wurden die Server mit Zertifikaten und Benutzerautorisierung verschlüsselt. Somit können OPC-UA-Clients nur Daten empfangen, wenn sie über das Zertifikat des Servers verfügen und sich über den Benutzernamen authentifiziert haben.

OPC-UA-Informationsmodell

In der Industrie sind schon viele Informationsmodelle spezifiziert, um den Datenaustausch zu vereinfachen. Da im Gebäudebereich OPC-UA noch nicht sehr stark verbreitet ist, wurde für Nest ein eigenes OPC-UA Informationsmodell erstellt und angewendet.

Das Informationsmodell basiert auf Objekttypen. So wurden für jede Geräte- und Sensorgruppe eigene Objekttypen angelegt, die in Read und Write unterschieden werden. Diese Objekttypen beinhalten alle wichtigen Datenpunkte. Pro Gerätegruppe gibt es einen Objekttyp, der sich beliebig oft zu Objekten instanziieren lässt. Die sicherheits- und forschungsrelevanten Variablen wurden ebenfalls direkt in den Objekttyp integriert.

So ist es möglich, eine hierarchische Struktur mithilfe der Objekte zu schaffen, die je nach Auflösung über den Namespace des OPC-UA-Servers abgefragt werden können. Der Vorteil ist, dass sich die Auflösung sehr einfach über den OPC-UA-Pfad verändern lässt. So kann direkt auf das Objekt zugegriffen werden, wenn alle Datenpunkte erwünscht sind, oder es kann auch nur ein einzelner Messwert gelesen werden (Bild unten).

Weiter wurden die Objekte nach dem Kennzeichensystem der Empa instanziiert. Das heisst: Die Beschriftungen auf den Sensoren beziehungsweise Schemata sind im OPC-UA-Strukturbaum auffindbar. Diese Durchgängigkeit hat den Vorteil, dass die Objekte mithilfe von Elektro- oder Anlageschemata ohne Anlagekenntnisse wieder zu finden sind. Ausserdem werden 5000 der rund 60 000 Datenpunkte mit dem Strukturbaum direkt in die Datenbank geloggt.

Umsetzung Machine-to-Machine

Wie aus dem untenstehenden Bild ersichtlich wird, sind unterschiedliche speicherprogrammierbare Steuerungen in die OPC-UA eingebaut. Jede ist für eine bestimmte Anlage (Heizung, Lüftung, Klima) verantwortlich. Alle Mess- und Stellwerte für diese Anlage werden über IO- oder Bussysteme in der speicherprogrammierbaren Steuerung verarbeitet und über die definierten Objekte im OPC-UA-Namespace zur Verfügung gestellt. Braucht beispielsweise die Lüftung Messwerte wie Temperatur oder Luftqualität eines Raums, verbindet sie sich über den OPC-UA-Client mit dem OPC-UA-Server der Klimasteuerung und liest zyklisch die Messwerte aus.

Umsetzung Machine-to-Human

Ziel beim Erstellen des Demonstratorenparks war, die Systeme für Forschungszwecke nutzbar zu machen. Dies bedingt, dass Forschende mit ihren vertrauten Programmiersprachen auf die Anlagen zugreifen können. Um die Hürde zu vereinfachen, wurden Forschungstemplates erstellt, die über virtuelle Maschinen in der Cloud zugänglich sind.

An Hochschulen und Forschungsinstituten wird oft mit Labview und Matlab gearbeitet. Daher wurden die Templates für Forschende basierend auf Labview erstellt. Einerseits, weil Labview OPC-UA unterstützt, anderseits besteht der Vorteil, dass auch Matlab-Scripts direkt im Labview-Template integriert werden können. So können Simulationen aus dem Labor direkt auf der Anlage getestet werden. Damit parallel getestet werden kann, sind in den Templates nur die Komponenten ansteuerbar, welche auch genutzt werden. Sobald Forschende die Berechtigung haben, werden die Stellwerte auf die Objekte geschrieben, und in der Steuerungsebene wird in den Forschungsmodus umgeschaltet. Falls die Berechtigung fehlt oder ein Fehler (Status) auftritt, wird wieder in den Normalbetrieb gewechselt und die Anlage geht in einen sicheren Zustand.

Hierzu wurde für jeden Aktor ein Funktionsbaustein erstellt (FB_Umschaltung), der als Input zwei OPC-UA-Write-Instanzen hat – einerseits für den Forschungsbetrieb, anderseits für den normalen Betrieb. Im Forschungsbetrieb wird die Logik auf der speicherprogrammierbaren Steuerung übersteuert (Bild unten).

Erfolgreiche Implementierung von Forschungsprojekten

Mehrere Forschungsprojekte im Bereich Regel- und Energieoptimierung wurden schon implementiert; eines davon im Bereich Netzstabilität im elektrischen Verteilnetz. Konkret ging es darum, mithilfe von Blindleistung, die durch Solar- und Batteriewechselrichter erzeugt werden kann, lokale Spannungsspitzen zu minimieren. So können elektronische Geräte (Transformatoren, Wärmepumpen etc.) vor Überspannung geschützt werden und gleichzeitig die partizipierenden Wechselrichter mehr Wirkleistung erzeugen.

Hierbei wurde zuerst das Verhalten der Spannungen an unterschiedlichen Knotenpunkten wie der Haupteinspeisung, der Solar- und Batteriewechselrichter oder bei grösseren Lasten (Wärmepumpe, Lift, Batterien, Units) anhand der historischen Daten analysiert.

Mit diesen Daten konnte ein Modell von Nest erstellt werden, das zur Simulation in Matlab gebraucht wurde. In der Simulation wurde mithilfe von Algorithmen die optimale Betriebskennlinie von drei Solar-Wechselrichtern berechnet, sodass durch bewusstes Einspeisen von Blindleistung die Spannungsüberhöhung an allen Knotenpunkten kompensiert werden konnte.

Waren diese Kennlinien berechnet, wurde das Matlab-Script in Labview implementiert. Das Script wurde jede Minute mit den aktuellen Spannungsmesswerten ausgeführt und die neu berechneten Blindleistungssollwerte über OPC-UA an die Wechselrichter gesendet. Die ersten Auswertungen zeigten, dass im Sommer die lokalen Spannungsspitzen beträchtlich reduziert werden konnten. Es besteht also ein grosses Potenzial, Blindleistung, die Wechselrichter zur Verfügung stellen können, netzdienlich zu nutzen.

Ausbaufähig dank Flexibilität

In Zukunft kommen weitere Technologien ins Nest. Betrachtet man die momentane Geschwindigkeit der Digitalisierungswelle im Gebäude- und Energiebereich, ist es schwierig, Vorhersagen zu treffen, wohin die Reise führt. Die Erkenntnisse, die aus dem Demonstratorenpark gewonnen werden, sollen dazu beitragen, die Innovationskraft der Schweiz zu stärken und Entwicklungen zu beschleunigen. Dafür ist es unabdingbar, ein System bereitzustellen, das Flexibilität gewährleistet und sich auch selbst immer wieder neu entwickelt. Vor diesem Hintergrund wird OPC-UA auch noch in ein paar Jahren eine wichtige Rolle spielen.

Autor
Reto Fricker

ist Technischer Fachspezialist bei der Empa.

  • Empa, 8600 Dübendorf

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