Fit für die Energiezukunft
Energieeffizienz und Nachhaltigkeit
An einer Fitness-Wellness-Unit untersuchen Empa-Forschende, wie ihr Energiebedarf deutlich reduziert werden kann. Zudem werden hauptsächlich erneuerbare Energien genutzt, damit auch die Umwelt profitiert.
Die durch die Energiestrategie des Bundes angestrebte Reduktion der CO2-Emissionen erfordert den Ersatz von fossilen Energieträgern durch erneuerbare Energieträger. Um den durch das Heizen mit Wärmepumpen und die individuelle elektrische Mobilität ansteigenden Stromverbrauch in Grenzen zu halten, sind Massnahmen zur Effizienzsteigerung gefragt. Solche Massnahmen können in vielen Bereichen umgesetzt werden: in der Industrie, im Gewerbe, im Privathaushalt, in der Mobilität oder durch den Ersatz alter Generatoren und Transformatoren bei der Stromerzeugung und -verteilung.
Gesundheit auf nachhaltige Weise
An der Empa in Dübendorf wird nun einem bestimmten Bereich besondere Beachtung geschenkt: Dem zurzeit boomenden Fitness-Sektor. Oft wird in diesem Sektor relativ viel Energie verbraucht, weil auch Saunas angeboten werden. Eine der mit dem Watt d’Or ausgezeichneten Units des Nest, dem modularen Forschungs- und Innovationsgebäude der Empa, ist diesem Thema gewidmet: Die zusammen mit dem Schweizerisch-Liechtensteinischen Gebäudetechnikverband Suissetec realisierte Fitness- und Wellness-Unit. Die Einheit zeigt exemplarisch auf, wie sich Wellness-Bedürfnisse auch ohne fossile Brennstoffe erfüllen lassen. Das Forschungsziel ist die Entwicklung einer Einheit mit diversen Fitnessgeräten und drei «schwebenden» Saunen, die eine ausgeglichene jährliche Energiebilanz aufweist.
Die meiste Energie wird auf dem Dach erzeugt, mit PV-Anlagen und thermischen Kollektoren. Die Fitness-Unit hat zudem in die Fenster integrierte Solarpanels zur Stromerzeugung und Verschattung. Bei starker Sonneneinstrahlung wird so ein angenehmes Raumklima ermöglicht.
Die bei Weitem wirksamste Energieeffizienz-Massnahme der Einheit ist die Hochtemperatur-CO2-Wärmepumpe, mit der Temperaturen bis 120°C erzeugt werden können. Das Kältemittel Kohlendioxid wird sonst meist für die Kühlung im Lebensmittelbereich verwendet. Fast zwei Drittel der elektrischen Energie, die sonst in den Saunen für die konventionelle Widerstandsheizung benötigt würde, lässt sich mit dieser Wärmepumpe durch Umweltwärme – industrielle Abwärme und zwei Erdsonden werden dazu genutzt – ersetzen. Dies entspricht einem COP (Coefficient of Performance) von knapp 3 und einer jährlichen Einsparung von rund 80 MWh. Zudem werden Einsparungen durch eine optimierte Dämmung und eine Wärme- und Feuchterückgewinnung mittels Enthalpietauscher bei den Saunas erreicht. Da letztere nur bei Bedarf beheizt werden, spart man zusätzlich Energie. Man heizt nur kurzfristig vor, wenn sich jemand anmeldet.
Eine Erkenntnis aus diesem Prototyp-System ist, dass der Wärmespeicher wegen der hohen Temperatur mehr Wärme abgibt als geplant. Zudem ist wegen der Wassertemperatur von 120°C der Dampfdruck hoch: Die Dampfkessel-Verordnung wird hier relevant und man muss das System für den Betrieb abnehmen lassen. Solche Aspekte müssen bereits bei der Planung für eine verzögerungsfreie Erstellung berücksichtigt werden.
Drei unterschiedliche Wellness-Ellipsoide
In der Einheit sind drei Wellness-Kapseln installiert, die durch den Schichtspeicher mit der jeweils benötigten Wärme versorgt werden: Die Finnische Sauna erfordert rund 115°C, das Dampfbad 85°C und die Bio-Sauna 70°C. Das Brauchwarmwasser ist normalerweise 55°C warm, die Leitungen werden aber alle 24 h mit 65°C hygienisiert. Wenn im Sommer die Saunas nicht benötigt werden und die Wärmepumpe ausgeschaltet ist, wird das Brauchwarmwasser für die Dusche mit einem thermischen Kollektor auf dem Dach bereitgestellt. In jeder Sauna ist zu Vergleichszwecken und aus Redundanzgründen ein konventioneller Betrieb mit Widerstandsheizung möglich.
Ein Vorteil der Beheizung mit Wasser ist, dass keine Brandgefahr besteht, wenn jemand beispielsweise sein Frottéetuch auf der Heizung liegen lässt. Bei einer elektrischen Beheizung muss aus Brandschutzgründen stets jemand vor Ort sein, wenn die Sauna in Betrieb genommen wird. Der an dieser Unit forschende Gebäudetechnik-Forscher Robert Weber weist auf einen weiteren Vorteil hin: «Durch die Beheizung mit der Wärmepumpe wird das System voll automatisierbar, denn niemand muss beim Einschalten vor Ort sein.»
Man setzt in der Unit auch Fitnessgeräte ein, die Energie erzeugen können. Den erhofften Energieertrag hat man aber bis heute wegen der niedrigen Auslastung während der normalen Arbeitszeiten nicht erreicht. «Wenn man die benötigte IT berücksichtigt, kann man heute mit dem erzeugten Strom kaum den Standby-Verbrauch abdecken. Bei voller Auslastung der Fitness-Geräte wäre die Bilanz besser», sagt Robert Weber.
Die Zukunft gestalten
Bei den Nest-Units ist man in der komfortablen Lage, dass man über die für energetische Optimierungen und Forschungszwecke erforderlichen Messdaten verfügt. Wenn man aber Energieeffizienzmassnahmen auf Gebäude übertragen möchte, bei denen es keine vollständigen Datensammlungen gibt, kann man das Zusammenspiel von Energieeffizienz und erneuerbarer Energie modellieren. Kristina Orehounig, Leiterin der Abteilung Urbane Energiesysteme an der Empa, befasst sich mit der Entwicklung von entsprechenden Multi-Energie-Modellen, mit denen man nicht nur einzelne Gebäude energetisch durchrechnen kann, sondern auch Quartiere und mittlerweile auch ganze Städte. Dabei werden die elektrischen und thermischen Verbraucher analysiert und die Frage beantwortet, wie man sie optimal mit verschiedenen Energieträgern versorgen kann.
In den letzten Jahren wurden dazu unterschiedliche Modelle entwickelt, mit denen der Energieverbrauch abgebildet und das Potenzial von erneuerbaren Energieträgern ermittelt werden kann. Mittels GIS-Studien wird standortspezifisch ermittelt, wie gross das jeweilige Potenzial für Erdwärme und für Photovoltaik ist. Zudem können mit den Modellen die Komponenten des Energiesystems, beispielsweise Speicher, dimensioniert werden, damit man die Energie dann hat, wenn man sie braucht. Auch Prognosen bezüglich Stromverbraucher oder Klimaveränderungen können in den Modellen berücksichtigt werden, um Lösungen zu finden, die künftigen Entwicklungen, beispielsweise einem höheren Bedarf an Kühlung, Rechnung tragen. Auf Quartierebene können die unterschiedlichen Energiecharakteristiken der Gebäude berücksichtigt werden, beispielsweise kann die überschüssige Energie von Plusenergie-Häusern älteren Häusern zur Verfügung gestellt werden, die stets Verbraucher bleiben werden. Dafür wird ein Energy-Hub-Modell adaptiert, das an der ETH Zürich für internationale Energienetze entwickelt wurde.
Kristina Orehounig stellt sich die Frage: «Was ist an Verbrauch und was an Potenzial vorhanden und wie ist die optimale Auslegung dieser Systeme – nicht nur, um Spitzenlasten abdecken zu können, sondern über das ganze Jahr?» Dabei ist das Potenzial der erneuerbaren Energieträger im Sommer am höchsten; der maximale Verbrauch der Lasten liegt im Winter. Dies muss durch Speichertechnologien ausgeglichen werden. «Mit dieser Systembetrachtung kann man die Lasten dorthin bringen, wo Energie von erneuerbaren Energieträgern vorhanden ist», sagt Orehounig.
Die saisonale Energiespeicherung sei technologisch grossteils oft gelöst, aber die Technologien sind noch zu teuer oder brauchen so viel Platz, dass ihr Einsatz nicht realistisch ist. Da wegen der Wärmepumpen, der Elektromobilität und Ähnlichem der Trend in Richtung elektrische Energie geht, muss man auch Technologien wie Power-to-Gas, das Einspeisen von überschüssigem PV-Strom als Wasserstoff oder Methan ins Gasnetz, in Betracht ziehen. Mit dem Gas kann man dann bei Bedarf dezentral Strom und Wärme erzeugen.
Die grösste Herausforderung bei der Effizienzsteigerung im Gebäudebau ist die Situation mit den zahlreichen involvierten Interessensgruppen. Wenn nicht alle Akteure das gleiche Ziel verfolgen, geht es nicht. Auch die Kosten für die Umstellung des Energiesystems von fossilen Energieträgern auf Wärmepumpen, Biomasse oder Fernwärme sind eine grosse Hürde.
Die typischen Renovationszyklen bei Gebäuden stellen einen weiteren bremsenden Aspekt dar. Kristina Orehounig präzisiert: «Die Renovationsrate in der Schweiz liegt heute bei etwa 1%. Wir haben mal hochgerechnet, wenn man mit diesem 1% weiterfährt, werden wir die Energiestrategie des Bundes nie umsetzen können. Aber wie kriegt man die Leute dazu, dass die Renovationsrate auf die benötigten 2 bis 3% gesteigert werden kann?» Erschwerend kommt noch hinzu, dass häufig bei einer Erneuerung des Heizsystems wieder die gleiche Variante gewählt wird, die bereits vorhanden war; manchmal steigt man von Heizöl auf Erdgas um. Aber der nächste Schritt, beispielsweise der Umstieg auf eine Wärmepumpe, geschieht selten.
Eine Einstellungssache
Obwohl die Energieeffizienz und die Nachhaltigkeit nicht nur an der Empa intensiv diskutiert und entsprechende Lösungen implementiert werden, gilt es, den Effizienzgedanken ganzheitlich bei allen Projekten – nicht nur im Gebäudebereich – zu berücksichtigen. Die Frage, ob man ein System oder Produkt bei gleicher Leistungsfähigkeit und gleichem Funktionsumfang nicht energieeffizienter gestalten könnte, sollte immer gestellt werden. Die bei Neuentwicklungen gestellten Weichen bezüglich Stromverbrauchsreduktion können während der gesamten Lebensdauer grosse Auswirkungen auf den Energieverbrauch haben, ohne den Nutzen der Systeme zu schmälern.
Aber wichtig ist auch, dass man als Konsument die durch Effizienzsteigerungen erreichten Erfolge nicht durch Rebound-Effekte abschwächt. Im industriellen Bereich und bei Gewerbebauten ist die Gefahr zwar weniger ausgeprägt, denn da freut man sich auch am ökonomischen Vorteil, den die Massnahmen nach der Amortisationsphase mit sich bringen. Im privaten Sektor ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass persönliche Präferenzen der Energieeffizienz den Rang ablaufen: Man leistet sich ein schwereres Fahrzeug, einen grösseren Fernseher oder eine geräumigere Wohnung und gibt so den durch technologische Optimierungen errungenen Energievorteil wieder preis.
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