Fahrgastinformation mittels PLC
Power Line Communication in Zügen
Für die Vernetzung von Geräten für die Fahrgastinformation in Zügen werden heute Ethernet-Netzwerke eingesetzt. Diese sind aber teuer und erfordern eine grosse Kabelmenge mit entsprechendem Platzbedarf und Gewicht. Dies kann verbessert werden, wenn man die Daten mittels Power Line Communication (PLC) über Stromversorgungskabel überträgt.
In der Bahnindustrie herrscht ein kontinuierlicher Preisdruck. Insbesondere durch die Konkurrenz aus China wird sich dieser in Zukunft weiter verschärfen, und damit auch für die Zulieferindustrie wie Annax, einem Anbieter von Fahrgastinformationssystemen. Eine weitere Kostenreduktion ist bei der Fahrgastinformation nur noch mit neuen Konzepten möglich.
Fahrgastinformationssysteme (Passenger Information Systems, PIS) bestehen in heutigen Zügen u. a. aus Audio-Komponenten (Verstärker, Notrufsprechstellen) und einer steigenden Anzahl von Anzeigen in diversen Technologien (TFT, LED, OLED, ...).
Diese Geräte werden heute typischerweise über ein Zug-internes Ethernet-Netzwerk (Bild 1) miteinander verbunden. Ein moderner Zug hat mehrere Hundert PIS-Geräte. Die Länge der erforderlichen Netzwerkkabel kann über 50 km betragen. Zusammen mit den benötigten Ethernet-Switches ist dies ein erheblicher Kosten-, Raumbedarfs-, Unterhalts- und zunehmend auch Gewichtsfaktor.
Konzept
Mit der Datenübertragung über bereits vorhandene Stromversorgungskabel mittels Power Line Communication zu den einzelnen PIS-Geräten innerhalb einer Zug-Komposition (englisch Train Consist) könnte ein beträchtlicher Teil des Ethernet-Netzwerkes entfallen, was die Kosten erheblich senken würde. Daher hat Annax dieses Konzept zusammen mit der Hochschule Luzern HSLU und deren Spin-off PLC-TEC AG im praktischen Einsatz auf einem Zug im Fahrgastbetrieb getestet und erprobt. Das Konzept basiert auf der ursprünglich von der HSLU entwickelten PLC-Technologie PLUS (Power Line Data Bus). Diese wird aktuell auch in der Flugzeug- und Automobilindustrie vorangetrieben.
Die auf PIS zugeschnittene Lösung wird als PLUS PLC Consist Network (PLUS-PCN) bezeichnet. Mit dieser Lösung kann das bestehende Switch-Ethernet-basierte PIS-Netzwerk für die Intra-Consist-Kommunikation vollständig entfernt werden (Bild 2). Das Ethernet-basierte Backbone-Netzwerk bleibt bestehen, jedoch werden Schnittstellen über die Stromversorgung direkt zu den PLC-Modems hergestellt, sodass die teuren Ethernet-Switches überflüssig werden. Dies bietet eine kostengünstige Lösung unter Verwendung der bestehenden Stromverteilverkabelung (Power Distribution Network PDN).
Zunächst wurden dafür umfangreiche Messungen an Personenzügen der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn BLS AG durchgeführt. An den Zugmodellen MUTZ (Moderner universeller Trieb-Zug) und Lötschberger wurden in mehreren Wagen jedes Zugmodells Messungen des Übertragungskanals und des Rauschens (Noise) durchgeführt. Die Messergebnisse wurden anschliessend analysiert und ein Modell des Signal-to-Noise Ratio (SNR) entwickelt. Dieses Modell wurde dann in ein bestehendes Simulationsmodell der PLUS-Technologie der HSLU integriert. Zur Quantifizierung der zu erwartenden Performanz wurden umfangreiche Simulationen durchgeführt.
Parallel dazu wurde ein Systemdesign für PLUS-PCN definiert. Diese Architektur beinhaltet die Verwendung von zwei PLUS-PCN-Konzentratoren (Bild 2) pro Wagen (einer an jedem Ende des Wagens), die an das Ethernet-Backbone-Netzwerk angeschlossen sind. Zwei PLUS-PCN-Konzentratoren pro Wagen bieten eine gleichwertige Redundanz wie die aktuelle Ethernet-basierte Lösung. In jedes Anwendungsendgerät wurde dann ein PLUS-PCN-Modem integriert. Zudem wurde eine geeignete Koppler- und Stromversorgungseinheit (PSU) für das 36-V-Gleichstrom-Zug-PDN entwickelt. Verschiedene Kopplungsmethoden wurden evaluiert und Prototypen entwickelt. Messungen der Performanz und der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) wurden durchgeführt, und am Ende wurde eine kapazitive Kopplungslösung gewählt. Die Netzgeräte- und Kopplerausführungen erfüllen alle relevanten Bahnnormen für elektronische Geräte und EMV. Passende Schnittstellen zu den bestehenden Anwendungsgeräten wurden entwickelt, die das VLAN/IP-Adresskonzept unterstützen.
Entwicklung und Tests
Basierend auf dem Systemdesign wurden PLUS-PCN-Modem-Prototypen entwickelt. Dazu gehörten zwei PCB-Designs zur Integration des Modems mit dem Koppler und der PSU (siehe Einstiegsbild, die rechte Hälfte ist die PSU, die linke Hälfte, bestehend aus einem Modem- und einem Base-Board, übernimmt die komplette Modemfunktionalität). Sowohl an der HSLU (PLC-Performanz) als auch bei Annax (Funktionstest mit den PIS-Geräten) wurden umfangreiche Labortests durchgeführt.
Für einen Feldtest wurden vier Prototypen in einen MUTZ der BLS integriert. Ein PLUS-PCN-Konzentrator wurde an einen bestehenden PIS-Switch angeschlossen. Die PLUS-PCN-Modems wurden an einem TFT-Display, einem Seitenanzeiger und einem Audioverstärker installiert (Bild 3). Die Anwendungen, die auf PLUS-PCN laufen, sind Audioansagen, TFT-Display-Updates und Aktualisierungen der Seitenanzeige.
Nach dem erfolgreichen Absolvieren einer Probefahrt wurde der mit den PLUS-PCN-Modem-Prototypen ausgestattete Zug in den Normalbetrieb genommen. Durch eine Kombination aus Fernüberwachung des Fahrgastinformationssystems in Verbindung mit der Anmeldung an den PLUS-PCN-Modem-Prototypen wird die Durchführung der Feldtests stetig überwacht.
Resultate
Der Gesamtdurchsatz des PLUS-PCN-Netzwerks beträgt gemäss Tests etwa 20 Mbit/s. Dies ist zwar weniger als die 100 Mbit/s, die für Ethernet angegeben werden, wurde aber als ausreichend erachtet, um die notwendigen PIS-Anwendungen (einschliesslich zukünftig zu erwartender Streaming-Anwendungen) zu unterstützen. Der Test auf dem Zug der BLS AG läuft nun seit Januar 2019 im voll operativen Betrieb, im Winter bei Temperaturen unterhalb 0°C und im Sommer bei über 40°C. Die Tests werden kontinuierlich weitergeführt.
Mit der Innovation eines PLC-basierten PIS-Netzes können gleich mehrere Problemfelder adressiert werden, da die Übertragung über die bestehenden Speisungskabel der Geräte erfolgt und nicht mehr über eine zusätzliche Datenleitung (heute Ethernet-Kabel):
- Kosteneinsparung: Deutliche Kosteneinsparung durch den Wegfall von Ethernet-Kabeln und eines Teils der Ethernet-Switches. Ausserdem entfallen die Arbeitskosten zum Verlegen der Ethernet-Kabel und die Unterhaltskosten werden reduziert.
- Gewichtsreduktion: Das Gewicht eines Fahrzeuges beeinflusst den Verschleiss der Infrastruktur (Schienen und Weichen) und ist somit zu einem wichtigen Kaufkriterium für Bahnbetreiber geworden. Das Maximalgewicht von Komponenten wie z. B. PIS-Systemen ist in Ausschreibungen vorgegeben. Überschreitungen werden bestraft.
- Geringerer Raumbedarf: Heutige Züge sind modernste High-Tech-Produkte mit komplett vernetzten Geräten auf kleinem Raum. Die dazu benötigten Kabel werden zunehmend zu einem erheblichen Raumproblem und erhöhen zusätzlich die Brandgefahr. Bild 4 verdeutlicht die enorme Menge an Kabel, die heute in einem Zug verbaut wird.
Die Partner Annax und PLC-TEC AG arbeiten zurzeit an der Industrialisierung der PLUS-PCN-Lösung.
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