Erhöht eine Pandemie den PV-Ertrag?
Langzeitkorrelation mit Meteorologie
Die Photovoltaik entwickelt sich zu einer tragenden Säule der Stromversorgung. Es lohnt sich deshalb, die Wettereinflüsse auf den PV-Ertrag zu untersuchen, um Businesspläne zu verfeinern oder die Vernetzung mit anderen Energieträgern zu optimieren. Langjährige Betriebsdaten des Sonnenkraftwerks Mont-Soleil wurden dazu mit Meteodaten korreliert.
Die vorliegende Untersuchung wurde durch die Vermutung ausgelöst, dass die überdurchschnittliche Jahresproduktion 2020 des Sonnenkraftwerks Mont-Soleil oberhalb von Saint-Imier (BE) mit dem Lockdown zusammenhängen könnte, der aufgrund der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 verhängt wurde. Besonders die stark eingeschränkte Mobilität der Schweizer Bevölkerung und die damit verbundenen geringeren Emissionen von Aerosolen wurden als möglicher Grund für eine erhöhte solare Einstrahlung genannt. Zur Überprüfung dieser Hypothese und ganz allgemein zur Erforschung der meteorologischen Einflüsse auf den PV-Ertrag wurde eine 28-jährige Zeitreihe der Betriebsdaten des Sonnenkraftwerks Mont-Soleil mit den entsprechenden Meteodaten korreliert und untersucht.
Langzeitmessungen
Als die Gesellschaft Mont-Soleil [1] ihr Sonnenkraftwerk 1992 in Betrieb nahm, war es mit einer Nennleistung von 560 kW europaweit die grösste PV- Anlage. 1993 konnte eine erste, sehr positive Bilanz gezogen werden.[2] Im Zentrum des Interesses standen dabei die Solarmodule (Siemens M55) und der von ABB für den Mont-Soleil gebaute selbstgeführte PulsweitenmodulationsWechselrichter. Diese beiden Baugruppen beanspruchten mehr als die Hälfte der damaligen Bausumme von 8,4 Mio. CHF und beeinflussten damit die Wirtschaftlichkeit des Sonnenkraftwerks am meisten.
Auch das Langzeitverhalten hat sich stark auf die Wirtschaftlichkeit und die Ökobilanz des Sonnenkraftwerks ausgewirkt. Um dies zu erforschen, pflegt die Gesellschaft einen engen Kontakt mit dem Labor für PV-Systeme an der Berner Fachhochschule (BFH) in Burgdorf, wo auch die Systematik für die Langzeituntersuchung entwickelt wurde.[3] Diese Datenauswertung erlaubt eine detaillierte Analyse von sporadischen Fehlfunktionen wie Fehlern des Maximum-Power-Point-Tracking beim Wechselrichter, Beschattung oder Schneebedeckung des Generators usw.
Bezüglich des Langzeitverhaltens lässt die ursprünglich gemessene jährliche Produktionsabnahme von durchschnittlich 0,06% zunächst eine sehr hohe Lebensdauer der Solarmodule (über 40 Jahre) erhoffen. Erfahrungen mit sehr alten Solarmodulen deuten aber darauf hin, dass der Degradationsprozess ab einem gewissen Anlagealter (typischerweise über 30 Jahre) in einen beschleunigten Zerfallsprozess übergeht. Eine Betriebsdauer von über 40 Jahren erscheint deshalb kaum als realistisch. Man sollte eher von einer auf Markterhebungen basierenden mittleren Lebensdauer eines PV-Moduls von 33 Jahren ausgehen.[4]
Langzeit-Meteodaten
Die Schweiz verfügt im internationalen Vergleich über ein einzigartig dichtmaschiges Netz an Meteostationen.[5] Dazu gehört SwissMetNet, das Messnetz von MeteoSchweiz, das ca. 160 automatische Messstationen zählt. Diese Stationen liefern alle zehn Minuten viele Daten zu Wetter und Klima. Im Raum Mont-Soleil bieten sich beispielsweise die drei Stationen La Frétaz, La Chaux-de-Fonds und Chasseral an, um – zusammen mit den lokal auf dem Mont-Soleil erhobenen Meteodaten – robuste Langzeitkorrelationen mit den Betriebsdaten des Sonnenkraftwerks durchzuführen. Dabei ist es selbstverständlich zwingend, dass über die ganze Zeitreihe mit der gleichen anerkannten Methodik vorgegangen wird, wie dies auf dem Mont-Soleil mit dem umfassenden klimatologischen Grundlagenwerk zur Sonnenenergienutzung «Meteonorm» [6, 7] schon immer getan wurde.
Klimatologie auf dem Mont-Soleil
Die Sonneneinstrahlung nimmt bereits seit Jahrzehnten kontinuierlich zu. Dieser Trend, der an vielen Orten in Europa zu beobachten und der auch als «Global Brightening» [8] bekannt ist, wird zu höheren PV-Erträgen führen. Als Hauptgrund gilt die Abnahme der Luftverschmutzung. Der Trend zeigt sich auch an drei nahe dem Mont-Soleil gelegenen Wetterstationen der MeteoSchweiz (Tabelle 1).

Die Trockenheit hat in den letzten 40 Jahren deutlich zugenommen. Bild 1 zeigt den Verlauf der Tage mit einem Trockenheitsindex für den Wald ETA/ETP (aktuelle/potenzielle Verdunstung) unter 0,8 in einem Waldstück am Südhang des Mont-Soleil (Forêt du Droit). Ein Wert unter 0,8 bedeutet, dass Bäume aufgrund von Trockenheit eine eingeschränkte Verdunstung aufweisen.

Der ETA/ETP-Wert hängt von der Witterung ab: Sonniges, warmes und trockenes Wetter senkt den Wert. Tiefere Werte können wiederum die Bildung lokaler konvektiver Bewölkung verringern und zu mehr Sonneneinstrahlung und Trockenheit führen. Das Phänomen ist also selbstverstärkend.
Der PV-Ertrag der Mont-Soleil-Anlage zeigt aber praktisch keinen Trend (Bild 2). Wahrscheinlich kompensieren sich die Degradation der Anlage und die Zunahme der solaren Einstrahlung teilweise. Von 2002 bis 2020, für welche auch lokale Messungen vorhanden sind, hat die Produktion um 2,17% pro Dekade abgenommen. Die Degradation betrug 4,1% pro Dekade.
Mögliche Einflüsse des Lockdowns im Frühjahr 2020
Grosswetterlagen: Im Frühjahr 2020 war die Wetterlage persistent von blockierenden Hochdrucksystemen «Omega-Lage» beeinflusst (Bild 3).
Zur langfristigen Einordnung von blockierenden Wetterlagen wird häufig der «Blocking Index» verwendet.[9] Ein langfristiger Trend dieses Index und damit der blockierenden Wetterlagen ist allerdings im Gebiet des Mont-Soleil nicht ersichtlich. Es scheint sich eine leichte Zunahme von längeren Schönwetterperioden (hier mindestens 5 Tage mit Globalstrahlung/Clearsky-Strahlung ≥ 0,75) abzuzeichnen (Bild 4), welche in einem möglichen Zusammenhang mit stabilen Wetterlagen stehen können.
Die Aerosol Optische Dicke (AOD) ist ein Mass für den Strahlungstransfer durch die Atmosphäre der Erde. Die AOD gibt an, wie viel direktes Sonnenlicht durch in der Atmosphäre vorhandene Partikel gestreut oder absorbiert wird. Insofern eignet sich die AOD als Indikator für den Einfluss von Luftverschmutzung auf die Direktstrahlung.

Satellitenbasierte Messungen der AOD [10] der letzten zwei Dekaden zeigen einen klar abnehmenden Trend der atmosphärischen Trübung. Verringerte Schadstoffemissionen zeigen sich vor allem in dicht besiedelten Gebieten, so dass im Gebiet Mont-Soleil die Luftverschmutzung – mit Ausnahme der Ozonbelastung – deshalb eher gering ist, was auch durch die nächstgelegene langjährige Luftreinhalte-Messstation des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (Nabel) [5] auf dem Chaumont (oberhalb von Neuenburg) bestätigt wird. Im Jahr 2020 zeigten sich keine signifikant niedrigeren Schadstoffwerte. Die via Satellit bestimmten Aerosol-Werte über dem Mont-Soleil lagen hingegen etwas tiefer als in den früheren Jahren (Bild 5). Wie stark sich die lokalen Emissionen von Aerosolen auf die regionale AOD auswirken, hängt auch sehr stark von den vorherrschenden Witterungsbedingungen ab.

Der Flugverkehr ging während des Lockdowns – und auch danach – massiv zurück. Gemäss dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) waren zeitweise 90% weniger Kondensstreifen vorhanden.[11] Ihr Rückgang ist aber in den Messungen der Globalstrahlung auf dem Chasseral nicht zweifelsfrei erkennbar (Bild 6). Die Bildung von Kondensstreifen ist jedoch auch stark abhängig von den atmosphärischen Bedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit). Die Abnahme im Flugverkehr zeichnet sich somit nicht unbedingt direkt in der gemessenen Strahlung ab.

CO2-Fluss-Messungen in Städten zeigen einen klaren Einfluss des Lockdowns auf die lokalen Emissionen.[12] Dies hat aber (fast) keinen Effekt auf den regionalen und globalen CO2-Haushalt, widerspiegelt jedoch deutlich den Rückgang der motorisierten Mobilität während des Lockdowns. Im Gegensatz zu den Aerosolen hat die CO2-Konzentration keinen direkten Einfluss auf die solare Einstrahlung, da die Atmosphäre trotz der Treibhausgase weitgehend transparent ist für die kurzwellige solare Einstrahlung. Der Treibhauseffekt entsteht letztlich erst dadurch, dass die Atmosphäre mit den Treibhausgasen wenig transparent ist für die langwellige Infrarotstrahlung, die von der warmen Erdoberfläche und von der erwärmten Luft emittiert wird. Zudem finden indirekte Effekte von CO2 als Treibhausgas erst über längere klimatologische Zeiträume statt.
Fazit
Die Korrelation der Daten aus dem langjährigen Betrieb des Sonnenkraftwerks Mont-Soleil mit den entsprechenden Meteodaten ergab wertvolle Erkenntnisse.
Aus der Klimatologie der solaren Einstrahlung zeichnet sich bereits seit Jahrzehnten ein steigender Trend ab. Dieser Trend ist an vielen Orten in Europa zu beobachten und ist auch als «Global Brightening» bekannt. Als Hauptgrund gilt die Abnahme der Luftverschmutzung.
Die Trockenheit im Mont-Soleil-Gebiet nimmt stetig zu. Die verringerte Verdunstung durch die Vegetation kann die lokale konvektive Wolkenbildung verringern und zu mehr Sonneneinstrahlung führen.
Die PV-Produktion der Anlage Mont-Soleil zeigt nur einen kleinen negativen Trend. Sehr wahrscheinlich kompensieren sich teilweise die Degradation der Anlage und die Zunahme der solaren Einstrahlung.
Die CO2-Konzentration hat im Gegensatz zu den Aerosolen keinen direkten Einfluss auf die solare Einstrahlung, da die Atmosphäre trotz der Treibhausgase weitgehend transparent ist für die ankommende kurzwellige solare Einstrahlung.
Die anfänglich geäusserte Vermutung, dass die hohen Produktionszahlen des Sonnenkraftwerks Mont-Soleil im Jahr 2020 möglicherweise mit dem im Frühjahr verhängten Lockdown zusammenhängen, konnte mit unserer Analyse nicht bestätigt werden.
Ausblick auf Swiss Energypark
Die erfolgreiche Langzeitkorrelation von Betriebs- mit Meteodaten bestärkt die Gesellschaft Mont-Soleil in ihrer Schwerpunktsetzung bei der Forschungsarbeit.[13] Sie legt zudem nahe, diese Methodik in Zukunft ebenfalls auf die Wind- und Wasserkraft im Swiss Energypark [14] anzuwenden. Dieser umfasst das Gebiet zwischen Saint-Imier (BE) und Le Noirmont (JU), in welchem neue Energietechnologien in das bestehende Energiesystem eingebaut und praxisnah getestet werden. Das Gebiet, das auf einer Fläche von 282 km2 knapp 20’800 Einwohner zählt, eignet sich dazu besonders gut, weil dort fluktuierende Photovoltaikanlagen und Windkraftwerke sowie konstant produzierende Wasserkraftwerke vorhanden sind.
Die Region des Swiss Energyparks verzeichnete im Jahr 2020 einen Produktionsrekord von 127 GWh regional und dezentral erzeugter erneuerbarer Elektrizität und kam damit im Jahressaldo auf eine Stromautonomie von 86%. Im Gebiet des Swiss Energyparks liegen das grösste schweizerische Windkraftwerk der Juvent SA sowie das grösste Wasserkraftwerk im Kanton Jura und Berner Jura der Société des Forces Electriques de La Goule SA, von denen, gleich wie für das Sonnenkraftwerk Mont-Soleil, robuste Langzeitdaten vorliegen. Diese können mit den entsprechenden Datenreihen von regionalen Meteostationen korreliert werden, um einerseits detaillierte Hinweise zu den meteorologischen Einflüssen auf die einzelnen Energieträger zu erhalten und andererseits, um das Zusammenspiel der einzelnen Energieträger noch effizienter organisieren zu können.
Referenzen
[1] www.societe-mont-soleil.ch
[2] R. Minder, «Das Solarkraftwerk Phalk Mont-Soleil: Betriebserfahrungen und erste Bilanz»,
Bulletin SEV/VSE 10/1993.
[3] H. Häberlin, C. Beutler, «Analyse des Betriebsverhaltens von Photovoltaikanlagen durch normierte Darstellung von Energieertrag und Leistung»,
Bulletin SEV/VSE 4/1995.
[4] T. Hostettler (im Auftrag des BFE und von Swissolar), «Markterhebung Sonnenenergie 2019 – Teilstatistik der Schweizerischen Statistik der erneuerbaren Energien», Juli 2020.
[5] www.meteoschweiz.ch
[6] J. Remund, E. Salvisberg, S. Kunz (im Auftrag des BFE), «Meteonorm – Meteorologische Grundlagen für die Sonnenenergienutzung», 1995.
[7] www.meteonorm.com
[8] M. Wild, «Enlightening Global Dimming and Brightening», Bulletin of the American Meteorological Society, Volume 93, Issue 1, Jan 2012.
[9] S. Tibaldi, F. Molteni, «On the operational predictability of blocking», Tellus A, Volume 42, 1990.
[10] A. Lyapustin, Y. Wang, «MCD19A2 MODIS/Terra+Aqua Land Aerosol Optical Depth Daily L2G Global 1 km SIN Grid V006», distributed by NASA EOSDIS Land Processes DAAC, 2018.
[11] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, «Bis zu 90 Prozent weniger Kondensstreifen infolge des verminderten Flugverkehrs», 20. Mai 2020.
[12] Integrated Carbon Observation System ICOS, «ICOS study shows clear reduction in urban CO2 emissions as a result of Covid-19 lockdown», Media release 13 May 2020.
[13] J. Vollenweider, «PV-Forschung auf dem Mont-Soleil», Bulletin SEV/VSE 10/2019.
[14] www.swiss-energypark.ch
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