Fachartikel Erneuerbare Energien

Erhöht eine Pandemie den PV-Ertrag?

Langzeitkorrelation mit Meteorologie

27.09.2021

Die Photovoltaik entwickelt sich zu einer tragenden Säule der Strom­versorgung. Es lohnt sich deshalb, die Wetter­einflüsse auf den PV-Ertrag zu untersuchen, um Business­pläne zu verfeinern oder die Vernetzung mit anderen Energie­trägern zu optimieren. Langjährige Betriebsdaten des Sonnen­kraftwerks Mont-Soleil wurden dazu mit Meteodaten korreliert.

Die vorliegende Unter­suchung wurde durch die Vermutung ausgelöst, dass die über­durch­schnittliche Jahres­produktion 2020 des Sonnen­kraft­werks Mont-Soleil oberhalb von Saint-Imier (BE) mit dem Lockdown zusammen­hängen könnte, der aufgrund der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 verhängt wurde. Besonders die stark eingeschränkte Mobilität der Schweizer Bevöl­kerung und die damit verbun­denen geringeren Emissionen von Aerosolen wurden als möglicher Grund für eine erhöhte solare Einstrahlung genannt. Zur Überprüfung dieser Hypothese und ganz allgemein zur Erforschung der meteorologischen Einflüsse auf den PV-Ertrag wurde eine 28-jährige Zeitreihe der Betriebsdaten des Sonnen­kraftwerks Mont-Soleil mit den entspre­chenden Meteodaten korreliert und untersucht.

Langzeitmessungen

Als die Gesellschaft Mont-Soleil [1] ihr Sonnen­kraft­werk 1992 in Betrieb nahm, war es mit einer Nennleistung von 560 kW europaweit die grösste PV- Anlage. 1993 konnte eine erste, sehr positive Bilanz gezogen werden.[2] Im Zentrum des Interesses standen dabei die Solarmodule (Siemens M55) und der von ABB für den Mont-Soleil gebaute selbstgeführte Pulsweiten­modu­lations­Wechselrichter. Diese beiden Baugruppen beanspruchten mehr als die Hälfte der damaligen Bausumme von 8,4 Mio. CHF und beeinflussten damit die Wirtschaftlichkeit des Sonnen­kraft­werks am meisten.

Auch das Langzeitverhalten hat sich stark auf die Wirtschaftlichkeit und die Ökobilanz des Sonnen­kraft­werks ausgewirkt. Um dies zu erforschen, pflegt die Gesellschaft einen engen Kontakt mit dem Labor für PV-Systeme an der Berner Fachhochschule (BFH) in Burgdorf, wo auch die Systematik für die Langzeit­untersuchung entwickelt wurde.[3] Diese Datenauswertung erlaubt eine detaillierte Analyse von sporadischen Fehlfunktionen wie Fehlern des Maximum-Power-Point-Tracking beim Wechselrichter, Beschattung oder Schnee­bedeckung des Generators usw.

Bezüglich des Langzeitverhaltens lässt die ursprünglich gemessene jährliche Produktionsabnahme von durchschnittlich 0,06% zunächst eine sehr hohe Lebensdauer der Solarmodule (über 40 Jahre) erhoffen. Erfahrungen mit sehr alten Solarmodulen deuten aber darauf hin, dass der Degradationsprozess ab einem gewissen Anlagealter (typischerweise über 30 Jahre) in einen beschleunigten Zerfallsprozess übergeht. Eine Betriebsdauer von über 40 Jahren erscheint deshalb kaum als realistisch. Man sollte eher von einer auf Markt­erhebungen basierenden mittleren Lebensdauer eines PV-Moduls von 33 Jahren ausgehen.[4]

Langzeit-Meteodaten

Die Schweiz verfügt im internationalen Vergleich über ein einzigartig dichtmaschiges Netz an Meteostationen.[5] Dazu gehört SwissMetNet, das Messnetz von MeteoSchweiz, das ca. 160 automatische Messstationen zählt. Diese Stationen liefern alle zehn Minuten viele Daten zu Wetter und Klima. Im Raum Mont-Soleil bieten sich beispielsweise die drei Stationen La Frétaz, La Chaux-de-Fonds und Chasseral an, um – zusammen mit den lokal auf dem Mont-Soleil erhobenen Meteodaten – robuste Langzeitkorrelationen mit den Betriebsdaten des Sonnen­kraft­werks durchzuführen. Dabei ist es selbst­verständlich zwingend, dass über die ganze Zeitreihe mit der gleichen anerkannten Methodik vorgegangen wird, wie dies auf dem Mont-Soleil mit dem umfassenden klimatologischen Grund­lagenwerk zur Sonnen­energie­nutzung «Meteonorm» [6, 7] schon immer getan wurde.

Klimatologie auf dem Mont-Soleil

Die Sonneneinstrahlung nimmt bereits seit Jahrzehnten kontinuierlich zu. Dieser Trend, der an vielen Orten in Europa zu beobachten und der auch als «Global Brightening» [8] bekannt ist, wird zu höheren PV-Erträgen führen. Als Hauptgrund gilt die Abnahme der Luft­ver­schmut­zung. Der Trend zeigt sich auch an drei nahe dem Mont-Soleil gelegenen Wetterstationen der MeteoSchweiz (Tabelle 1).

Die Trockenheit hat in den letzten 40 Jahren deutlich zugenommen. Bild 1 zeigt den Verlauf der Tage mit einem Trocken­heits­index für den Wald ETA/ETP (aktuelle/potenzielle Verdunstung) unter 0,8 in einem Waldstück am Südhang des Mont-Soleil (Forêt du Droit). Ein Wert unter 0,8 bedeutet, dass Bäume aufgrund von Trockenheit eine eingeschränkte Verdunstung aufweisen.

Der ETA/ETP-Wert hängt von der Witterung ab: Sonniges, warmes und trockenes Wetter senkt den Wert. Tiefere Werte können wiederum die Bildung lokaler konvektiver Bewölkung verringern und zu mehr Sonnen­einstrahlung und Trockenheit führen. Das Phänomen ist also selbstverstärkend.

Der PV-Ertrag der Mont-Soleil-Anlage zeigt aber praktisch keinen Trend (Bild 2). Wahrscheinlich kompensieren sich die Degradation der Anlage und die Zunahme der solaren Einstrahlung teilweise. Von 2002 bis 2020, für welche auch lokale Messungen vorhanden sind, hat die Produktion um 2,17% pro Dekade abgenommen. Die Degradation betrug 4,1% pro Dekade. 

Mögliche Einflüsse des Lockdowns im Frühjahr 2020

Grosswetterlagen: Im Frühjahr 2020 war die Wetterlage persistent von blockierenden Hochdrucksystemen «Omega-Lage» beeinflusst (Bild 3).

Zur langfristigen Einordnung von blockierenden Wetterlagen wird häufig der «Blocking Index» verwendet.[9] Ein langfristiger Trend dieses Index und damit der blockierenden Wetterlagen ist allerdings im Gebiet des Mont-Soleil nicht ersichtlich. Es scheint sich eine leichte Zunahme von längeren Schön­wetter­perioden (hier mindestens 5 Tage mit Global­strahlung/Clearsky-Strahlung ≥ 0,75) abzuzeichnen (Bild 4), welche in einem möglichen Zusammenhang mit stabilen Wetterlagen stehen können.

Die Aerosol Optische Dicke (AOD) ist ein Mass für den Strahlungs­transfer durch die Atmosphäre der Erde. Die AOD gibt an, wie viel direktes Sonnenlicht durch in der Atmosphäre vorhandene Partikel gestreut oder absorbiert wird. Insofern eignet sich die AOD als Indikator für den Einfluss von Luft­verschmut­zung auf die Direktstrahlung.

Satellitenbasierte Messungen der AOD [10] der letzten zwei Dekaden zeigen einen klar abnehmenden Trend der atmosphärischen Trübung. Verringerte Schadstoffemissionen zeigen sich vor allem in dicht besiedelten Gebieten, so dass im Gebiet Mont-Soleil die Luft­ver­schmut­zung – mit Ausnahme der Ozonbelastung – deshalb eher gering ist, was auch durch die nächst­gelegene langjährige Luftrein­halte-Messstation des Nationalen Beobach­tungs­netzes für Luftfremdstoffe (Nabel) [5] auf dem Chaumont (oberhalb von Neuenburg) bestätigt wird. Im Jahr 2020 zeigten sich keine signifikant niedrigeren Schad­stoff­werte. Die via Satellit bestimmten Aerosol-Werte über dem Mont-Soleil lagen hingegen etwas tiefer als in den früheren Jahren (Bild 5). Wie stark sich die lokalen Emissionen von Aerosolen auf die regionale AOD auswirken, hängt auch sehr stark von den vorherr­schenden Witterungs­bedingungen ab.

Der Flugverkehr ging während des Lockdowns – und auch danach – massiv zurück. Gemäss dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) waren zeitweise 90% weniger Kondensstreifen vorhanden.[11] Ihr Rückgang ist aber in den Messungen der Globalstrahlung auf dem Chasseral nicht zweifelsfrei erkennbar (Bild 6). Die Bildung von Kondensstreifen ist jedoch auch stark abhängig von den atmosphärischen Bedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit). Die Abnahme im Flugverkehr zeichnet sich somit nicht unbedingt direkt in der gemessenen Strahlung ab.

CO2-Fluss-Messungen in Städten zeigen einen klaren Einfluss des Lockdowns auf die lokalen Emissionen.[12] Dies hat aber (fast) keinen Effekt auf den regionalen und globalen CO2-Haushalt, widerspiegelt jedoch deutlich den Rückgang der motorisierten Mobilität während des Lockdowns. Im Gegensatz zu den Aerosolen hat die CO2-Konzentration keinen direkten Einfluss auf die solare Einstrahlung, da die Atmosphäre trotz der Treibhaus­gase weitgehend transparent ist für die kurz­wellige solare Einstrahlung. Der Treibhauseffekt entsteht letztlich erst dadurch, dass die Atmosphäre mit den Treib­haus­gasen wenig transparent ist für die lang­wellige Infrarot­strah­lung, die von der warmen Erd­oberfläche und von der erwärmten Luft emittiert wird. Zudem finden indirekte Effekte von CO2 als Treibhausgas erst über längere klima­to­logische Zeiträume statt.

Fazit

Die Korrelation der Daten aus dem langjährigen Betrieb des Sonnen­kraft­werks Mont-Soleil mit den entspre­chenden Meteo­daten ergab wertvolle Erkenntnisse.

Aus der Klimatologie der solaren Ein­strah­lung zeichnet sich bereits seit Jahr­zehnten ein steigender Trend ab. Dieser Trend ist an vielen Orten in Europa zu beo­bachten und ist auch als «Global Brightening» bekannt. Als Haupt­grund gilt die Abnahme der Luft­ver­schmut­zung.

Die Trocken­heit im Mont-Soleil-Gebiet nimmt stetig zu. Die verrin­gerte Verdunstung durch die Vegetation kann die lokale kon­vektive Wolken­bildung verringern und zu mehr Sonnen­ein­strahlung führen.

Die PV-Produktion der Anlage Mont-Soleil zeigt nur einen kleinen negativen Trend. Sehr wahr­scheinlich kompen­sieren sich teilweise die Degradation der Anlage und die Zunahme der solaren Einstrahlung.

Die CO2-Konzen­tration hat im Gegensatz zu den Aerosolen keinen direkten Einfluss auf die solare Einstrahlung, da die Atmosphäre trotz der Treib­hausgase weitgehend trans­parent ist für die ankom­mende kurzwellige solare Einstrahlung.

Die anfänglich geäusserte Vermutung, dass die hohen Produk­tions­zahlen des Sonnen­kraft­werks Mont-Soleil im Jahr 2020 möglicher­weise mit dem im Frühjahr verhängten Lockdown zusammen­hängen, konnte mit unserer Analyse nicht bestätigt werden.

Ausblick auf Swiss Energypark

Die erfolgreiche Langzeit­korre­lation von Betriebs- mit Meteodaten bestärkt die Gesellschaft Mont-Soleil in ihrer Schwer­punkt­setzung bei der Forschungsarbeit.[13] Sie legt zudem nahe, diese Methodik in Zukunft ebenfalls auf die Wind- und Wasserkraft im Swiss Energypark [14] anzuwenden. Dieser umfasst das Gebiet zwischen Saint-Imier (BE) und Le Noirmont (JU), in welchem neue Energie­techno­logien in das bestehende Energiesystem eingebaut und praxisnah getestet werden. Das Gebiet, das auf einer Fläche von 282 km2 knapp 20’800 Einwohner zählt, eignet sich dazu besonders gut, weil dort fluktuierende Photo­voltaik­anlagen und Wind­kraft­werke sowie konstant produzierende Wasser­kraft­werke vorhanden sind.

Die Region des Swiss Energyparks verzeichnete im Jahr 2020 einen Produk­tions­rekord von 127 GWh regional und dezentral erzeugter erneuerbarer Elektrizität und kam damit im Jahressaldo auf eine Strom­autonomie von 86%. Im Gebiet des Swiss Energyparks liegen das grösste schweizerische Windkraftwerk der Juvent SA sowie das grösste Wasserkraftwerk im Kanton Jura und Berner Jura der Société des Forces Electriques de La Goule SA, von denen, gleich wie für das Sonnen­kraft­werk Mont-Soleil, robuste Langzeit­daten vorliegen. Diese können mit den entsprechenden Datenreihen von regionalen Meteo­stationen korreliert werden, um einerseits detaillierte Hinweise zu den meteo­rologi­schen Einflüssen auf die einzelnen Energieträger zu erhalten und andererseits, um das Zusam­men­spiel der einzelnen Energieträger noch effizienter organisieren zu können.

Referenzen

[1] www.societe-mont-soleil.ch

[2] R. Minder, «Das Solarkraftwerk Phalk Mont-Soleil: Betriebserfahrungen und erste Bilanz»,
Bulletin SEV/VSE 10/1993.

[3] H. Häberlin, C. Beutler, «Analyse des Betriebsverhaltens von Photovoltaikanlagen durch normierte Darstellung von Energieertrag und Leistung»,
Bulletin SEV/VSE 4/1995.

[4] T. Hostettler (im Auftrag des BFE und von Swissolar), «Markterhebung Sonnenenergie 2019 – Teilstatistik der Schweizerischen Statistik der erneuerbaren Energien», Juli 2020.

[5] www.meteoschweiz.ch

[6] J. Remund, E. Salvisberg, S. Kunz (im Auftrag des BFE), «Meteonorm – Meteorologische Grundlagen für die Sonnenenergienutzung», 1995.

[7] www.meteonorm.com

[8] M. Wild, «Enlightening Global Dimming and Brightening», Bulletin of the American Meteorological Society, Volume 93, Issue 1, Jan 2012.

[9] S. Tibaldi, F. Molteni, «On the operational predictability of blocking», Tellus A, Volume 42, 1990.

[10] A. Lyapustin, Y. Wang, «MCD19A2 MODIS/Terra+Aqua Land Aerosol Optical Depth Daily L2G Global 1 km SIN Grid V006», distributed by NASA EOSDIS Land Processes DAAC, 2018.

[11] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, «Bis zu 90 Prozent weniger Kondensstreifen infolge des verminderten Flugverkehrs», 20. Mai 2020.

[12] Integrated Carbon Observation System ICOS, «ICOS study shows clear reduction in urban CO2 emissions as a result of Covid-19 lockdown», Media release 13 May 2020.

[13] J. Vollenweider, «PV-Forschung auf dem Mont-Soleil», Bulletin SEV/VSE 10/2019.

[14] www.swiss-energypark.ch

Autor
Dr. Jakob Vollenweider

ist verantwortlich für Technologie und Entwicklung der Gesellschaft Mont-Soleil.

  • Gesellschaft Mont-Soleil
    2610 Saint-Imier
Autor
Jan Remund

ist Leiter Energie & Klima bei Meteotest AG.

  • Meteotest AG
    3012 Bern
Autor
Dr. Michael Schmutz

ist Leiter Energie & Klima bei Meteotest AG.

  • Meteotest AG
    3012 Bern

Kommentare

Bitte rechnen Sie 7 plus 9.