Ergebnisbeurteilung und deren Risiken
Spartenorganisation
Um grosse Unternehmen effizient steuern zu können, werden sie in kleinere Einheiten eingeteilt. Zwischen diesen Einheiten finden unternehmensintern Verrechnungen statt, welche – je nach Ausprägung – unterschiedlichen Einfluss auf die Spartenergebnisse haben können.
Je grösser ein Unternehmen, desto schwieriger gestaltet sich die zentrale Steuerung. Aufgaben, Kompetenzen und auch die finanzielle Verantwortung werden delegiert, es werden ergebnisverantwortliche Bereiche definiert. Man spricht von einer Spartenorganisation. In einer solchen gibt es auch interne Dienstleister. Es stellt sich damit die Frage nach der Verrechnung dieser Leistungen innerhalb der Organisationsstruktur sowie der Preisbildung und den Konsequenzen in der Beurteilung der ergebnisverantwortlichen Bereiche.
In der folgenden Betrachtung der Spartenorganisation in der Elektrizitätswirtschaft liegt der Fokus auf der internen Verrechnung und deren Einfluss auf die Beurteilung der Spartenergebnisse und nicht auf der aktuellen Situation mit regulierten, nicht liberalisierten Strommärkten und den entsprechenden Konsequenzen auf die Unternehmensergebnisse.
Die Struktur einer Spartenorganisation
Eine Sparte (auch Profit-Center, Geschäftsbereich, Geschäftsfeld, Geschäftssegment, Business Unit oder Division genannt) ist ein teilautonomer Bereich des Unternehmens mit Aussenumsatz. Die Leistungserstellung ist klar abgrenzbar zu den anderen Sparten. Eine Sparte kann rechtlich selbständig oder ein Teil des Unternehmens sein. Die Definition der Dimension einer Sparte kann ganz unterschiedlich sein: Produkt, Kunde, Region, Absatzkanal etc.
Service Center erbringen interne Dienstleistungen innerhalb der Spartenorganisation und können diese Leistung mit Menge mal Preis verrechnen (Angebots- und Nachfrageprinzip). Zum Teil wird zur Optimierung der Auslastung auch Aussenumsatz erzielt. Beispiele dafür sind die Produktion, Informatik, Logistik etc.
Cost Center erbringen Basisdienstleistungen innerhalb der Spartenorganisation, deren Weiterverrechnung nicht sinnvoll oder zu aufwendig ist. Diese Kosten werden häufig mit Umlageschlüsseln auf Service Center und Sparten verteilt (zum Beispiel Geschäftsleitung, Finanzen, Personal etc.).[1]
Leistungsverrechnung innerhalb der Spartenorganisation
Bei einer Leistungsverrechnung innerhalb des Unternehmens von einer Kostenstelle zu einer anderen spricht man von interner Leistungsverrechnung (ILV). Wird eine Leistung innerhalb der Unternehmensgruppe von Gesellschaft zu Gesellschaft verrechnet, spricht man vom Verrechnungspreis.
Wie sieht die Organisationsstruktur eines Energieversorgers im folgenden Fallbeispiel (Bild oben) aus?
Die Definition der Kostenumlage und des Preises in der Leistungsverrechnung spielt eine entscheidende Rolle bei der Ergebnisermittlung und -beurteilung in der Spartenrechnung. In einer Spartenorganisation gibt es drei Problembereiche bei der Leistungsverrechnung:
- die Kostenaufschlagsmethode bei der Preisbildung (Vollkostenrechnung),
- der Zielkonflikt bei Verrechnungspreissystemen,
- der Homo oeconomicus in einem Angebots- und Nachfragesystem.
Die Kostenaufschlagsmethode bei der Preisbildung
Bei der internen Leistungsverrechnung sowie bei den Verrechnungspreisen werden häufig Vollkostenansätze verwendet. So werden Cost-Center-Kosten über Umlagen oder Gemeinkostenzuschläge in die Verrechnungspreise einkalkuliert. Sowohl Umlagen als auch Zuschläge waren und sind nie korrekt, egal wie man diese definiert.
Im Fallbeispiel werden je nach Definition des Umlageschlüssels des Cost Centers (Variante 1 oder Variante 2, siehe Bild oben) die totalen Kosten des Service Centers «Produktion & Übertragung» und der Kostensatz pro kWh sowie die Ergebnisse der beiden Sparten Handel und Vertrieb beeinflusst.
Ebenso werden die Ineffizienzen des Cost Centers, des Service Centers sowie jene der Sparte Handel an die Sparte Vertrieb weiterverrechnet. Mit der Veränderung des Umlageschlüssels ist auch die Möglichkeit der Manipulation der Spartenergebnisse gegeben.
Die Geschäftsleitung definiert eine fixe Marge von 0.015 Fr. pro kWh für die Verkäufe der Sparte Handel an die Sparte Vertrieb (in der Folge immer mit Variante 1 der Umlage). Die Verkaufspreise der Sparte Handel in den freien Strommarkt werden durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Bei der isolierten Betrachtung der Spartenergebnisse in der Unternehmensgruppe besteht das Risiko der Fehlsteuerung (Bild unten).
Die Entwicklung des Ergebnisses der Sparte Handel im Ist in der Erfolgsrechnung ist positiv, während die Sparte Vertrieb ein schlechteres Ergebnis als geplant ausweist, obwohl die Menge der verkauften kWh höher als geplant ist: Der Verkaufspreis konnte nicht gehalten werden.
Die Sparte Handel weist einen «Monopoly-Gewinn» mit einem höheren Ergebnis als geplant aus (dominanter interner, errechneter «Gewinn»), während die Sparte Vertrieb dem Druck des Marktes ausgesetzt ist.
Der Zielkonflikt bei Verrechnungspreissystemen
Jedes Unternehmen muss langfristig einen Gewinn ausweisen. Das heisst, dass steuer- und handelsrechtlich selbständige Einheiten innerhalb einer Unternehmensgruppe ihre Leistungen so zu verrechnen haben, dass ein Gewinn erzielt wird. Die Unternehmensgruppe nutzt die Verrechnungspreise auch dazu, die Ergebnisse der einzelnen Firmen zu beeinflussen respektive zu optimieren.
Auf der anderen Seite soll ein Verrechnungspreissystem in einer Unternehmensgruppe durch ein Angebots- und Nachfragesystem zu betriebswirtschaftlich korrekten Entscheidungen und damit zur Optimierung des konsolidierten Gruppenergebnisses führen (Koordinations- und Anreizgestaltungsfunktion). Zur Abbildung beider Bedürfnisse müssten theoretisch zwei Verrechnungspreise im System geführt werden (sogenannte Mehr-Kreis-Systeme), jeweils für die finanzbuchhalterische (zum Beispiel ein Vollkostensatz mit Risiko- und Gewinnzuschlag) und managementorientierte Betrachtungsweise (ohne verrechnete Umlagen, Gemeinkostenzuschläge, Ineffizienzen und Risiko- und Gewinnmarge). In der Praxis werden aus Komplexitäts- und Kostengründen Ein-Kreis-Systeme mit dem steuer- und handelsrechtlich korrekten Verrechnungspreis eingesetzt.[2]
Damit wird auch im Management Reporting ohne entsprechende Korrekturmassnahmen ein Verrechnungspreis ausgewiesen, der zwar steuer- und handelsrechtlich korrekt ist, aber aus Sicht der finanziellen Führung zu Fehlentscheidungen führen kann.
Der Homo oeconomicus...
Ist ein Profit-Center-Leiter, der aufgrund des hohen internen Verrechnungspreises für die Nutzung eines sonst leerstehenden Besprechungsraums seines Unternehmens auf einen externen Hotelraum für die geplante Besprechung ausweicht,…
- …dumm, weil er nicht realisiert, dass dies zu unnötigen Auszahlungen an das Hotel führt und damit die Liquiditätssituation des Gesamtunternehmens schwächt, während gleichzeitig der interne Besprechungsraum leer steht oder…
- …clever, weil er damit sein eigenes Profit-Center-Ergebnis, welches nicht zwischen internen Verrechnungen und externen Auszahlungen unterscheidet, verbessert oder…
- …unternehmerisch, weil er durch seine Handlung der internen Gebäudeverwaltung aufzeigt, dass sie die Kosten reduzieren muss?[3]
Daniel Kahneman, ein israelisch-amerikanischer Psychologe, der an der Princeton University lehrte und der 2002 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, sagt, dass der rationale Mensch, der seine Entscheidungen auf der Grundlage von Informationen so trifft, dass Kosten minimiert und der Nutzen für ihn maximiert wird, so nicht existiere (Homo oeconomicus). Er vereinigte die aus der Psychologie bekannten Phänomene mit den ökonomischen Entscheidungsproblemen (behavioral economics) und stellte aufgrund seiner Untersuchungen unter anderem fest, dass
- erwartete Verluste doppelt so schwer gewichtet werden wie erwartete Gewinne (Verlustaversion),
- generell der Status quo bevorzugt wird,
- zwei objektiv gleichwertige Alternativen aufgrund der jeweiligen Formulierung subjektiv völlig unterschiedlich bewertet werden können (semantisches Framing),
- man sich bei Entscheidungen automatisch an einem Bezugspunkt orientiert und die Attraktivität von Alternativen relativ zu diesem Punkt einordnet.
Der ökonomische Effekt von internen Leistungsverrechnungen und Verrechnungspreisen ist damit zu hinterfragen (Koordinations- und Anreizgestaltungsfunktion). Zudem dürfen die Kosten in der Anwendung eines komplexen Verrechnungspreissystems nicht unterschätzt werden.
Lösungsansätze
Einführung einer Teilkostenrechnung: Die Kosten des Unternehmens werden in ihre variablen und fixen Kostenbestandteile aufgeteilt. Variable Kosten sind die Kosten, welche direkt und unmittelbar in das Produkt respektive die Dienstleistung eingehen wie Material, Fremdleistungen und Arbeitsleistung. Im Gegensatz dazu sind fixe Kosten nicht direkt und ursächlich notwendig, damit das Produkt, die Dienstleistung entstehen kann. Beispiele hierfür sind die Kosten des Einkaufs, des Vertriebs, der Buchhaltung, der Geschäftsleitung etc.
Ausweis der Spartenergebnisse in Form einer Deckungsbeitragsrechnung: Im Controlling gilt der Grundsatz der Beeinflussbarkeit der Kosten, Erlöse und Ergebnisse durch die Führungskräfte. Die Deckungsbeitragsrechnung erfüllt diese Anforderungen. Falls das Service Center «Produktion & Übertragung» variable Herstellkosten hat (zum Beispiel, wenn Strom zugekauft wird, um Pumpspeicherwerke zu füllen), werden diese in der Planung festgelegt und für das Geschäftsjahr standardisiert. Abweichungen in der Leistungserstellung oder im Einkauf werden da ausgewiesen, wo sie auch beeinflusst werden können, und nicht in die Sparte Handel weiterverrechnet.
Eine Sparte muss am Managementergebnis vor dem verrechneten Fixkostenblock gemessen werden, da diese Ineffizienzen, Auslastungsprobleme, Umlagen, Gemeinkostenzuschläge sowie bei Verrechnungspreisen den Risiko- und Gewinnzuschlag enthalten.
Mit der Einbindung der Sparte Dienstleistungen ergibt sich eine Struktur in der Ergebnisrechnung wie sie im untenstehenden Bild dargestellt wird.
Die Sparten Handel und Vertrieb sind für ihren Deckungsbeitrag II verantwortlich, das Service Center «Produktion & Übertragung» für seinen Fixkostenblock. Die Sparte Dienstleistungen ist für ihren Deckungsbeitrag III verantwortlich, da sämtliche Kostenblöcke in ihrer Beeinflussbarkeit liegen. Das Cost Center «Administration & Verwaltung» ist für seinen Fixkostenblock verantwortlich.
Mit dem Grundsatz der Beeinflussbarkeit liegt der Fokus der Entscheidungen auf der Strategie, dem Markt und dem Kunden – und nicht auf den Vollkosten oder einem buchhalterischen Ergebnis der Sparte. Beispiele zu dieser Denkweise gibt es im Markt immer häufiger: Drucker und Druckerpatrone, Handy und Abonnementskosten etc.
Reduktion und Vereinfachung der internen Leistungsverrechnung/Verrechnungspreise: Da der ökonomische Effekt der Steuerungswirkung der Leistungsverrechnung infrage gestellt werden muss, sollten diese auf das steuerlich notwendige absolute Minimum reduziert werden. So ist zum Beispiel die Verrechnung von Leistungen innerhalb der Unternehmensgruppe über mehrere Hundert Innenaufträge nicht zielführend, kostet im Handling viel Geld, erhöht die Komplexität in der softwaretechnischen Abbildung, reduziert den Nachvollzug der ausgewiesenen Ergebnisse und verhindert damit eine korrekte finanzielle Steuerung.
Referenzen
[1] Deyhle/Eiselmayer/Kleinhietpass, «Controller Praxis», Verlag für ControllingWissen AG, 2016, S. 99ff.
[2] Weber/Stoffel/Kleindienst, «Internationale Verrechnungspreise im Konzern», Wiley-VCH-Verlag, 2004.
[3] Thorsten Truijens, «Legenden der Profit Center Organisation», Zeitschrift für Controlling und Management, 2011, H.3.
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