Energiewelt 2035: Einschätzung bekräftigt
Trendupdate 2021
Das jährliche Trendupdate zu den Energiewelten dient der Identifizierung der neuesten Entwicklungen auf energiewirtschaftlicher, politischer und regulatorischer Ebene sowie einer Abschätzung ihrer Auswirkungen auf die Energiewelt im Jahr 2035.
Das Update im Jahr 2021 zeigt keine grundsätzlichen Veränderungen der bestehenden Einschätzung zur Energiewelt 2035. Die bisherigen Erwartungen werden jedoch mit den vom Bundesamt für Energie veröffentlichten Energieperspektiven 2050+, der vom Bundesrat verabschiedeten «Langfristigen Klimastrategie der Schweiz» und den Eckpunkten zu den Revisionen des Energiegesetzes (EnG) und des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) bekräftigt und präzisiert. Insgesamt ergeben diese Bekräftigungen respektive Neuerungen eine leichte Verschiebung des Energiewelten-Vierecks in Richtung der Local und der Trust World.
Der Bund hat zum ersten Mal die Erwartung einer stark steigenden Stromnachfrage bestätigt. Entsprechend soll der künftige Stromverbrauchszielwert im zu revidierenden EnG nach oben korrigiert werden: Der VSE ist in den letzten Jahren von einer stark steigenden Nachfrage ausgegangen. Diese hat nun auch der Bund aufgrund der für das Netto-null-Ziel erforderlichen verstärkten Elektrifizierung mit den Energieperspektiven 2050+ bestätigt, jedoch sieht der Bundesrat den Stromverbrauchsanstieg deutlich später. Dementsprechend hat er den Zielwert für den durchschnittlichen Stromverbrauch pro Kopf für 2050 gegenüber dem Jahr 2000 von bisher -18 % auf -5 % reduziert. Der Zielwert für 2035 wurde hingegen beibehalten; das Ziel für den durchschnittlichen Stromverbrauch pro Kopf bleibt also bis 2035 unverändert bei -13 % gegenüber 2000. Demzufolge geht der Bundesrat offenbar davon aus, dass erst ab dem Jahr 2035 eine deutliche Elektrifizierung (und damit auch eine vermehrte Sektorkopplung) stattfindet. Die bisherigen Erwartungen werden dadurch bestätigt, und Auswirkungen auf das Energiewelten-Viereck bleiben aus.
Stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und insbesondere der Photovoltaik soll stärker erfolgen als bisher vorgesehen. Der Bundesrat will die Zielwerte für den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2035 und 2050 erhöhen und die Förderung bis ins Jahr 2035 verlängern: Das Gros des Zubaus soll die Photovoltaik stellen, daher ist basierend auf dem höheren Zielwert für das Jahr 2035 mit einer noch stärkeren PV-Durchdringung zu rechnen als bisher angenommen. Im Gegensatz dazu wird der Beitrag der Windenergie in den Energieperspektiven 2050+ deutlich tiefer angesetzt als noch in der Energiestrategie 2050. Da die Zielwerte für den Ausbau der Wasserkraft unverändert bleiben, verschiebt sich das Verhältnis von zentraler und dezentraler Produktion zugunsten von mehr dezentraler Produktion. Der Ausbau soll durch eine Verlängerung bis 2035 und teilweise marktnähere Ausgestaltung der Fördermassnahmen unterstützt werden, die ansonsten 2022 beziehungsweise 2030 auslaufen würden. Diese noch stärker dezentrale (Photovoltaik) und durch Fördermassnahmen unterstützte Stromversorgung bedeutet eine Verschiebung des Energiewelten-Vierecks in Richtung Local World.
Speicherwasserkraft soll um 2 TWh ausgebaut werden
Die Selbstversorgung im Winter, die sich bis 2035 deutlich verschlechtern wird, soll mit einer zusätzlichen Massnahme gestärkt werden: Zur Verbesserung der langfristigen Versorgungssicherheit in den Wintermonaten hat der Bundesrat im Rahmen der Revision des StromVG einen Ausbau der Speicherwasserkraft um 2 TWh bis 2040 vorgeschlagen. Damit soll die Selbstversorgungsfähigkeit von rund 22 Tagen auch nach der Abschaltung der Kernkraftwerke gewährleistet bleiben. Falls das Ausbauziel allein mit der Grosswasserkraft nicht erreicht werden kann, werden andere Technologien in Betracht gezogen, die in kürzerer Zeit realisierbar und sicher abrufbar sowie CO2-neutral sind. Dies ist – neben den bereits vorgeschlagenen Massnahmen eines stärkeren Ausbaus der Erneuerbaren und der auktionierten Energiereserve für Extremsituationen – eine weitere Massnahme, um die Versorgungssicherheit insbesondere in den kritischen Wintermonaten zu verbessern. Andererseits dürften nach der Ablehnung des Rahmenabkommens durch den Bundesrat im Mai 2021 und dem damit in weite Ferne gerückten Stromabkommen mit der EU die Unsicherheiten bezüglich Stromimporten aus den Nachbarländern zunehmen. Dies dürfte sich weiter nachteilig auf die Versorgungssicherheit der Schweiz im Winter auswirken. Die Selbstversorgung erhält dadurch eine höhere Bedeutung. Das hat eine Verschiebung des Energiewelten-Vierecks in Richtung Trust und Local World zur Folge.
Die Rolle der Sektorkopplung
Die zukünftige Rolle der Sektorkopplung in der Schweiz wird klarer skizziert: Aus den Energieperspektiven 2050+ lässt sich nun auch ein klareres Bild seitens Bund zur künftigen Rolle von Wasserstoff in der Schweiz ableiten. Demnach wird davon ausgegangen, dass Wasserstoff wesentlich zur Dekarbonisierung des Schwerverkehrs beitragen wird, allerdings erst ab 2045 in bedeutenderem Ausmass. Der dafür benötigte Wasserstoff soll teils an Laufwasserkraftwerken in der Schweiz hergestellt, mehrheitlich jedoch aus dem Ausland importiert werden. Zudem sollen auch Fernwärme und Erdwärme zur künftigen Energieversorgung beitragen. Dies bestätigt die bisherigen Erwartungen, weshalb eine Auswirkung auf das Energiewelten-Viereck ausbleibt.
Der Datenschutz folgt der Digitalisierung
Schliesslich wird der rasant fortschreitenden Digitalisierung mit strengeren Datenschutzvorgaben Rechnung getragen: Im September 2020 wurde das neue Datenschutzgesetz, welches verschärfte, an die EU angelehnte Regelungen zum Schutz von Daten enthält, vom Parlament verabschiedet. Beispielsweise wurde die Definition besonders schützenswerter Personendaten erweitert. Insgesamt werden die Transparenz der Datenbearbeitung und die Kontrollmöglichkeiten der betroffenen Personen über ihre Daten verbessert und damit an die rasanten Entwicklungen im IT-Bereich angepasst. In Bezug auf die Energiewelten bedeutet das eine Verschärfung des Regulierungsrahmens und damit tendenziell eine Verschiebung des Vierecks in Richtung Trust World.
Ein klareres Bild
Das Bild der nun nicht mehr allzu weit in der Zukunft liegenden Energiewelt 2035 wird mit dem aktuellen Trendupdate etwas klarer. Auch technisch liesse sich die skizzierte Welt erreichen. Die Umsetzung in der Realität lässt jedoch Fragen offen. In verschiedenen Bereichen fehlen noch die Klärung regulatorischer Aspekte beziehungsweise die notwendigen Investitionsanreize. Um die Ziele zu erreichen, braucht es eine Gesamtsicht, weitere Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen, eine verlässliche Güterabwägung von Schutz und Nutzung sowie verbesserte Bewilligungsverfahren. Zudem ist eine deutlich höhere gesellschaftliche Akzeptanz nötig, als derzeit oft vorzufinden ist.
Abschluss des Projekts Energiewelten
Das Projekt Energiewelten und damit auch die jährlichen Trendupdates werden in diesem Jahr vorerst abgeschlossen. Zum Abschluss wurde eine Synthese der jährlichen Trendupdates seit 2017 erstellt. Darin wurden die Erkenntnisse dieser Updates gebündelt und daraus ein robusteres Bild der Energiewelt 2035 abgeleitet, als ein einzelnes Trendupdate zu implizieren vermag. Der Bericht dazu ist auf der Energiewelten-Website publiziert.
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