Energieeffizienz bei den SBB
Effizienzthemen koordinieren und Bewusstsein bilden
Energie bewegt die Schweiz. Mit jährlich 2,1 TWh Strom bewegen die Schweizerischen Bundesbahnen täglich 1,2 Mio. Fahrgäste und 200000 Nettotonnen im Güterverkehr. Die SBB sind damit grösster Mobilitätsdienstleister und grösster Einzelverbraucher von Energie der Schweiz. Der verantwortungsvolle Umgang mit Energie hat neben dem ökologischen Aspekt eine klar ökonomische Zielstellung.
Die Steigerung der Energieeffizienz im öffentlichen Verkehr ist Ziel der «Energiestrategie 2050 im öffentlichen Verkehr» des Bundesamts für Verkehr. Darüber hinaus haben sich die SBB vorgenommen, den Energiebedarf bis 2025 um 20% gegenüber der Prognose aus 2012 zu reduzieren. Über alle Energieträger und -bedarfsgruppen hinweg ergibt dies eine einzusparende Energiemenge von jährlich 600 GWh. Dieses ambitionierte Ziel ist erreichbar, wenn das System elektrische Bahn als Ganzes verstanden, analysiert und optimiert wird. Die Steigerung der Energieeffizienz im komplexen System geschieht durch eine Systemoptimierung. Angefangen bei den planerischen Überlegungen als Grundlage, über die technischen Aspekte bis hin zum operativen Geschäft sind alle Instanzen in puncto Energieeffizienz gefordert. Daher haben die SBB mit dem Top-Programm Energiesparen eine Plattform geschaffen, welche eine Koordination der vielfältigen Energieeffizienzthemen ermöglicht. Bild 1 illustriert die Handlungsfelder im Rahmen des Energiesparprogramms. Mindestens genauso zentral ist jedoch die Bewusstseinsbildung: Die Verankerung der Energieeffizienzthematik über alle Stufen des Unternehmens wird somit kritischer Erfolgsfaktor.
Angebot
Ziel des Teilprogramms Energieeffizientes Bahnangebot ist die Schaffung planerischer Voraussetzungen eines energieeffizienten Bahnverkehrs im Sinne nachhaltiger Mobilität. Unter dem Angebot werden all jene Planungen subsummiert, die die Grundlage für die Bahnproduktion bilden. Ein energieeffizientes Angebot enthält Massnahmen in vier strategischen Stossrichtungen:
Die Reihenfolge, in der Verkehre unterschiedlicher Durchschnittsgeschwindigkeit geplant werden, hat Einfluss auf den Energiebedarf und die Nutzung der Streckenkapazität. So müssen für Güterzüge, die hinter Regionalzügen verkehren, bei gegebener Fahrplangeschwindigkeit fahrplanmässige Halte vorgesehen werden. Mit Änderung der Netznutzungsverordnung bekommt der geplante statt dem vertakteten Verkehr Vorrang bei der Kapazitätsnutzung. Damit entstehen neue Möglichkeiten, die Fahrplantrassen nach absteigender Durchschnittsgeschwindigkeit zu reihen und den Güterverkehr zwischen Fern- und Regionalverkehr zu beschleunigen.
Das Knotensystem im schweizerischen öffentlichen Verkehr bietet den Vorteil eines transparenten Bahnangebotes. Dadurch neigt ein über den Tag homogenes Angebot ausserhalb der Hauptverkehrszeiten aber zu Überkapazitäten. Ansatzpunkte für Energieeinsparungen bestehen z.B. darin, in Nebenverkehrszeiten auf Parallelführungen von (Fernverkehrs-)Linien zu verzichten. Zentral ist dabei die Wahrung der Reisekette, d.h. das Erreichen aller Zieldestinationen in quasi unveränderter Reisezeit.
Häufige Beschleunigungs- und Bremsvorgänge erhöhen den Energiebedarf einer Fahrt massgeblich. Energie kann gespart werden, wenn streckenbedingte Geschwindigkeitseinbrüche baulich reduziert und kurzzeitig erhöhte Streckengeschwindigkeiten nicht ausgefahren werden. Durch die mit der Geschwindigkeit quadratische Zunahme des Luftwiderstandes spart die Reduktion hoher Geschwindigkeiten viel Energie. Dieser Effekt wird in Tunneln mit hohen Geschwindigkeiten zusätzlich verstärkt. Die Geschwindigkeitsoptimierungen werden so ausgeführt, dass Kunden vom veränderten Angebot nichts merken.
Die im Tages-, Wochen- und Jahresgang stark schwankende Nachfrage stellt eine besondere Herausforderung an die Dimensionierung des Angebots. Optimal angepasste Transportgefässe reduzieren die Bruttotonnenkilometer, sparen Energie und reduzieren Verschleiss an Rollmaterial und Fahrbahn. Zudem bietet der Einsatz von geeignetem Rollmaterial Energiesparpotenziale, beispielsweise auf Gefällestrecken mit starker Nutzung der Rekuperation.
Die Überlegungen zum energieeffizienten Bahnangebot haben einen langen Planungsvorlauf. Dies führt zu grossem Potenzial der Energieeinsparung und zu grossen Anstrengungen hinsichtlich der Umsetzung dieser Massnahmen. Daher werden Energieeffizienzthemen zusammen mit Angebotsplanern der Divisionen Infrastruktur, Personenverkehr und Cargo identifiziert und bearbeitet. Die Stossrichtungen sind dazu mit zahlreichen Massnahmen unterlegt. Sie bilden die planerische Grundlage für das am stärksten ausgelastete Mischverkehrsvollbahnnetz der Welt.
Technik
Seit 1879 ist Elektromobilität auf der Schiene Stand der Technik, seit 1899 kennen wir elektrische Vollbahnen in der Schweiz. Energieeffizienz ist dabei ein zentrales Optimierungsthema bei Neufahrzeugen und bei konzeptionellen Eingriffen in bestehende Fahrzeuge. Die SBB sind seit jeher den Weg einer engen Industriepartnerschaft gegangen, um über hochwertige und energieeffiziente Fahrzeuge zu verfügen. Drei Beispiele seien hier skizziert:
Die Re 460 als «Lok 2000» ist das auch international berühmteste Triebfahrzeug der SBB-Flotte. Das vierachsige Triebfahrzeug verfügt über 6,1 MW Traktionsleistung und ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h zugelassen. Zwischen 1991 und 1996 wurden 119 Exemplare der Re 460 für die SBB und zwischen 1994 und 1997 18 modifizierte Exemplare für die BLS gefertigt. Aktuell durchlaufen alle 119 Fahrzeuge der SBB ein Refit, bei dem die GTO-Traktionsstromrichter durch effizientere IGBT-Technologie ersetzt werden. Energieeffizienz gab den Anlass zu dem aus Obsoleszenzgründen ausgelösten Refitprogramm, dessen Energieeinsparung mit rund 27 GWh/a beziffert wird.
Bei der Entwicklung und Beschaffung der Doppelstocktriebzüge RegioDosto (RABe 511.0/1 «Kiss») stellte Energieeffizienz von Anfang an ein besonderes Augenmerk dar. Dies widerspiegelte sich als zentrales Kriterium in der Gewichtung der Energieeffizienz bei der Flottenbeschaffung durch die SBB. Über die vertragliche Fixierung der prognostizierten Energiewerte hatten Bahnindustrie und Betreiber ein gemeinsames Interesse an energieeffizienten Fahrzeugen. Die Fahrzeuge mit identischer Traktionsauslegung wurden vier- und sechsteilig beschafft, Letztere inzwischen sogar nachbestellt. Nun sind alle 24 vierteiligen Fahrzeuge und ein Grossteil der 69 sechsteiligen Triebzüge ausgeliefert. Die RegioDosto weisen herstellerseitig energieoptimierte An-
triebsstränge, optimierte Traktionshilfsbetriebe sowie optimierte Komfortbetriebe auf. Die vertraglich fixierten Energiewerte wurden in Verifikationsfahrten abermals unterboten.
Die Regionalverkehrstriebzüge Flirt der SBB weisen je zwei Antriebsstränge aus Traktionstransformator, Stromrichter und Fahrmotoren auf. Im Zuge einer Optionseinlösung von sieben Fahrzeugen für die Region Olten kommen erstmals bei den SBB Trockentransformatoren zum Einsatz. Diese Transformatoren kommen ohne Ölkühlung aus. Daher verfügen sie bei gleicher Masse über einen grösseren und somit effizienteren Aktivteil. Die erwartete Energieeinsparung beträgt insgesamt rund 7%, was für ein an sich bereits weitestgehend optimiertes System einen sehr hohen Wert darstellt.
Bahnproduktion
Die Adaptive Zuglenkung ADL unterstützt die SBB bei der Bewältigung der Mehrbelastung auf dem Bahnnetz. Das IT-Tool verknüpft die Disposition der Betriebszentralen mit der Operation auf dem Führerstand und unterstützt damit die Lokführer im Arbeitsalltag. Dies trägt wiederum zur Präzisionssteigerung in der Bahnproduktion bei und hilft, Energie zu sparen. Bild 2 zeigt die prinzipielle Funktionsweise.
ADL umfasst zwei Arten der Zuglenkung: Konfliktlenkung und Effizienzfahrt. Erstere verhindert ein signalbedingt starkes Abbremsen oder Anhalten durch Ausgabe einer optimierten Geschwindigkeit. Diese liegt zwischen der zulässigen Geschwindigkeit und der Konfliktgeschwindigkeit und wird so gewählt, dass der Fahrstrassenausschluss zeitlich umfahren wird. Der dominante Effekt ist hier das entfallende Wiederbeschleunigen ab Konfliktgeschwindigkeit.
Bei der Effizienzfahrt wird Verfrühung von mehr als einer Minute durch Ausgabe einer tieferen Geschwindigkeitsempfehlung abgebaut. Die Pünktlichkeit am Bestimmungsort bleibt so unangetastet. Die tiefere Geschwindigkeit führt zu tieferen Fahrwiderständen und somit zu einer Einsparung von Traktionsenergie. Der Wirkungsnachweis der Energieeinsparung erfolgt durch fahrdynamische Berechnungen jeder durch ADL angestossenen Zuglenkung.
Der reduzierte Energiebedarf für eine Konfliktlenkung mit verminderter Geschwindigkeit gegenüber einer ungelenkten Fahrt mit Signalhalt hängt von den Geschwindigkeitsverhältnissen, den Zugmassen und den Fahrzeugtypen (bzw. Verkehrsarten) ab. Bild 3 zeigt die Energiewirkung einer Lenkung im Fern-, Regional- und Güterverkehr aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten gegenüber einer Fahrt mit betriebsbedingtem Halt.
Auf dem Weg der automatisierten Energieberechnung erfolgt ein detaillierter Massnahmennachweis mit vertretbarem Rechenaufwand. Darüber hinaus sind jene bei SBB Energiemanagement aufgearbeiteten Grundlagen für vielfältige Fragestellungen der Energiequantifizierung adaptierbar.
Im Jahr 2016 wurde dank ADL eine Energieeinsparung von rund 50 GWh in gesamthaft 467000 Zuglenkungen realisiert. Dies ist gegenüber 2015 eine Steigerung um 19%. Je nach Betriebslage und den daraus resultierten Konflikten wird sich dieser Wert in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Für schwere Güterzüge mit vergleichsweise niedriger Rekuperation ist die Energiewirkung der Zuglenkung – gleich ob Konfliktlenkung oder Effizienzfahrt – am grössten. Damit leistet die Adaptive Zuglenkung ADL einen wichtigen Beitrag an das Konzernziel ökologische Nachhaltigkeit.
Ausblick
Die Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im System Bahn wie hier bei den Schweizerischen Bundesbahnen setzen eine intensive Zusammenarbeit über alle Unternehmensbereiche voraus. Die Bewusstseinsbildung für die Möglichkeiten zur Energieeffizienz im eigenen Bereich bildet dazu den Ausgangspunkt. Energieeffizienz wird erst durch den Einsatz jedes Einzelnen zur Erfolgsgeschichte. Der verantwortungsvolle Umgang mit Energie und Ressourcen ist Teil der Professionalität und generiert ökologischen wie ökonomischen Mehrwert bei der elektrischen Bahn.
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