Fachartikel Energieeffizienz

Energieeffizienz bei den SBB

Effizienzthemen koordinieren und Bewusstsein bilden

01.03.2017

Energie bewegt die Schweiz. Mit jährlich 2,1 TWh Strom bewegen die Schweizerischen Bundesbahnen täglich 1,2 Mio. Fahrgäste und 200000 Nettotonnen im Güterverkehr. Die SBB sind damit grösster Mobilitätsdienstleister und grösster Einzelverbraucher von Energie der Schweiz. Der verantwortungsvolle Umgang mit Energie hat neben dem ökologischen Aspekt eine klar ökonomische Zielstellung.

Die Steigerung der Energieeffizienz im öffentlichen Verkehr ist Ziel der «Energiestrategie 2050 im öffentlichen Verkehr» des Bundesamts für Verkehr. Darüber hinaus haben sich die SBB vorgenommen, den Energiebedarf bis 2025 um 20% gegenüber der Prognose aus 2012 zu reduzieren. Über alle Energieträger und -bedarfsgruppen hinweg ergibt dies eine einzusparende Energiemenge von jährlich 600 GWh. Dieses ambitionierte Ziel ist erreichbar, wenn das System elektrische Bahn als Ganzes verstanden, analysiert und optimiert wird. Die Steigerung der Energieeffizienz im komplexen System geschieht durch eine Systemoptimierung. Angefangen bei den planerischen Überlegungen als Grundlage, über die technischen Aspekte bis hin zum operativen Geschäft sind alle Instanzen in puncto Energieeffizienz gefordert. Daher haben die SBB mit dem Top-Programm Energiesparen eine Plattform geschaffen, welche eine Koordination der vielfältigen Energieeffizienzthemen ermöglicht. Bild 1 illustriert die Handlungsfelder im Rahmen des Energiesparprogramms. Mindestens genauso zentral ist jedoch die Bewusstseinsbildung: Die Verankerung der Energieeffizienzthematik über alle Stufen des Unternehmens wird somit kritischer Erfolgsfaktor.

Angebot

Ziel des Teilprogramms Energieeffizientes Bahnangebot ist die Schaffung planerischer Voraussetzungen eines energieeffizienten Bahnverkehrs im Sinne nachhaltiger Mobilität. Unter dem Angebot werden all jene Planungen subsummiert, die die Grundlage für die Bahnproduktion bilden. Ein energieeffizientes Angebot enthält Massnahmen in vier strategischen Stossrichtungen:

Die Reihenfolge, in der Verkehre unterschied­licher Durchschnitts­geschwin­digkeit geplant werden, hat Einfluss auf den Energiebedarf und die Nutzung der Strecken­kapazität. So müssen für Güterzüge, die hinter Regionalzügen verkehren, bei gegebener Fahrplan­geschwin­digkeit fahrplan­mässige Halte vorgesehen werden. Mit Änderung der Netznutzungs­verordnung bekommt der geplante statt dem vertakteten Verkehr Vorrang bei der Kapazitätsnutzung. Damit entstehen neue Möglichkeiten, die Fahrplantrassen nach absteigender Durchschnittsgeschwindigkeit zu reihen und den Güterverkehr zwischen Fern- und Regionalverkehr zu beschleunigen.

Das Knotensystem im schweizerischen öffentlichen Verkehr bietet den Vorteil eines transparenten Bahnangebotes. Dadurch neigt ein über den Tag homogenes Angebot ausserhalb der Hauptverkehrszeiten aber zu Über­kapazitäten. Ansatzpunkte für Energieeinsparungen bestehen z.B. darin, in Neben­verkehrszeiten auf Parallel­führungen von (Fernverkehrs-)Linien zu verzichten. Zentral ist dabei die Wahrung der Reisekette, d.h. das Erreichen aller Zieldestinationen in quasi unveränderter Reisezeit.

Häufige Beschleunigungs- und Bremsvorgänge erhöhen den Energiebedarf einer Fahrt massgeblich. ­Energie kann gespart werden, wenn strecken­bedingte Geschwin­digkeits­einbrüche baulich reduziert und kurzzeitig erhöhte Strecken­geschwin­digkeiten nicht ausgefahren werden. Durch die mit der Geschwindigkeit quadratische Zunahme des Luftwider­standes spart die Reduktion hoher Geschwin­digkeiten viel Energie. Dieser Effekt wird in Tunneln mit hohen Geschwindigkeiten zusätzlich verstärkt. Die Geschwin­digkeits­optimie­rungen werden so ausgeführt, dass Kunden vom veränderten Angebot nichts merken.

Die im Tages-, Wochen- und Jahresgang stark schwankende Nachfrage stellt eine besondere Heraus­forderung an die Dimensio­nierung des Angebots. Optimal angepasste Transport­gefässe reduzieren die Brutto­tonnen­kilometer, sparen Energie und reduzieren Verschleiss an Rollmaterial und Fahrbahn. Zudem bietet der Einsatz von geeignetem Rollmaterial Energiespar­potenziale, beispielsweise auf Gefälle­strecken mit starker Nutzung der Rekuperation.

Die Überlegungen zum energie­effizienten Bahnangebot haben einen langen Planungs­vorlauf. Dies führt zu grossem Potenzial der Energie­einsparung und zu grossen Anstrengungen hinsichtlich der Umsetzung dieser Massnahmen. Daher werden Energie­effizienz­themen zusammen mit Angebotsplanern der Divisionen Infrastruktur, Personenverkehr und Cargo identifiziert und bearbeitet. Die Stossrichtungen sind dazu mit zahlreichen Massnahmen unterlegt. Sie bilden die planerische Grundlage für das am stärksten ausgelastete Mischverkehrs­vollbahnnetz der Welt.

Technik

Seit 1879 ist Elektromobilität auf der Schiene Stand der Technik, seit 1899 kennen wir elektrische Vollbahnen in der Schweiz. Energieeffizienz ist dabei ein zentrales Optimierungsthema bei Neufahrzeugen und bei konzeptionellen Eingriffen in bestehende Fahrzeuge. Die SBB sind seit jeher den Weg einer engen Industriepartnerschaft gegangen, um über hochwertige und energieeffiziente Fahrzeuge zu verfügen. Drei Beispiele seien hier skizziert:

Die Re 460 als «Lok 2000» ist das auch international berühmteste Triebfahrzeug der SBB-Flotte. Das vierachsige Triebfahrzeug verfügt über 6,1 MW Traktionsleistung und ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 200  km/h zugelassen. Zwischen 1991 und 1996 wurden 119 Exemplare der Re  460 für die SBB und zwischen 1994 und 1997 18 modifizierte Exemplare für die BLS gefertigt. Aktuell durchlaufen alle 119 Fahrzeuge der SBB ein Refit, bei dem die GTO-Traktionsstromrichter durch effizientere IGBT-Technologie ersetzt werden. Energieeffizienz gab den Anlass zu dem aus Obsoleszenzgründen ausgelösten Refitprogramm, dessen Energieeinsparung mit rund 27  GWh/a beziffert wird.

Bei der Entwicklung und Beschaffung der Doppelstocktriebzüge RegioDosto (RABe 511.0/1 «Kiss») stellte Energieeffizienz von Anfang an ein besonderes Augenmerk dar. Dies widerspiegelte sich als zentrales Kriterium in der Gewichtung der Energieeffizienz bei der Flottenbeschaffung durch die SBB. Über die vertragliche Fixierung der prognostizierten Energiewerte hatten Bahnindustrie und Betreiber ein gemeinsames Interesse an energieeffizienten Fahrzeugen. Die Fahrzeuge mit identischer Traktionsauslegung wurden vier- und sechsteilig beschafft, Letztere inzwischen sogar nachbestellt. Nun sind alle 24 vierteiligen Fahrzeuge und ein Grossteil der 69 sechsteiligen Triebzüge ausgeliefert. Die RegioDosto weisen herstellerseitig energieoptimierte An-
triebsstränge, optimierte Traktionshilfsbetriebe sowie optimierte Komfortbetriebe auf. Die vertraglich fixierten Energiewerte wurden in Verifikationsfahrten abermals unterboten.

Die Regionalverkehrstriebzüge Flirt der SBB weisen je zwei Antriebsstränge aus Traktionstransformator, Stromrichter und Fahrmotoren auf. Im Zuge einer Optionseinlösung von sieben Fahrzeugen für die Region Olten kommen erstmals bei den SBB Trockentransformatoren zum Einsatz. Diese Transformatoren kommen ohne Ölkühlung aus. Daher verfügen sie bei gleicher Masse über einen grösseren und somit effizienteren Aktivteil. Die erwartete Energieeinsparung beträgt insgesamt rund 7%, was für ein an sich bereits weitestgehend optimiertes System einen sehr hohen Wert darstellt.

Bahnproduktion

Die Adaptive Zuglenkung ADL unterstützt die SBB bei der Bewältigung der Mehrbelastung auf dem Bahnnetz. Das IT-Tool verknüpft die Disposition der Betriebszentralen mit der Operation auf dem Führerstand und unterstützt damit die Lokführer im Arbeitsalltag. Dies trägt wiederum zur Präzisionssteigerung in der Bahnproduktion bei und hilft, Energie zu sparen. Bild 2 zeigt die prinzipielle Funktionsweise.

ADL umfasst zwei Arten der Zuglenkung: Konfliktlenkung und Effizienzfahrt. Erstere verhindert ein signalbedingt starkes Abbremsen oder Anhalten durch Ausgabe einer optimierten Geschwindigkeit. Diese liegt zwischen der zulässigen Geschwindigkeit und der Konfliktgeschwindigkeit und wird so gewählt, dass der Fahrstrassenausschluss zeitlich umfahren wird. Der dominante Effekt ist hier das entfallende Wiederbeschleunigen ab Konfliktgeschwindigkeit.

Bei der Effizienzfahrt wird Verfrühung von mehr als einer Minute durch Ausgabe einer tieferen Geschwindigkeits­empfehlung abgebaut. Die Pünktlichkeit am Bestimmungsort bleibt so unangetastet. Die tiefere Geschwindigkeit führt zu tieferen Fahrwiderständen und somit zu einer Einsparung von Traktionsenergie. Der Wirkungsnachweis der Energieeinsparung erfolgt durch fahrdynamische Berechnungen jeder durch ADL angestossenen Zuglenkung.

Der reduzierte Energiebedarf für eine Konfliktlenkung mit verminderter Geschwindigkeit gegenüber einer ungelenkten Fahrt mit Signalhalt hängt von den Geschwindigkeitsverhältnissen, den Zugmassen und den Fahrzeugtypen (bzw. Verkehrsarten) ab. Bild 3 zeigt die Energiewirkung einer Lenkung im Fern-, Regional- und Güterverkehr aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten gegenüber einer Fahrt mit betriebsbedingtem Halt.

Auf dem Weg der automatisierten Energieberechnung erfolgt ein detaillierter Massnahmennachweis mit vertretbarem Rechenaufwand. Darüber hinaus sind jene bei SBB Energiemanagement aufgearbeiteten Grundlagen für vielfältige Fragestellungen der Energiequantifizierung adaptierbar.

Im Jahr 2016 wurde dank ADL eine Energieeinsparung von rund 50 GWh in gesamthaft 467000 Zuglenkungen realisiert. Dies ist gegenüber 2015 eine Steigerung um 19%. Je nach Betriebslage und den daraus resultierten Konflikten wird sich dieser Wert in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Für schwere Güterzüge mit vergleichsweise niedriger Rekuperation ist die Energiewirkung der Zuglenkung – gleich ob Konfliktlenkung oder Effizienzfahrt – am grössten. Damit leistet die Adaptive Zuglenkung ADL einen wichtigen Beitrag an das Konzernziel ökologische Nachhaltigkeit.

Ausblick

Die Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im System Bahn wie hier bei den Schweizerischen Bundesbahnen setzen eine intensive Zusammenarbeit über alle Unternehmensbereiche voraus. Die Bewusstseinsbildung für die Möglichkeiten zur Energieeffizienz im eigenen Bereich bildet dazu den Ausgangspunkt. Energieeffizienz wird erst durch den Einsatz jedes Einzelnen zur Erfolgsgeschichte. Der verantwortungsvolle Umgang mit Energie und Ressourcen ist Teil der Professionalität und generiert ökologischen wie ökonomischen Mehrwert bei der elek­trischen Bahn.

Autor
Dr Steffen Schranil

ist seit 2013 Fachkader bei SBB Energiemanagement.

  • SBB Energie
    3052 Zollikofen

Kommentare

Bitte addieren Sie 9 und 3.