Energieanlagen mit Sensoren überwachen
Möglichkeiten der Digitalisierung
Der Einsatz von Sensorsystemen für Energieanlagen ist heute attraktiv, denn sie sind preisgünstig und können die leistungsfähige ICT-Infrastruktur nutzen. Schwieriger wird es, wenn Sensorsysteme mehrerer Hersteller auf eine zentrale Plattform integriert werden sollen. Ein Pilotversuch zeigt, wie dies möglich ist.
Die Integration verschiedener Sensorsysteme unterschiedlicher Hersteller, die neben den klassischen Strom- und Spannungsmessungen zusätzliche Grössen wie Temperatur und mechanische Vibrationen erfassen, ist eine grosse Chance, aber gleichzeitig anspruchsvoll. Weitere Herausforderungen sind das Zusammenführen und Verknüpfen der Daten aus diversen Quellen mit unterschiedlicher Qualität und das Ableiten aussagekräftiger Indikatoren über den Betriebsmittelzustand.
In einem von Innosuisse geförderten Forschungsprojekt haben sich die Brugg Kabel AG und die FHNW diesen Fragen gestellt. Es wurde eine IT-Plattform, das «Brugg Eye»-System, konzipiert und entwickelt, welche die Integration und Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Sensoren ermöglicht. In mehreren Laborversuchen und einem Pilotversuch an einem 110-kV-Kabel im Engadin wurden drei moderne Sensorsysteme zusammen mit der Plattform getestet.
Sensorsysteme für Hochspannungskabel
Die IT-Plattform ist so konzipiert, dass verschiedene Sensoren integriert werden können. Für die Labortests und für den Feldversuch in diesem Projekt wurden drei Sensorsysteme für Hochspannungskabel ausgewählt.
Ein Sensorsystem ist für die Teilentladungsmessung mit Hochfrequenztransformatoren (High Frequency Current Transformers, HFCT) zuständig. Dies ist ein Standardverfahren zur Messung von Teilentladungen in Hochspannungskabeln mit einem Hochfrequenztransformator, der an der Schirmerdung des Kabels installiert wird. Mit dem Hochfrequenztransformator werden die hochfrequenten Teilentladungssignale ausgekoppelt und einer Analyseeinheit zugeführt. Zur Bestimmung der Phasenlage der Teilentladungen gegenüber der 50-Hz-Sinuswelle wird eine Rogowski-Spule an einem Phasenleiter installiert. Die Phasenlage der Teilentladungssignale gegenüber der 50-Hz-Sinuswelle enthält neben dem Teilentladungsniveau zusätzliche Informationen über die Art der Teilentladungen, z. B. innere oder äussere Teilentladung usw.
Ein weiteres Sensorsystem, das integriert wurde, ist das Distributed Thermal Sensing (DTS). Dieses System erlaubt die Temperaturmessung über die gesamte Kabellänge mit einer räumlichen Auflösung von typischerweise einem Meter. Basis für die Messung ist ein Glasfaserkabel, das entweder im Kabel verarbeitet ist oder in der direkten Umgebung des Kabels mitgeführt wird. Von einer optisch-elektrischen Einheit aus werden Lichtimpulse in das Glasfaserkabel gesendet, und die Reflektionen der Impulse werden gemessen und ausgewertet. Aufgrund des temperaturabhängigen Brechungsindex des Materials und der Signallaufzeit kann die Temperatur des Glasfaserkabels distanzabhängig bestimmt werden.
Das dritte Sensorsystem, das berücksichtigt wurde, ist das Distributed Acoustic Sensing (DAS). Ähnlich wie DTS basiert DAS auf einem Glasfaserkabel, dessen Brechungsindex von der mechanischen Spannung abhängt. Mit diesem System können mechanische Phänomene wie Vibrationen durch Bauarbeiten in der näheren Umgebung des Kabels detektiert werden. Weil Teilentladungen im Kabel auch mechanische Schwingungen zur Folge haben, können mittels DAS auch Teilentladungen detektiert werden, was jedoch in diesem Projekt nicht verfolgt wurde.
Zur punktuellen Validierung der DTS-Messwerte kam zusätzlich ein einfacher Temperatursensor zum Einsatz, der direkt am Kabel montiert wurde.
IoT-Infrastruktur und Monitoring-Dashboard
Das IT-Konzept des Systems Brugg Eye orientiert sich an einer typischen IoT-Architektur (Bild 1). Messgeräte mit Sensoren in Unterwerken werden mittels eines lokalen Gateways über eine sichere Internetverbindung an ein zentrales Backend angeschlossen. Dort stehen die erfassten Daten über eine Web-Schnittstelle (API) autorisierten Nachbarsystemen und Client-Geräten wie Smartphones, Tablets oder Desktop-Computern zur Verfügung. Bezüglich User-Rollen werden Montage, IT-Betrieb und Monitoring durch Kundenfirmen der Brugg Kabel AG unterschieden.
Um Daten an das zentrale Backend senden zu dürfen, braucht jedes Gateway eine spezifische Berechtigung. Die Datensicherheit beim Transport wird durch TLS-Verschlüsselung (Transport Layer Security) geschützt. Zudem kann die Verbindung über VPN oder durch die Verwendung dedizierter Kabelstrecken abgesichert werden. Im Unterwerk ist nur eine ausgehende TCP/IP-Verbindung vorausgesetzt.
Die Verfügbarkeit der Messwerte wird durch ein mehrstufiges Konzept maximiert. Messgeräte erfassen hochfrequente, hochaufgelöste Rohdaten und speichern diese oft im Gerät selbst auf einer grossen Harddisk (mehrere TB). Das lokale Gateway holt vorverarbeitete Messdaten von mehreren Messgeräten und allfällige Alarme regelmässig ab und puffert diese auf einer lokalen Harddisk in einen Stream-basierten, persistenten Kafka-Ring-Puffer.
Ein effizientes binäres Encoding sorgt dafür, dass Messdaten schnell und mit möglichst geringer Bandbreite über das Message-basierte MQTT-Transportprotokoll zu einem Broker im zentralen Backend gelangen. Dort werden Messwerte und Alarme zur Visualisierung aufbereitet und in eine Zeitreihendatenbank gespeichert. Um die Grösse dieser Datenbank über die Zeit konstant zu halten, wird ihr Inhalt regelmässig auf einem S3-Langzeitdatenspeicher archiviert.
Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit
Die Verwendung der IoT-Infrastruktur gibt dem System die nötige Skalierbarkeit. Die Zahl der Unterwerke, welche angeschlossen werden können, ist eigentlich nur durch die Bandbreite der Datenverbindung zum Backend begrenzt. Der verwendete MQTT-Broker kann als Cluster von mehreren Server-Computern betrieben werden. Zudem sind die Daten von der Anwendung her bereits hierarchisch aufgeteilt, in Kabelstrecken und Unterwerke, wodurch auch die Auswertung und Speicherung im zentralen Backend gut auf mehrere Server aufgeteilt werden kann.
Um künftige Entwicklungen im Bereich der Sensor- und Messtechnik nutzen zu können, ist das System sowohl bezüglich der Anzahl als auch der Art von Sensoren erweiterbar. Ein neuer Sensortyp erfordert eine neue Adapter-Komponente im Gateway und in Ausnahmefällen auch eine zusätzliche Dashboard-Ansicht. Transport und Speicherung hingegen bleiben gleich.
Ein Dashboard erlaubt das Monitoring von Messwerten und Alarmen. Neben aktuellen können auch historische Werte angezeigt werden, sofern die Daten noch im Zeitfenster enthalten sind. Für eine genauere Analyse durch Fachpersonen können Messreihen als CSV-Datei exportiert werden. Der Zugriff auf Daten ist nur autorisierten Personen erlaubt.
Testinstallation im Engadin
Von März bis Dezember 2022 wurde das System «Brugg Eye» zusammen mit drei Sensorsystemen an einer 110-kV-Kabelanlage getestet, die seit 2019 im Netz der Engadiner Kraftwerke in Betrieb ist [1,2]. Die knapp 31 km lange Teststrecke verläuft von Zernez nach Pradella. Für den Testbetrieb wurden folgende Sensorsysteme ausgewählt und installiert:
- HFCT-basierte Teilentladungsmessung von Altanova
- DTS- und DAS-Systeme von AP Sensing
Alle Messgeräte wurden am gleichen Ort in der Schaltanlage Zernez installiert, weil dort alle Kabel und Schirmerdungen gut zugänglich waren und eine zuverlässige Internetverbindung verfügbar war.
Zur Validierung und Kalibrierung der DTS-Messungen wurde zusätzlich in Ardez und Scuol ein von der FHNW entwickelter Temperatursensor eingesetzt. Alle Sensordaten wurden vom System «Brugg Eye» gesammelt, dargestellt und ausgewertet.
Die Glasfaserkabel befinden sich im gleichen Rohrblock wie die Kabel, aber nicht in den Kabeln selbst und auch nicht in denselben Rohren wie die einadrigen Phasenleiter. Für die DTS-Messungen bedeutet das, dass nicht die eigentliche Temperatur des Kabels, sondern die Temperatur im Rohrblock gemessen werden kann. Die DAS-Messungen repräsentieren somit die mechanischen Schwingungen im gesamten Rohrblock. Für das Projektziel – die Praxistauglichkeit der Sensorsysteme im Feld zu testen – ist diese Situation zufriedenstellend. Direkt im Kabel verarbeitete Lichtwellenleiter sind aus rein messtechnischer Sicht natürlich vorteilhaft, jedoch aufgrund mechanischer Belastungen z. B. bei der Installation des Kabels fehleranfällig. Es existieren bereits IT-Lösungen, die in der Lage sind, anhand der Kabeldaten und Daten des Erdreiches diese Abweichungen zu korrigieren, um die tatsächliche Kabeltemperatur zu erhalten. Solche Lösungen könnten in die Brugg-Eye-Plattform integriert werden.
Die Bilder 2 und 3 zeigen beispielhaft einige Ergebnisse des Testbetriebs. Bild 2 zeigt den Verlauf der mit dem DTS-System gemessenen Temperatur entlang der Kabelstrecke. Auf den ersten Blick gut zu erkennen ist, dass die Temperatur entlang der Kabelstrecke im Rohrblock stark variiert – in diesem Beispiel (Septembertag) zwischen +20 und –3°C. Hot und Cold Spots sind an jenen Orten erkennbar, an denen das Glasfaserkabel in einen warmen Raum bzw. ins kalte Freie geführt wird.
Bild 3 zeigt den Temperaturverlauf an ausgewählten Orten entlang der Kabelstrecke über mehrere Monate. Da das Kabel in einem unterirdischen Betonrohrblock verlegt ist, sind die saisonalen Temperaturschwankungen vergleichsweise klein. Je nach Ort beträgt der Temperaturunterschied zwischen Juli und November lediglich 5 bis 10°C.
Der Vergleich der DTS-Messungen mit zusätzlichen, punktuell am Glasfaserkabel angebrachten Kalibrierungsmessungen legt nahe, dass beim DTS-System mit zunehmender Entfernung von der elektrisch-optischen Einheit (bei km 0 installiert) eine zunehmende Messabweichung auftritt. Dieser «Drift» könnte mit Hilfe von solchen zusätzlichen, punktuellen und präzisen Messungen korrigiert werden.
Fazit und Ausblick
Aus wissenschaftlicher Sicht hat sich gezeigt, dass die Analyse der Sensordaten und die Identifikation von ungewöhnlichen Ereignissen anspruchsvoll ist, weil es kaum Daten dazu gibt. Während des zehnmonatigen Testbetriebs sind keine ausserordentlichen Ereignisse vorgefallen, weshalb die Analyse der Messdaten wenig Spektakuläres zum Vorschein gebracht hat. Für solche Anwendungen ist es entscheidend, dass Messdaten im grossen Umfang zur Verfügung stehen, die als Basis für das Trainieren von Algorithmen z. B. zur Mustererkennung dienen können.
Das sensorbasierte Monitoring für Energieanlagen eröffnet der Brugg Kabel AG ein neues Geschäftsfeld. Mit diesem Projekt gelang der Einstieg vom passiven Vertrieb von handelsüblichen Messsystemen in ein integriertes und skalierbares Monitoring-System.
Mit dem gewonnenen Know-how aus dem Projekt «Brugg Eye» konnte die Brugg Kabel AG in der Zwischenzeit ein Monitoring-System mit den Sensor-Technologien Distributed Thermal Sensing (DTS), Partial Discharge Sensing (PDS) und Distributed Acoustic Sensing (DAS) auf den Markt bringen. Die IoT-Plattform erlaubt die Anbindung von Sensing-Systemen unterschiedlicher Hersteller und Technologien an das Monitoring-System, um den Kunden optimale Lösungen für die Überwachung der Hochspannungskabel anzubieten. Die Daten können mit unterschiedlichen Protokollen an verschiedene Clients und Scada-Systeme weitergegeben werden. Der Fokus der Arbeiten liegt nun auf einer besseren Auswertung der Daten, um noch mehr und genauere Aussagen aus den Messungen zu erhalten.
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