Energie sinnvoller nutzen
Ein Überblick über die Technologien
Vom Photovoltaikmodul über den Transformator bis zum Elektroauto: Die Entwickler steigerten die Effizienz der Technologien markant in den letzten Jahren. Bei der Beleuchtung beispielsweise ersetzen LEDs die konventionellen Leuchten. In der Industrie sind es Motoren, die ein grosses Energiesparpotenzial zeigen.
Es gibt heute kaum einen Bereich, an dem Effizienzgedanken spurlos vorbeigegangen sind. Schon bei der Stromerzeugung fragt man sich, wie der Wirkungsgrad gesteigert werden könnte, beispielsweise bei Windanlagen durch den Einsatz von direkt angetriebenen Permanentmagnet-Generatoren und frequenzvariablen Umrichtern, die einen Betrieb im optimalen Arbeitspunkt ermöglichen.
Bei Photovoltaikanlagen findet man Effizienzsteigerungen hauptsächlich im Forschungslabor. In der Praxis hingegen dominieren heute oft finanzielle Überlegungen: Meist werden bewährte, preisgünstige Silizium-PV-Zellen mit rund 15% Wirkungsgrad eingesetzt statt mehrschichtiger Tandem-Solarzellen, die ein breiteres Lichtspektrum nutzen und deshalb Wirkungsgrade von über 40% (Kombination von GaInP, GaInAs und Ge) erreichen können.
Auch bei der Wasserkraft wurde die Effizienz in den letzten Jahren gesteigert, u.a. mit optimierten Turbinenformen, aber manchmal auch durch die Verwendung von Frequenzumrichtern, die einen effizienteren Einsatz von Pumpspeicherkraftwerken (z.B. der 100-MW-Umrichter im Kraftwerk Grimsel 2) ermöglichen.
Verlässt man das Feld der erneuerbaren Energien, stellt man fest, dass auch im Bereich der mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerke markante Fortschritte gemacht wurden. Dampfkraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 30%, Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke kommen im Idealfall auf das Doppelte.
Stromtransport
Bevor der elektrische Strom genutzt werden kann, muss er übertragen werden. Die durchschnittlichen Netzverluste liegen in Mitteleuropa bei rund 6%.
Auch wenn Sicherheit und Zuverlässigkeit höchste Priorität geniessen, trifft beispielsweise der Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid zahlreiche Massnahmen, um die Verluste so klein wie möglich zu halten: Als aktives Mitglied im Netzregelverbund sorgt Swissgrid beispielsweise dafür, dass ein sogenanntes Gegenregeln zwischen den einzelnen kontinentaleuropäischen Netzbetreibern minimiert wird, d.h. dass gegensätzliche Regelenergie-Abrufe vermieden werden, indem Ungleichgewichte von verschiedenen Beteiligten zusammengefasst werden.
Diesem Verbund, der vor einigen Jahren mit den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern begonnen hat, schloss sich die Schweiz schon früh an. Mittlerweile beteiligen sich schon fast ein Dutzend Übertragungsnetzbetreiber. Das Ergebnis ist eine Kostenreduktion, da weniger Regelleistung und Regelenergie abgerufen werden müssen.
Weiter wird die Auslastung der Betriebsmittel mit zahlreichen Methoden erhöht und optimiert, beispielsweise durch Messungen der Leiterseiltemperaturen und des Wetters sowie dem Einbezug von Prognosen.
Im Verteilnetz steht oft die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. Bei Trafokäufen wird eine Eigenverbrauchsrechnung in Zusammenhang mit den Beschaffungskosten durchgeführt. Dies kann natürlich dazu führen, dass man sich für preisgünstigere Trafos entscheidet statt für effizientere mit amorphem Kern. Eine BFE-Studie schätzte 2014 die Verluste der Transformatoren im Schweizer Verteilnetz auf 406 GWh pro Jahr. Wenn nun alle Trafos, auch die relativ neuen, durch modernste mit amorphem Eisenkern ersetzt würden (ein eher unrealistisches Szenario), könnten die Verluste halbiert werden. Ein Effizienzgewinn von gut 0,3% des Schweizer Stromverbrauchs würde resultieren.
Mobilität
Ob im individuellen oder im öffentlichen Verkehr – Energieeffizienzfragen sind auch hier omnipräsent. Bei fossil angetriebenen Autos geht es um Liter pro 100 km, bei elektrisch angetriebenen um kWh, oder, was den Kunden wichtiger ist, um Reichweite. Natürlich sollte hier das Gesamtsystem betrachtet werden: Well-to-wheel lautet das Stichwort. Die Effizienz der Stromproduktion, Übertragung und Nutzung im vergleichsweise effizienten E-Auto, unter Berücksichtigung der für die Produktion benötigten Energie, müssen verglichen werden mit den gleichen Aspekten bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und Brennstoffzellen. Elektroautos haben dabei den Vorteil, dass keine Modifikationen am Fahrzeug nötig sind, wenn die Energiequelle einmal später nachhaltiger gestaltet wird.
Eine neue Vision – in dieser Ausgabe von Jörg Beckmann vorgestellt – geht noch weiter: Car-sharing mit selbstfahrenden E-Autos. Es hätte weniger Autos auf der Strasse, die zudem ihre Fahrten intelligent koordinieren und Engpässe vermeiden würden, wodurch der Verkehr reibungsloser fliessen und weniger Energie verbrauchen würde.
Aber nicht nur im Individualverkehr versucht man Energie zu sparen. Auch die Schweizer Bundesbahnen machen sich dazu Gedanken. Sie möchten die Ziele der «Energiestrategie 2050 im öffentlichen Verkehr» des Bundes sogar übertreffen, indem sie den Energiebedarf bis 2025 um 20% (insgesamt also jährlich um 600 GWh) gegenüber der Prognose von 2012 reduzieren wollen. Wie dieses ambitiöse Ziel erreicht werden soll, schildert Steffen Schranil in dieser Ausgabe. Zentral ist dabei die umfassende Systembetrachtung, die es ermöglicht, häufige Beschleunigungs- und Bremsvorgänge zu reduzieren und das Angebot so zu gestalten, dass die stark schwankende Nachfrage berücksichtigt wird.
Beleuchtung
Ein anderer Sektor, in dem sich eine Revolution abspielt, ist die Beleuchtung. LEDs haben im privaten und öffentlichen Bereich bereits viele andere Leuchtenarten ersetzt. Bezüglich Energieeffizienz haben sie diverse Technologien deutlich überholt. Ihre stärkste Konkurrenz sind nun die Natriumdampflampen bei der Strassenbeleuchtung und Leuchtstoffröhren in Industrie und Gewerbe. LEDs bieten den Vorteil, dass sie praktisch ohne Lebensdauerreduktion oft ein- und ausgeschaltet werden können und eine ausgeprägte Richtcharakteristik aufweisen. Das Licht ist also genau dort, wo es gewünscht wird und kann gedimmt oder abgestellt werden, wenn es gerade niemand braucht. Durch dieses selektiv nachgeführte Licht kann die Effizienz nochmals deutlich gesteigert werden, wie ein Pilotprojekt der EKZ gezeigt hat, das während eines Jahres in Urdorf durchgeführt wurde. Bei gleicher Sicherheit und geringeren Lichtemissionen konnten knapp 30% des Stroms mit der verkehrsbeobachtenden Beleuchtung eingespart werden.
Industrielles Umfeld und Dienstleistungen
Industrielle Betriebe sind oft grosse Stromverbraucher. Gemäss BFE betrug 2015 der Gesamtverbrauch des Sektors «Industrie und verarbeitendes Gewerbe» 17,99 TWh, also 0,2% weniger als 2014. Nationaler Spitzenreiter ist dabei die Chemie/Pharma-Branche, gefolgt von der metallverarbeitenden und Geräte-Branche. Auch die Papier- und Druckindustrie ist nicht vernachlässigbar. Ihr Verbrauch beträgt rund zwei Drittel des Chemie/Pharma-Sektors.
Für Antriebe, Prozesse und Prozesswärme werden fast 88% des industriellen Stromverbrauchs genutzt, für Beleuchtungszwecke 9%. Die Schweizerische Agentur für Energieeffizienz S.A.F.E. schätzt das technische Einsparpotenzial bei der Elektrizität auf 23%, hauptsächlich bei den Antrieben und der Prozesswärme.
Stromsparmöglichkeiten gibt es meist bei Motoren, die in Lüftern, Pumpen oder Förderantrieben im Dauerbetrieb eingesetzt werden. Seit 2009 existiert deshalb eine global geltende Norm für Motoren-Effizienzklassen (EN 60034). Heute gibt es vier Wirkungsgradklassen: von IE 1, dem Standard-Wirkungsgrad von über 90%, bis zum Super-Premium-Wirkungsgrad IE 4 von über 97%. Weitere Steigerungen der Effizienz können durch eine Regelung der Motoren erzielt werden, denn es ist oft nicht sinnvoll, Motoren stets bei Maximalleistung zu betreiben. Ein Beispiel aus der Forschung wird im Beitrag von Gerhard Huth in dieser Ausgabe vorgestellt.
Im Dienstleistungssektor liegt das Einsparungspotenzial bei der Haustechnik und der Beleuchtung bei über 7 TWh (44%). Gebäudetechniklösungen streben einen möglichst selektiven, gezielten Einsatz der Energie an: mit Präsenzmeldern und Schaltuhren den konkreten Bedürfnissen gerecht zu werden.
Ändert man die Perspektive von der elektrischen Energie zur Summe aller eingesetzter Energien, leistet die energetische Sanierung der Gebäudehülle einen wichtigen Beitrag. Besonders das CO2-Einsparpotenzial ist bei Gebäuden enorm. Mit dem Gebäudeprogramm des BFE und entsprechenden Förderprogrammen beteiligten sich Bund und Kantone aktiv an der Effizienzsteigerung. Ab diesem Jahr übernehmen die Kantone, finanziert durch zweckgebundene Mittel aus der CO2-Abgabe, die gesamte Förderung, um gezielter auf die lokalen Gegebenheiten eingehen zu können.
Privater Kontext
Wird das Prinzip der gezielt eingesetzten Energie umgekehrt, erinnert es an das heute ein wenig in Vergessenheit geratene Phänomen des Stand-by-Verbrauchs – an elektrische Energie, die unverrichteter Dinge in Wärme umgewandelt wird. Einer der Gründe, wieso es nicht mehr so intensiv diskutiert wird, ist die Tatsache, dass sich diese Problematik in den letzten Jahren entschärft hat. Drucker, Rechner, Kopierer, Displays und Set-top-Boxen haben nun oft einen vernachlässigbaren Standby-Verbrauch.
Die Effizienzoptimierungen können hier auf zwei Faktoren zurückgeführt werden: einerseits auf die Ökodesign-Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rates vom 20. November 2009 und andererseits auf den Wunsch von Kunden, effizientere Produkte zu erwerben.
Die EU-Richtlinie basiert auf der Erkenntnis, dass die meisten Umweltauswirkungen, die sich während der gesamten Lebensdauer äussern, bei Produkten bereits bei der Konstruktion und dem Design festgelegt werden. Die Energieeffizienz ist eine Komponente dieser umweltrelevanten Aspekte.
Der Kundenwunsch nach effizienteren Geräten wird u.a. durch die Energie-Labels ermöglicht. Verbraucher können so bei Kaufentscheidungen die Energieeffizienz berücksichtigen. Um die Vertrauenswürdigkeit der Herstellerangaben und die Übereinstimmung mit den Richtlinien zu prüfen, führt Electrosuisse zusammen mit dem ESTI jährlich Marktkontrollen durch. Bei diesem dreistufigen Verfahren wird zunächst bei Produkten im Markt die Angabendeklaration, d.h. das Energie-Label, gesucht. Ist es sichtbar angebracht oder irgendwo versteckt, beispielsweise in der Waschmaschinentrommel? Dann werden bei einigen Geräten die Nachweisdokumente eingefordert und auf Plausibilität geprüft. Schliesslich werden auch einzelne Geräte erworben und ausgemessen, um die deklarierten Angaben zu kontrollieren. Der Bericht wird (mit anonymisierten Angaben zu den Produkten) jeweils jährlich auf www.bfe.admin.ch veröffentlicht.
Informationstechnologien
Energieeffizienz spielt auch bei Computern eine grosse Rolle – aus finanziellen Gründen. Grosse Rechenzentren kämpfen nämlich mit Stromrechnungen, die über die Einsatzzeit der Rechner summiert die Investitionskosten für die Rechner übersteigen können. Das Potenzial in diesem Bereich ist immens. Durch Optimierung von Algorithmen, Hardware-Verbesserungen, Virtualisierung von Servern etc. lässt sich viel Energie sparen. Aber bis die Energieeffizienz des menschlichen Gehirns – etwa 1013 analoge Rechenoperationen pro Sekunde bei einem Verbrauch von 20 W – erreicht wird, sind noch zahlreiche technologische Sprünge nötig.
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