Elektromagnetische Felder in Elektroautos
Immissionsmessungen
Bei 5G regt sich wegen der von Basisstationen emittierten Strahlung in der Gesellschaft manchmal Widerstand. Den elektromagnetischen Feldern, denen Passagiere in Elektroautos ausgesetzt sind, steht man weniger kritisch gegenüber. Zurecht? Eine Schweizer Studie untersuchte die Immissionen und kam zu überraschenden Ergebnissen.
Unabhängig davon, ob ein Personenwagen nun elektrisch oder fossil angetrieben wird, er verfügt über zahlreiche elektronische und elektrische Komponenten. Nebst den «Klassikern» wie Motorsteuerung und Lichtsystemen kommen heute intelligente Funktionen wie Einparkhilfen, Fahrerinformations- und Kommunikationssysteme hinzu. Die drahtlose Kommunikation und die Vernetzung gewinnen an Bedeutung. Im Wageninnern erzeugen diverse Quellen deshalb zwangsläufig elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder, EMF.
Diesen Feldern mit unterschiedlichen Frequenzen und Intensitäten sind die Fahrzeuginsassen unter Umständen stundenlang ausgesetzt. Zudem wirkt die leitende Fahrzeugkarosserie wie eine abgeschirmte Kabine, in der EMF reflektiert werden können oder es zu Resonanzen kommen kann. Die Frage, ob die EMF-Immissionen als Gesundheitsrisiko betrachtet werden sollen oder ob sie sich in einer harmlosen Grössenordnung bewegen, ist also berechtigt. Mit dieser Frage befassten sich Forscher des ETH-Spin-offs Fields at Work und der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation. Ihre finanziell vom Bundesamt für Energie unterstützte Studie ist Ende März 2023 erschienen.
Die Zürcher EMF-Studie
In der Studie wurden EMF-Messungen an vier batteriebetriebenen Elektroautos (zwei Kleinwagen und zwei Mittelklasse-Limousinen mit dualem Elektromotor; Hybrid-Autos wurden nicht berücksichtigt) und, zum Vergleich, an einem Allrad-SUV mit Dieselmotor durchgeführt, um beurteilen zu können, ob die EMF-Belastung unter den Grenzwerten liegt. Dabei wurden sowohl niederfrequente als auch hochfrequente Felder unter realen Betriebsbedingungen gemessen. Die Beurteilung, ob Grenzwerte eingehalten werden, umfasste auch verschiedene Betriebszustände sowie durchschnittliche und die schlechtesten Fälle.
In der Studie wurden die Quellen von EMF auf sieben Klassen aufgeteilt:
- Fahrzeug: Reifen, Antriebsstrang ...
- Antrieb: Elektromotor, Batterie, Konverter, Verkabelung ...
- Komfortsysteme: Fensterantriebe, Sitzheizung, Klimaanlage ...
- Assistenz- und Sicherheitssysteme
- Unterhaltungssysteme
- Kommunikationssysteme
- Laden
Die auf drahtlosen Technologien basierenden Klassen werden in der Studie noch weiter unterteilt.
Nicht untersucht wurden Fahrzeuge für die gewerbliche Nutzung. Da sich die Studie auf die Exposition der allgemeinen Bevölkerung beschränkte, wurden nur die allgemeinen Grenzwerte berücksichtigt, keine Grenzwerte für die berufliche Exposition.
Die rechtliche Situation
Für Elektroautos sind die gleichen Nachweise nötig wie für andere Fahrzeugklassen. Zentral dabei ist die Bestimmung der elektrischen Sicherheit (ES) und der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV). Die gemeinsame Position der Bundesämter Astra, Bakom, BFE und ESTI ist in den «Erläuterungen zum Nachweis der elektrischen Sicherheit und elektromagnetischen Verträglichkeit von Strassenfahrzeugen und deren Komponenten» festgehalten.
Bezüglich der Begrenzung von elektromagnetischen Feldern in Elektroautos zum Schutz der Fahrzeuginsassen gibt es aktuell in der Schweiz keine spezifischen Vorschriften. Grundsätzlich können aber die Vorgaben zur elektromagnetischen Verträglichkeit, EMV, als ausreichend streng betrachtet werden, dass auch dem Gesundheitsschutz Rechnung getragen wird. Marco Zahner, F&E-Leiter bei Fields at Work sowie Co-Autor der Studie präzisiert: «Die strengen EMV-Vorgaben limitieren die entstehenden Feldstärken meist auf ein Niveau, das weit unter dem der NISV liegt, damit beispielsweise sensible Funkübertragungen nicht gestört werden, wenn der Zündschlüssel gedreht wird. Es ist relativ einfach, Elektronik zu stören.» Bei der NISV hingegen gehe es im Hochfrequenzbereich um die Gewebserwärmung und im Niederfrequenzbereich um mögliche Nerven-Stimulation durch im Gewebe induzierte Spannungen, bevor die Erwärmung zum Problem wird. Dies sei aber bei geringen Leistungen weniger kritisch. Was heute fehle, sei eine Anleitung zur Beurteilung der Ko-Exposition von nieder- und hochfrequenten elektromagnetischen Feldern.
Der Antriebsstrang ist unproblematisch
Eigentlich wäre zu erwarten, dass der elektrische Antrieb mit seinen grossen Strömen für hohe EMF-Pegel sorgen würde. Die Realität sieht gemäss Marco Zahner anders aus, denn Hersteller von Fahrzeugen müssen die EMV beachten, um die nötigen Zertifikate ausstellen zu können. Da gehört die Abschirmung von Anfang an zum Entwicklungskonzept, denn EMV-Grenzwerte werden tendenziell strenger. Die Leistungselektronik befindet sich zur Abschirmung oft in einem Aluminium-Spritzgussgehäuse, also einem Faraday’schen Käfig. Dadurch wird nebenbei auch sichergestellt, dass äussere Einflüsse minimiert werden, denn die Immunität ist ebenfalls wichtig.
Marco Zahner weist auf einen weiteren Vorteil von Antriebssträngen bei Autos hin: «Im elektrischen Antrieb fliessen zwar Hunderte von Ampere, aber da die Spannungen relativ klein sind, lassen sich die Leiter nahe beieinander platzieren und abschirmen. Durch eine gute Kabelführung kompensieren sich die Magnetfelder des Leiters und des Rückleiters. Da der Abstand zwischen den Kabeln gering ist, fällt das Magnetfeld rasch ab.» Im Gegensatz dazu sind die Abstände bei Hochspannungs-Freileitungen gross, entsprechend gross sind die Magnetfelder auch auf Distanz.
Messungen auf Probefahrten
Für die Messungen wurden zwei Routen um den Zürichsee festgelegt. Die normale Route wurde für Langzeitmessungen genutzt, die kürzere für Validierungen. Ein guter Mix aus Steigungen, Landstrassen, Strassen innerorts sowie der Autobahn konnte dabei gefunden werden. In verschiedenen Messphasen wurden gewisse Kommunikationsaktivitäten ausgeführt. Dazu gehörte ein Streaming von Spotify via Bluetooth, das Herunterladen einer 10-GB-Testdatei auf dem Land und in einem urbanen Gebiet sowie das Telefonieren.
Die Messungen wurden mit tragbaren ExpoM-RF- und ExpoM-ELF-Expositionsmessgeräten durchgeführt, die Fields at Work selbst entwickelt hat. Die Konfiguration des ExpoM-RF für hochfrequente Felder umfasste 35 Frequenzbänder der wichtigen Schweizer Telekommunikations- und Rundfunkdienste. Dieselbe Konfiguration wurde auch für die Messungen im Rahmen des vom Bafu im Jahr 2022 in Auftrag gegebenen Monitoring der nichtionisierenden Strahlung verwendet.
Die Messgeräte wurden im Testfahrzeug jeweils auf den Fussraum vorne links und vorne rechts, hinten links und hinten rechts, in der Mitte der Rückbank sowie vorne unter der Frontscheibe links und rechts (Einstiegsbild) platziert. Ein Messgerät wurde für Messungen während des Ladevorgangs verwendet.
Das Einschalten gewisser Verbraucher im Fahrzeug (Sitzheizung, Scheibenwischer, Klimaanlage, Streaming usw.) wurde zusammen mit der Uhrzeit protokolliert.
Für die Auswertung des niederfrequenten Magnetfelds wurden die Messresultate der Autos mit den frequenzabhängigen «General Public»-ICNIRP-Referenzwerten im Frequenzbereich verglichen. Die hochfrequenten elektromagnetischen Felder wurden mit den NISV-Immissionsgrenzwerten für hochfrequente EMF verglichen.
Fazit
Bei allen untersuchten Fahrzeugen lagen die Messergebnisse für niederfrequente Magnetfelder meist deutlich unter den in der Studie verwendeten ICNIRP-Grenzwertempfehlungen. Es wurden nur rund 5% der Grenzwerte ausgeschöpft. Kurzzeitig wurden Werte in der Nähe der Grenzwerte festgestellt, die kaum durch den elektrischen Antrieb verursacht wurden, sondern einen anderen Ursprung hatten. Beispielsweise wurden solche Ausreisser durch die Sitzheizung verursacht, die starke geschaltete Magnetfelder erzeugt. Die entsprechende Feldstärke fällt aber schnell mit grösserem Abstand ab.
Die in den Hochfrequenzmessungen gemessenen totalen E-Feldstärken (RMS-Werte) bewegen sich meist bis 3 V/m, mit einzelnen Werten bis 7 V/m. Die NISV-Grenzwertausschöpfung bewegt sich im Bereich bis 12%. Die Messwerte verlaufen bei allen Messfahrten ähnlich.
Die Aussenmessungen des Magnetfeldes während des Schnellladens der Batterie mit bis zu 150 kW ergaben Werte des 50-Hz-Anteils um rund 1 mT, also weit unter dem in der Schweiz gültigen Immissionsgrenzwert der NISV von 100 mT. Auch die höchsten gemessenen DC-Anteile lagen beim Laden zwischen 100 und 800 mT und somit deutlich unter dem Grenzwert von 40 mT. Bei den Messungen wurde nur eine Ladestation verwendet, ein Vergleich unterschiedlicher Ladestationen fand nicht statt.
Grundsätzlich ist der elektrische Antrieb bezüglich EMF-Immissionen unproblematisch, denn die Komponenten sind einerseits gut abgeschirmt und andererseits sind sie von den Personen im Fahrzeug entfernt. Der Abstand zur magnetischen Feldquelle ist dabei entscheidend. Deshalb ist der EMF-Anteil von Komponenten wie Sitzheizungen deutlich grösser als von Antriebskomponenten. Bezüglich EMF unterscheiden sich Elektroautos deshalb kaum von Autos mit Verbrennungsmotoren.
Bei beiden Fahrzeugarten werden im Innenraum keine Grenzwerte überschritten. Zurecht, könnte man sagen, steht die Gesellschaft den elektromagnetischen Feldern in Elektrofahrzeugen nicht kritisch gegenüber. Und wenn in Fahrzeugen EMF-Quellen problematisch werden könnten, sind sie dort zu finden, wo grosse Ströme in der Nähe von Körperteilen fliessen, wie bei der Sitzheizung, oder in ICT-Geräten, die zu Komfort- oder Steuerungszwecken mit der Aussenwelt kommunizieren. In Komponenten also, die auch in fossil betriebenen Autos vorhanden sind.
Obwohl die Studienresultate meist deutlich unter den Grenzwerten lagen, raten die Autoren der Studie abschliessend dazu, die in Elektroautos auftretenden elektromagnetischen Felder auch künftig zu beobachten, damit der Schutz der Gesundheit stets gewährleistet ist. Dabei sollte besonders auf neu in Personenwagen integrierte EMF-Quellen geachtet werden, wie beispielsweise neuartige drahtlose Kommunikationsmittel.
Literatur
Jürg Eberhard, Jürg Fröhlich, Marco Zahner, Elektromagnetische Felder (EMF) in Elektrofahrzeugen, Bundesamt für Energie, Schlussbericht vom 31.3.2023.
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