Fachartikel Installationstechnik

Elektro-Sicherheitskonzept als Chance

Entwicklung und Einführung bei Telekommunikations-Firma

06.04.2017

Die Starkstromverordnung schreibt dem Betriebsinhaber vor, ein Sicherheitskonzept Elektro zu erstellen. Was soll ein solches Sicherheitskonzept umfassen? Was ist der Nutzen für die Firma? Swisscom zeigt ihre Erfahrungen auf.

Damit Telekommunikationsdienstleistungen angeboten werden können, benötigt es elektrische Energie. Um diese Dienstleistungen auch bei einem Unterbruch des Stromnetzes noch für ein paar Stunden oder sogar Tage erbringen zu können, stehen umfangreiche Batterie- und Notstromanlagen zur Verfügung.

Neben gut zwei Dutzend Datacenter-Standorten betreibt Swisscom auch etwa 900 Landzentralen sowie über 10000 Kleinobjekte, an welchen Telekommunikationsdienstleistungen angeboten werden.

Diese Zahlen zeigen auf, wie wichtig eine funktionierende elektrische Versorgung ist. Mitte 2015 wurde festgestellt, dass beim Unternehmen bezüglich elektrischer Sicherheit Verbesserungspotenzial vorhanden war. Dies zeigten Mängellisten des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (ESTI) auf.

Diese Ausgangslage veranlasste den Infrastruktur-Verantwortlichen dazu, einen entsprechenden Projektauftrag zu verfassen, mit dem Ziel, ein Elektro­-Sicherheitskonzept zu erstellen, das die gesetzeskonforme Installation, den Unterhalt und die Überwachung elektrischer Anlagen regelt. Der Prozess sollte operativ und nachhaltig umgesetzt werden und sollte wirtschaftlich vertretbar sein.

Aber lohnt es sich, ein Elektro-Sicherheitskonzept selber zu erstellen, wenn dies einfacher eingekauft werden könnte? Swisscom hatte Letzteres ja bereits versucht und war damit gescheitert. Für das Scheitern gab es diverse Gründe. Einerseits ist Swisscom mit ca. 19000 Mitarbeitenden und über 10000 Telekommunikations-Objekten (Datacentern, Zentralen, Mobilfunk-Basisstationen, Outdoor Cabinets usw.) eine grosse und komplexe Firma. Das macht es für eine externe Firma schwierig, ein vollständiges Konzept zu erstellen. Andererseits werden extern erstellte Konzepte nicht immer akzeptiert. Zudem braucht es innerhalb der Firma eine designierte verantwortliche Stelle, die den Prozess weiterentwickelt. Sonst verläuft das Ganze im Sand.

Diese Überlegungen führten dazu, ein internes Projekt mit einem internen Projektleiter aufzugleisen. Dieser hat entschieden, dass sämtliche projektbeteiligten Organisationen an der Erstellung des Sicherheitskonzepts mitarbeiten sollen.

Lösungsansatz

Das Projektteam wurde aus Personen von Swisscom und des Facility Management Providers ISS Facility Services AG (nachfolgend ISS genannt) gebildet. Am Ende des Projektes stellte sich heraus, dass diese Zusammenarbeit einer der wichtigsten Punkte für den Projekterfolg gewesen ist.

Wie bei jedem Konzept macht es Sinn, wenn die betroffenen Personen frühzeitig in den Prozess eingebunden werden. Deshalb hat das Projektteam folgende Personen und Personengruppen mit einbezogen:

  • Den Betriebsinhaber für die Elektroanlagen und Leiter der Group Security von Swisscom.
  • Von ISS konnte ein Mitglied der Geschäftsleitung für die Rolle des Anlagebetreibers gewonnen werden. Damit war auf beiden Seiten die Aufmerksamkeit und Unterstützung des obersten Managements gesichert.
  • Relevant für den Projekterfolg war die Zusammenarbeit mit dem ESTI und Electrosuisse. So konnten Unklarheiten frühzeitig besprochen und die getroffenen Entscheide in das Konzept übernommen werden.
  • Mitarbeiter aus verschiedenen Organisationseinheiten, welche Berührungspunkte zu den Elektroinstallationen haben.

Erarbeitete Dokumentation

Nur mit dem Erstellen eines Elektro-Sicherheitskonzeptes ist es nicht getan, denn zur Umsetzung des Konzeptes werden noch weitere Vorgabe- und Hilfsdokumente benötigt. Nachfolgend sind die wichtigsten beschrieben.

  • Das Elektro-Sicherheitskonzept ist das Hauptdokument. Es enthält alle Vorgaben in einem einzigen Dokument, um die Umsetzung anwenderfreundlich zu gestalten.
  • Um die beteiligten Rollen mög­lichst gut zu dokumentieren, wurden acht Pocket Guides erstellt. Dies sind Auszüge aus dem umfangreichen Hauptdokument – mit dem Zweck, dass jede Rolle nur das lesen muss, was für sie relevant ist.
  • Es wurde ein Sicherheitsdossier mit folgenden Dokumenten erstellt: Arbeitsantrag, Schaltauftrag, Installationsanzeige, Sicherheitsnachweis, Mess- und Prüfprotokoll, Fertigstellungsmeldung.
  • Die Schulungsunterlagen umfassen Präsentationen und Filme.
  • Um den Prozessablauf und die Tätigkeiten an elektrischen Anlagen zu erläutern, wurden zwei Erklärungsvideos erstellt, die bei den Mitarbeitenden sehr gut ankommen.

 

Erarbeitete Dokumentation

Dem Projektteam war bewusst, dass das Hauptdokument verständlich geschrieben sein muss, denn nur so wird ein solches Konzept gelesen und umgesetzt. Um die geforderte Qualität des Hauptdokuments zu erreichen, haben über 30 Personen von Swisscom, ISS und Externe das Dokument gelesen und wertvollen Input geliefert. So wurde die geforderte Dokumentenqualität sowie eine grosse Akzeptanz für das Arbeitsresultat erreicht.

Befähigung als Herausforderung

Eines der wichtigen Projektziele war die Befähigung der prozessbeteiligten Personen. Sie wurde durch das Projektteam durchgeführt, da das Hauptdokument gemeinsam erstellt wurde und die Projektmitarbeitenden von Swisscom und ISS auch später im Prozess zusammenarbeiten werden.

Um den verschiedenen Rollen gerecht zu werden, wurden drei verschiedene Kurse mit jeweils unterschiedlichen Kursmodulen angeboten. Kurs A richtet sich an Betriebsinhaber und Anlagebetreiber, Kurs B an elektrotechnisch unterwiesene Personen und Kurs C an Anlageverantwortliche, Sicherheitsbeauftragte Elektro, fachkundige Personen der Organisationen.

Die Schulungen wurden von Anfang Dezember 2016 bis Ende Januar 2017 angeboten und durchgeführt. In dieser Zeitspanne konnten fast alle Mitarbeitenden erreicht werden. Für die wenigen, die in dieser Zeit nicht zur Verfügung standen, und alle restlichen Personen, die später in eine entsprechende Prozessrolle kommen, steht die Schulung als Film zur Verfügung.

Erkenntnisse

Die folgende Aufzählung beschreibt die wichtigsten Erkenntnisse, in der Reihenfolge der Wichtigkeit.

  • Betriebsinhaber (gem. Art. 20, Elektrizitätsgesetz), die noch kein Elektro-Sicherheitskonzept haben, sollten sich baldmöglichst mit diesem Thema beschäftigen. Sonst gehen sie unnötige rechtliche Risiken ein.
  • Beim Erstellen eines Sicherheitskonzepts muss der Betriebsinhaber jemand aus der Geschäftsleitung sein.
  • Das Sicherheitskonzept sollte selber erarbeitet werden, unter Mithilfe eines externen Fachmanns, denn wenn es eingekauft wird, besteht die Gefahr, dass es nicht eingesetzt wird. Die externe Kompetenz hilft, ein gutes Ergebnis zu erreichen.
  • Es lohnt sich, einen Pilotversuch durchzuführen, wenn möglich. Swisscom hat das Sicherheitskonzept an drei Standorten geprüft und die Erkenntnisse laufend übernommen.
  • Das Projektteam hat einen zeitlich befristeten Auftrag. Für den Prozess ist es aber zentral, dass er geführt, überwacht und weiterentwickelt wird. Deshalb war es wichtig, dass die Rolle eines Elektro-Sicherheitsbeauftragten geschaffen werden konnte.
  • Fragen zur gesetzlichen Auslegung sollten während der Dokumenterstellung geklärt werden. Das Projektteam hat gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem ESTI und Electrosuisse gemacht.
  • Sowohl die Schulung der Mitarbeitenden als auch die wichtigsten Dokumente sollten in der jeweiligen Muttersprache durchgeführt bzw. erstellt werden. Sowohl Frontalschulung als auch eine webbasierte Schulung kann angeboten werden. Bei Letzterer muss sichergestellt werden, dass die Fragen der Mitarbeitenden beantwortet werden können.
  • Bei Swisscom sind alle relevanten Dokumente in den drei Amtssprachen erstellt, alle Schulungen werden auf Deutsch und Französisch angeboten. Ein Prozess ist nur so gut, wie er von Mitarbeitenden gelebt wird. Daher ist eine fachliche Kontrolle notwendig. Dazu wurde ein Auditkonzept erstellt und an verschiedenen Standorten ausprobiert. Damit konnten in kurzer Zeit wichtige Verbesserungen erreicht werden.
  • Alle Unterlagen, die für die Mitarbeitenden wichtig sind, sollten auf einer gut zugänglichen Plattform abgelegt werden. Im hier vorgestellten Projekt ist es www.swisscom.ch/electro.

Wirtschaftlichkeit

Die teuerste Lösung besteht darin, nichts zu tun. In diesem Fall ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Vorfall eintritt, bei welchem Personen- bzw. Sachschäden auftreten. Die zweitteuerste Lösung ist das Einkaufen eines Elek­tro-Sicherheitskonzepts, das dann in einer Schublade landet.

Die günstigste Lösung ist das zeitnahe Erstellen des Elektro-Sicherheitskonzepts. Damit wird Gesetzeskonformität sichergestellt.

Bei Swisscom wurde mit dem Verhindern von unnötigen (da nicht gesetzlich geforderten) Tätigkeiten und der Klarstellung von vorhandenen gesetzlichen «Graubereichen» ein Payback innert Jahresfrist erreicht.

Um die Wirtschaftlichkeit noch weiter zu steigern, wird zurzeit der Einsatz eines webbasierten IT-Tools (Auftragsprozess und Nachweis der Sicherheit) für die Unterstützung der involvierten Mitarbeitenden geprüft. Aktuell werden die Bedürfnisse aufgenommen und die notwendigen Business Requirements erstellt.

Autor
Markus Attiger

ist Sicherheitsbeauftragter Elektro bei Swisscom.

  • Swisscom (Schweiz) AG, 8045 Zürich
Autor
Eric Cavegn

ist Projektleiter.

  • Swisscom (Schweiz) AG, 8045 Zürich
Autor
Dimitris Imboden

ist Projektmanager Elektro.

  • ISS Facility Services AG, 8010 Zürich
Autor
Matthias Täschler

ist Geschäftsleiter.

  • Elinspect AG, 5200 Brugg

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