Fachartikel Energiespeicher

Elektrische Energie speichern mit Kochsalz

Salzbatterie

24.01.2022

Batterien erfüllen eine wesentliche Aufgabe als Energiespeicher in der Energiewende. Die Salzbatterie ist eine nachhaltige und bewährte Lösung, die mit aktuellen Entwicklungen auf dem stationären Energiespeichermarkt konkurrenzfähig ist.

In einer Salzbatterie werden Kochsalz (NaCl) und ein Übergansmetall zu einem Übergansmetallchlorid und Natrium geladen. Die Reaktion läuft vollständig reversibel ab. Ein Schema ist im untenstehenden Bild dargestellt. Üblicherweise werden als Übergangsmetalle Nickel und Eisen verwendet. Die Nettoreaktion für Nickel lautet:

Das reversible Potenzial für diese Reaktion beträgt rund 2,58 V.

Die Elektrodenräume werden durch einen keramischen Separator getrennt. Dieser besteht im Wesentlichen aus β-Aluminiumoxid, welches Natriumionen hervorragend leitet und zugleich sehr gute elektronische und chemische Separatoreigenschaften besitzt. Durch diesen Separator beträgt der coulombsche Wirkungsgrad 100%. Die ionische Leit­fähigkeit des keramischen Elektrolyten erreicht üblicherweise bei Betriebstemperatur Werte um die 20 S/m. Die Leitfähigkeit nimmt mit sinkender Temperatur schnell ab. Sinnvolle Betriebstemperaturen mit β-Aluminiumoxid liegen über 200°C.

Die Salzbatterie wird im komplett entladenen Zustand gebaut, so dass in der Fertigung nicht mit metallischem Natrium umgegangen werden muss. Stattdessen wird der Festelektrolyt auf der negativen Seite mit einem Metall­blech kontaktiert, sodass Elektronen die Keramikoberfläche erreichen können. In diesem Zustand kann die Elektrode geschlossen werden, ohne dass reaktive Chemikalien gehandhabt werden müssen.

Sämtliche Chemikalien werden auf der positiven Elektrode eingebracht. Dazu wird Kochsalz mit Nickel oder Eisenpulver gemischt und trocken granuliert. Das gewonnene Granulat kann direkt in den positiven Elektrodenraum geschüttet werden. Für eine gute Nutzung der gesamten Elektrode und zur Verbesserung der Natriumionenleitfähigkeit in der positiven Elektrode wird das Granulat mit flüssigem NaAlCl4 imprägniert. Es handelt sich hierbei um eine nicht brennbare Flüssigkeit mit einer Schmelztemperatur von etwa 154°C. Der Dampfdruck der Flüssigkeit liegt bei 700°C bei 1 bar und bei Betriebstemperatur deutlich unter 1 mbar. Anders als bei organischen ionischen Flüssigkeiten oder Wasser geht von dem Elektrolyten kein unmittelbares Risiko aus. Dies erlaubt auch, die positive Elektrode hermetisch zu verschliessen.

Bei der Betriebstemperatur von 200–300°C ist das während der Ladung auf der negativen Elektrode erzeugt Natrium flüssig. Der hermetische Verschluss durch duktile Metalle und massive Keramikkörper nach aussen hält das flüssige Metall gut eingeschlossen. Die Elektrodenräume werden durch sprödes β-Aluminiumoxid getrennt. Im Falle von äusseren Bedingungen, die zu einer Beschädigung der Zelle führen, wird der Separator als Erstes beschädigt und die flüssigen Chemikalien der Elektrodenräume durchmischen sich.[1] Dabei wird das flüssige Natrium mit den flüssigen NaAlCl4 zu festem Kochsalz und Aluminium neutralisiert, beides stabile Substanzen unter atmosphärischen Bedingungen mit vernachlässigbarem Dampfdruck.

Zusätzlich zu diesen Sicherheitsaspekten auf Zellebene ist eine gute thermische Isolation auf Batterieebene integraler Bestandteil jeder Salzbatterie. Diese wird aufgrund der erhöhten Betriebstemperatur benötigt und sorgt für eine zuverlässige energetische Separation zwischen Batterieinnenraum und Umgebung. Je nach Ausführung ist auch die Batterie hermetisch verschliessbar, sodass kein Materialaustausch zwischen Batterieinnerem und Umgebung stattfinden kann.

Salzbatterien sind auch ohne elek­tronische Sicherheitssysteme bei Kurzschluss nicht in einen kritischen Zustand zu bringen, der ein Risiko für die Umgebung darstellt.

Nachhaltigkeit

Energiespeicher stellen ein wesentliches Element der Energiewende dar. Die Klimakrise rückt in den Fokus medialen Interesses. Es sollte dabei jedoch nicht vergessen werden, dass die Notwendigkeit der Energiewende in der Nachhaltigkeit liegt. Hans Carl von Carlowitz stellte in der «Silvicultura oeconomica» 1713 fest, dass Nachhaltigkeit essenziell für das langfristige Bestehen eines Landes ist.[2] 1987, also 274 Jahre später, wird im Brundtland-Bericht der vereinten Nationen die dauerhafte Entwicklung in den Vordergrund gestellt  [3], die in der Agenda 2030 konkretisiert wurde  [4]. Es liegt folglich im Inte­resse der Weltgemeinschaft, aktuelle und zukünftige Entwicklungen mit dem Augenmerk auf Nachhaltigkeit zu führen. Ein kompaktes Bild für Nachhaltigkeit bietet das Drei-Säulen-Modell, auf dem das Ergebnis der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags von 1998 fusst. Nachhaltigkeit bedingt hier die Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte.[5]

Um ökonomisch und ökologisch bestehen zu können, muss eine Technologie effizient und langlebig sowie zu vernünftigen Kosten verfügbar sein. Dieser Punkt wird mit grossem Interesse für neue Produkte beleuchtet. Es sollten jedoch die anderen wichtigen Punkte nicht vernachlässigt werden. Nachhaltige Technologien müssen lokal und global eine lebenswerte Umgebung schaffen. Konfliktmineralien sind zu vermeiden und es ist global auf sozial- und umweltverträgliche Abbaumethoden zu achten. Geringe Emissionen, lokal und global, sind zentral für ein lebenswertes Klima. Salzbatterien öffnen zudem ein interessantes Feld für die faire Entwicklung. Durch den Betrieb bei mindestens 200°C sind die Batterien selbst komplett unabhängig von der Umgebungstemperatur. Hermetisch abgeschlossene Batterien erfüllen die IP-69-Norm, was sie vollständig unabhängig von äusseren Bedingungen macht. Dadurch kann die Technologie ohne Weiteres auf der gesamten Welt eingesetzt werden. Die verwendeten Prozesse zur Herstellung sind einfacher als die Verfahren, die für Film­elektroden der Lithium-Ionen-Zellen verwendet werden, und sie können auch in kleineren Betrieben wirtschaftlich dargestellt werden. Die Salzbatterie ist damit ein potenzieller Kandidat für eine Weltbatterie, welche in einem Land für die Verwendung in diesem Land hergestellt wird. Damit kann nachhaltige Entwicklung nicht nur im Sinne der Generationengerechtigkeit, sondern auch im Sinne der globalen Gerechtigkeit gelingen.

Zentrale Punkte für eine nachhaltige Technologie sind Rohstoffverfügbarkeit, Sicherheit und Recycling. Diese drei Punkte betreffen direkt alle Säulen der Nachhaltigkeit. Die Salzbatterie punktet auf diesen Gebieten. Die hohe Sicherheit im Betrieb und der Herstellung wurde zu Beginn dieses Artikels abgehandelt. Die Hauptbestandteile der bei Battery Consult entwickelten Batterie sind in der untenstehenden Tabelle gelistet, geordnet nach Masse in der Batterie. Die meisten Rohstoffe sind in grossen Mengen überall vorhanden. Nickel, Kupfer und Chrom sind vergleichsweise selten, die Lagerstätten sind jedoch gut auf der Erde verteilt. Kupfer und Chrom können durch Desig­nanpassungen vermieden werden. Für Salzbatterien ist bereits seit Jahren ein Verfahren etabliert, um die Rohstoffe wiederzuverwenden.[6] Dazu wird die Batterie zerkleinert und in einen Hochofen gegeben. Eisen, Nickel und Chrom werden metallisch weiterverarbeitet, keramische Materialien und Salze, die nach dem Prozess übrigbleiben, bilden eine ungiftige Schlacke, die im Strassenbau Verwendung findet. Nach dem gängigen Verfahren wird das so extrahierte Nickel mit 50% des Marktpreises vergütet, sodass die Verwertung einer Salzbatterie nach der Lebenszeit zumindest kostenneutral ist.

Geschichte und Gegenwart

Die Salzbatterie wurde unter dem Namen Zebra Ende der 1970er-Jahre am CSIR in Südafrika entwickelt.[7] AEG Anglo Batteries GmbH (AABG) übernahm die Technologie 1988 mit dem Ziel der Verwendung in Elektroautos. Auch nach der Übernahme der AABG durch MES-DEA im Tessin fokussierte man sich auf Elektrofahrzeuge. 2010 wurde die komplette Anlage von Fiamm erworben und von FZSoNick betrieben. FZSoNick konzentriert ihre Verkäufe auf das Gebiet stationärer Batterien für Solar­speicher und als unterbrechungsfreie Stromversorgung für Telekommunika­tionsanlagen. Seit 2008 entwickelt die Battery Consult AG in Meiringen die Technologie weiter, um auf dem stationären Speichermarkt attraktiver zu werden. Andere wesentliche Aktivitäten sind bei PNNL in den USA, Chilwee in China und Fraunhofer in Deutschland zu verzeichnen.

Die Entwicklungsaktivitäten bei PNNL konzentrieren sich auf die Temperaturreduktion, Eisenelektroden und Flachzellengeometrie. Battery Consult hat ein Flachzellenprojekt zusammen mit Itaipu Binacional in Brasilien abgeschlossen, mit dem Ergebnis zu hoher Peripheriekosten für konkurrenzfähige Systeme. Chilwee verkauft die Durathon-Batterien, welchen eine leichte Modifikation der ursprünglich von AABG produzierten Zelle zugrunde liegt. Fraunhofer entwickelte eine Zelle mit 80–100 Ah, um die spezifischen Speicherkosten zu reduzieren. Zur selben Zeit wurden bei Battery Consult Zellen mit 250 Ah bei C/12 und 140 Ah bei C/4 entwickelt mit einer nutzbaren spezifischen Energie von 140 Wh/kg. Letztere Zelle wurde für den Betrieb mit Kleinkraftwerken und in Netzen konzipiert. Erstere für Anwendungen, die eine sehr lange Autarkie benötigen. Da die Zellen für den stationären Markt entwickelt werden, wird nur ein geringer Fokus auf Leistungsdichte gelegt. Einfache und kostengünstige Prozesse stehen im Vordergrund. Die hohe Kapazität und die vereinfachten Prozesse führen zu deutlich reduzierten Kosten. Im untenstehenden Bild sind die Battery-Consult-Zellen im Vergleich zur MES-DEA-Zelle gezeigt.

Einsatzfelder

Aufgrund des Betriebs bei erhöhter Temperatur liegt die Mindestgrösse für eine Salzbatterie bei etwa 6 kWh, nach oben sind kaum Grenzen gesetzt, wegen des hohen Sicherheitslevels der Technologie. Geeignete Einsatzfelder sind Anwendungen, bei denen viel Energie gespeichert werden muss bei moderaten Leistungsanforderungen. Ein typisches Beispiel für eine solche Anwendung ist ein Pufferspeicher für Solarkraftwerke. Tagsüber wird die Batterie mit Überschussenergie geladen, um diese nachts wieder abzugeben. Ein solcher Zyklus kann gut auch durch grosse Salzbatteriezellen bedient werden.

Analysen verschiedener Lastprofile zeigen mehrmals im Jahr Spitzenleistungen, die über mehrere Stunden gebrochen werden müssen. Eine Batterie mit einem hohen Energie- zu Leistungsverhältnis kann sich auch in der Spitzenbrechung lohnen. Eine Zertifizierung einer Salzbatterie für primäre oder sekundäre Regelleistung ist möglich. Primäre Regelleistung kann aufgrund des hohen Energie- zu Leistungsverhältnisses der Batterie jedoch nur eine zusätzliche Einnahmequelle darstellen.

Während beim schweizerischen Netz längere Stromausfälle sehr selten sind, können Netze in Entwicklungsländern mehrmals im Jahr Unterbrüche für mehrere Stunden aufweisen. Dort müssen auch in der unterbrechungsfreien Stromversorgung grosse Energiemengen vorgehalten werden.

Zukunft

Auch wenn die Technologie mehr als 40 Jahre Geschichte aufweisen kann, weist sie noch Entwicklungspotenzial auf. Im Fokus liegt, den Nickelgehalt zu reduzieren, um die Nachhaltigkeit des Produkts in Hinsicht auf Lebensfähigkeit und Rohstoffverfügbarkeit noch weiter zu verbessern. Eisen als umwelttechnisch unproblematisches und breit verfügbares Material ist das vielversprechendste Material. Die Entwicklung hat mit Eisen begonnen, und es wurde nachgewiesen, dass Zellen mehr als 1000 Zyklen mit Eisenelek­troden leisten können.[8] Es ist zu erwarten, dass Leistungsdichte und Energie- zu Leistungsverhältnis durch den Materialwechsel signifikant reduziert werden. Die sehr geringen Kosten des Aktivmaterials könnten eine Entwicklung grosser Saisonalspeicher ermöglichen. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Salzbatterie weiterentwickelt.

Referenzen

[1]   C.–H. Dustmann, A Bito, «Safety», Encyclopedia of Electrochemical Power Sources, S. 324–333, 2009.
[2]   Hans Carl von Carlowitz, «Silvicultura oeconomica», 1713.
[3]   «Our common future», Report of the World Commission on Environment and Development, United Nations, 1987.
[4]   «Resolution der Generalversammlung», 70. Tagung der Vereinten Nationen, 2015.
[5]   «Konzept Nachhaltigkeit: Vom Leitbild zur Umsetzung», Deutscher Bundestag, 1998, ISBN 3-930341-42-5.
[6]   R. C. Galloway, C.–H. Dustmann, «Zebra Battery – Material Cost Availability and Recycling», EVS 20, 2003.
[7]   J. Coetzer, J. Sudworth, «Out of Africa the story of the
Zebra battery», Beta Research & Development Ltd, 2000.
[8]   R. J. Bones, J. Coetzer, R. C. Galloway, D. A. Teagle, «A Sodium/Iron(II) Chloride Cell with a Beta Alumina electrolyte», J. Electrochem. Soc. 134 (10), S. 2379–2382, 1987.

Autor
Dr. Michael Harald Bayer

ist Leiter Forschung und Entwicklung bei Battery Consult AG.

  • Battery Consult AG, 3860 Meiringen

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