Fachartikel Energieeffizienz

Elektrische Antriebe digital optimieren

Effizienz­steige­rungen und Synergien

06.06.2025

Die Effizienz von Elektro­motoren und Antriebs­systemen lässt sich durch einen opti­mierten Betrieb sowie durch richtig dimen­sionierte Kompo­nenten steigern. Vermehrt werden aber auch digitale Ansätze genutzt, um elektrische Antriebs­systeme effizienter zu betreiben.

Eine inter­nationale Kollabo­ration der Länder Österreich, der Nieder­lande, Schweden und der Schweiz hat untersucht, welche Möglich­keiten die Digi­tali­sie­rung bei elektrischen Antrieben bietet und welches ener­getische Einspar­poten­zial durch sie erschlossen werden kann. Die Arbeiten fanden im Rahmen der Technology Collaboration Programme 4E Electric Motor Systems Platform statt. Die Resultate wurden in vier Berichten in englischer Sprache veröffentlicht:

  • Teil 1: Erkenntnisse für politische Entschei­dungs­träger [1]
  • Teil 2: Technische Empfeh­lungen für industrielle End­ver­braucher [2]
  • Teil 3: Katalog von Fallstudien [3]
  • Teil 4: Energieverbrauch durch die Digi­tali­sie­rung von Antriebs­systemen [4]

 

Die Fallstudien zeigen auf praxisnahe Weise auf, welche Mass­nahmen zu welchen Optimie­rungen führen können. Industrie­firmen können sich durch die Studien inspirieren lassen, solche Mass­nahmen auch bei sich in Betracht zu ziehen.

Was ist Digi­tali­sie­rung in diesem Kontext?

Das Wort Digi­tali­sie­rung deckt ein sehr breites Spektrum an Technologien ab. Bei den elektrischen Antrieben kommen digitale Ansätze in den folgenden vier Bereichen vor. Der erste Bereich bezieht sich auf die Kommu­nikation zwischen den Kompo­nenten und umfasst Sensoren, das Internet der Dinge und intelli­­gente Steue­rungs­elemente. Beim zweiten Bereich geht es um eine Optimierung des Betriebs mit Datenanalyse und Monitoring. Der dritte Bereich betrifft Technologien, die weitere Vorteile schaffen können, nämlich KI, digitale Zwillinge, cloudbasierte Dienste oder Augmented Reality. Schliesslich gibt es noch am Rande Technologien wie additive Herstellung oder Drohnen, die weitere Möglichkeiten zur Effizienz­steige­rung erschliessen. Wie viel welche Digi­tali­sie­rungs­techno­logie bewirken kann, ist in Bild 1 dargestellt.

Passive Rolle der Digi­tali­sie­rung

In der Digi­tali­sie­rungsstudie [3] wurden acht industrielle Firmen aus unter­schied­lichen Bereichen untersucht, wobei je vier Firmen die Digi­tali­sie­rung passiv bzw. aktiv eingesetzt haben.

Bei der «passiven» Rolle geht es darum, Ein­spar­möglich­keiten durch die Bereit­stellung von Infor­mationen (Messdaten) zu finden, um Opti­mie­rungs­mass­nahmen umsetzen zu können. Bei der «aktiven» Rolle hat die digitale Technologie direkten Einfluss auf den Energie­verbrauch eines Antriebs­systems, beispielsweise durch eine intelligente Steuerung.

Betrachten wir zunächst die Firmen, die eine passive Rolle der Digi­tali­sie­rung genutzt haben: Yorkshire Water, Priot (Eigen­schreib­weise PRiOT), BMW und Smurfit Kappa.

Für die Zustands­über­wachung seiner Pumpen hat sich die englische Wasser­ver­sorgungs- und Abwasser­ent­sorgungs­firma Yorkshire Water für die elektrische Signatur­analyse (ESA) entschieden. Dabei werden die Spannungen und Ströme aller drei Phasen der 4000 Anlagen rund um die Uhr mit hoher Abtastrate überwacht. Auf diese Weise werden mechanische und elektrische Fehler bei den Lagern, Kupplungen, Riemen und den Motoren entdeckt. Die Investitionen dieses Projekts für Hardware und Dienst­leistungen, das von 2023 bis 2025 ausgeführt wurde, beliefen sich auf 11,5 Mio. EUR. Die Amor­tisie­rungs­zeit dürfte zwei bis drei Jahre betragen. Die Energie- und CO2-Einsparungen werden voraussichtlich bis zu 15% betragen.

Beim Burgdorfer Unter­nehmen Priot, einem Anbieter für IoT-Gesamt­systeme, geht es um Luft statt um Wasser. Die Firma betreut ein Netzwerk von über 5000 Kühlungs­lüftern im IT-Bereich und setzte IoT-Sensoren ein, um verstopfte Luftfilter in rund 2000 Lüftungs­systemen an Server­stand­orten zu erkennen und so einen genaueren Zeitpunkt für den Filterwechsel zu ermitteln. Findet die Filter­verstopfung zwischen zwei geplanten – früher manuellen – Kontrollen statt, kann dies sofort behoben und unnötiger Energie­verbrauch vermieden werden. Die Vorteile dieser Lösung sind Einsparungen beim Strom und beim Wartungs­bedarf vor Ort, eine optimierte Filterlebensdauer, eine schnellere Fehler­erkennung und ein promptes Eingreifen bei Problemen. In einem konkreten Fall konnten 20% des Stroms eingespart werden.

Die 4500 Mitarbeitende des BMW-Werks im öster­reichischen Steyr entwickeln und produzieren Diesel- und Benzin­motoren sowie Kompo­nenten für die Elektro­mobilität. Das Unter­nehmen hat ein umfassendes Daten­erfas­sungs- und Über­wachungs­system eingerichtet, das den Strom- und den Druck­luft­verbrauch erfasst. Dazu gehört die Visualisierung des Strom­ver­brauchs auf Produk­tions­linien­ebene, damit beispiels­weise der Energie­verbrauch für die Herstellung einzelner Komponenten ermittelt werden kann. Künftig werden auch die Kühlwasser-, die Kaltwasser- und die Kühl­flüs­sig­keits­mengen sowie die genutzte Wärme gemessen. Pro Linie wurden Grund­last­ziele in kW für produk­tions­freie Zeiten festgelegt. Durch die Umsetzung dieser Art von Grund­last­manage­ment in den Jahren 2016 und 2019 konnten bisher 52% der ursprüng­lichen elektrischen Grundlast sowie 14% der Druck­luft­grundlast eingespart werden. Im Vergleich mit den Energie­ein­sparungen fällt der für die Daten­sammlung und Auswertung benötigte Strom­verbrauch kaum ins Gewicht.

Die Optimierung der Produktions­abläufe mittels Digi­tali­sie­rung stand bei Smurfit Kappa, einem schwedischen Hersteller von Verpackungs­karton, im Fokus. Bei einer jährlichen Produk­tions­kapazität von bis zu 700'000 t Karton lohnen sich schon kleinere Verbes­serungen. Für die Produk­tions­planung wurde ein simula­tions­basiertes Tool eingeführt, das mit Echtzeit­daten ermöglicht, daten­gestützte Entschei­dungen zu fällen. Früher wurden nur histo­rische Daten und das Bauchgefühl der Produktplaner eingesetzt. Auch die täglichen Abläufe wurden angepasst, denn nun findet jeden Morgen ein kurzes Planungs­meeting statt, in dem die Analysedaten für einen Feinabgleich der Produktion berücksichtigt werden. Dies ergibt eine höhere betriebliche Flexibilität, reduziert den Stromverbrauch und sorgt für einen reibungsloseren Betrieb der Anlage und tiefere Wartungskosten. Zudem ist die energetische Flexibilität höher, es lässt sich also besser auf veränderte Nachfrage- oder Strom­preis­situationen reagieren. Da es nicht nötig war, neue Sensoren oder andere Hardware zu installieren, beschränkten sich die Investi­tionen auf die Einführung einer neuen Software und der nötigen Ausbildung des Personals. Obwohl für die Verwendung der Model­lierungs­software regelmässig Kosten anfallen, sollen die Inves­titions­kosten nach etwa zwei Jahren amortisiert sein.

Aktive Rolle der Digi­tali­sie­rung

Von den untersuchten Firmen setzten vier auf eine aktive Rolle der Digi­tali­sie­rung: Ikea, Hamilton Bonaduz, Innio Jenbacher sowie Coca Cola HBC Austria. Bei Hamilton und Coca Cola wurde auch die Hardware erneuert.

Das schwedische Möbelhaus Ikea hat ein Projekt durchgeführt, bei dem an bestimmten Standorten die Prinzipien der Last­ver­schiebung in Kühl­häusern getestet wurden. Die Kühlung wird für die Restaurants und die Lebens­mittel­geschäfte eingesetzt. 2018 hatte Ikea in den rund 400 Restaurants global rund 650 Millionen Gäste, was einen beträchtlichen Energie­auf­wand für die Kühlung erfordert. Finanziert wurde das Projekt durch die schwedische Inno­vations­agentur Vinnova. Das Projekt ermöglichte es, die Lasten für die Kühlung in die Nachtstunden zu verlagern. Es demonstrierte, dass sich der Strom­verbrauch gleich­mässiger verteilen lässt, wenn die gespeicherte Kühlenergie während dem Tag zu Spitzenzeiten genutzt wird. Durch tiefere Strompreise und niedrigere Aussen­tempe­raturen in der Nacht konnten für die Kühlung Kosten reduziert und Energie gespart werden. Zudem wurde durch die Feinabstimmung von Steuerparametern die Anzahl der Kom­pressor­starts deutlich reduziert, was die Lebensdauer der Kompo­nenten verlängert und zu höherer Effizienz führt. In Spitzen­zeiten wurde der Verbrauch um die Hälfte reduziert. Zusammen mit anderen Massnahmen zur Betriebs­opti­mierung wurde ein Fünftel weniger Strom verbraucht.

Bei den Unternehmen Hamilton Bonaduz und Hamilton Medical, die im Kanton Graubünden medizinische Geräte sowie Labor­aus­rüstungen entwickeln und herstellen, ging es um die Über­arbeitung des Druck­luft­systems. Für die Produk­tions­maschinen wird ein Luftdruck von 7,5 bar genutzt. Dazu waren fünf Kom­pres­soren installiert, zwei davon mit variabler Geschwin­digkeit. Das Druck­luft­system arbeitet kontinuierlich, aber es waren nicht immer die gleichen Kom­pres­soren im Einsatz, denn sie werden je nach Prozess­bedarf zu- oder abgeschaltet.

Der Einsatz von Kompressoren mit fester Drehzahl für die Grundlast und mit variabler Drehzahl für den jeweiligen Verbrauch, kombiniert mit dem neu installierten Druckluftmanagementsystem, das das System mit um 0,5 bar tieferem Druck betreibt, führte zu einer Stromeinsparung von 16%. Das Druck­luft­manage­ment­system ermöglicht Kompressor-Retrofits sogar anderer Hersteller.

Bei Coca-Cola HBC Austria stand die Optimierung der Lüftung im Vordergrund, um den Energiebedarf während der produk­tions­freien Zeiten zu reduzieren (Bild 2). Die Firma stellt in Edelstal, Österreich, Getränke her. Vor der Optimie­rung betrug der Stromverbrauch der grössten 18 Belüftungs­anlagen in der Fabrik rund einen Zehntel des gesamten Stromverbrauchs, also rund 3 GWh. Die Lüftungs­anlagen wurden in das neu instal­lierte Gebäude­manage­ment­system integriert. Dabei wurden Anlagen, die bisher nicht variabel betrieben werden konnten, mit einer Ansteuerung für variablen Betrieb ausgerüstet. Zudem wurde untersucht, bei welchen kritischen Produk­tions­maschinen zu welcher Zeit der maximale Luftfluss garantiert sein muss, um ausserhalb dieser Zeiten den Luftfluss zu reduzieren. Insgesamt wurde der Energiebedarf im Normalbetrieb um etwa 15% gesenkt. Die Amorti­sations­zeit für die Massnahmen betrug weniger als drei Jahre.

Ein weiteres Beispiel ist Innio Jenbacher, ein Unter­nehmen, das in Jenbach, Österreich, Gas­motoren herstellt. Die Firma hat den Energie­verbrauch während der betriebs­freien Zeit am Wochen­ende kritisch überprüft und neue Schwellen­werte für den Energie- und Druck­luft­bedarf festgelegt (Bild 3). Deren Verbräuche werden durch einen wöchent­lichen Bericht überwacht, der gezielte Eingriffe bei Unregel­mässig­keiten ermöglicht. Dadurch konnte der Bedarf an elektri­scher Energie und Druckluft der überwachten Maschinen am Wochenende um 30% gesenkt werden. Dies entspricht einer jährlichen Einsparung des Energie­verbrauchs von etwa 200 Haushalten. Nebeneffekt der Strategie ist, dass das Energie­moni­toring auf Fehler wie Leckagen aufmerksam macht, die sonst unentdeckt bleiben und den Energie­verbrauch unnötig erhöhen würden.

Fazit

Die Auswertung der Fallstudien führte zu mehreren Einsichten. Durch die Digi­tali­sie­rung stellten sich die Unternehmen die grundsätzliche Frage, wann und wie Energie in den Prozessen verwendet wird. Somit wurde Transparenz geschaffen, die Opti­mie­rungen ermöglicht.

Das Einspar­poten­zial unterscheidet sich von Firma zu Firma beträchtlich. Es hängt hauptsächlich davon ab, ob die von der Digi­tali­sie­rungslösung bereitgestellte Information auch wirklich zur Erhöhung der Energie­effizienz eingesetzt wird und wie die Ausgangslage aussieht, d. h. ob bereits optimierte Antriebe vorhanden sind und Vorarbeiten geleistet wurden oder ob veraltete Systeme installiert sind.

Die Digi­tali­sie­rung bei elektri­schen Antrieben kann nicht nur Energie sparen, sondern wirkt sich auch in anderen Bereichen positiv aus: Sie reduziert Produktions­unter­brüche und Unter­halts­arbeiten, erhöht die Lebensdauer der Komponenten und führt schliesslich zu einer höheren Produktionskapazität.

Referenzen

[1] Konstantin Kulterer, Deyan Dimov, Peter Bennich, Roger Nordman, Maarten van Werkhoven, Rita Werle, «Digitalisation in electric motor systems – Part I: Findings for policy makers», EMSA, 2024.

[2] Konstantin Kulterer, Deyan Dimov, Peter Bennich, Roger Nordman, Maarten van Werkhoven, Rita Werle, «Digitalisation in electric motor systems – Part II: Technical recommendations for industrial end-users», EMSA, 2024.

[3] Rita Werle, Peter Bennich, Frank Hartkamp, Pascal Kienast, Konstantin Kulterer, Valeria Lundberg, Roger Nordman, Maarten van Werkhoven, «Digitalisation in electric motor systems – Part III: Catalogue of case studies», EMSA, 2024.

[4] Fabian Eichin, Rita Werle, Maarten van Werkhoven, «Digitalisation in electric motor systems – Part IV: Energy consumption due to the digitalisation of electric motor systems», EMSA, 2024.

Link

www.iea-4e.org/emsa

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

Kommentare

Bitte rechnen Sie 1 plus 8.