Eine Alternative für Pumpspeicher
Druckluftspeicher
Das Schweizer Energiesystem ist im Wandel. Der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie soll mehrheitlich durch den Ausbau von Sonnenenergie kompensiert werden. Um den steigenden Strombedarf von Gebäuden und der Mobilität mit der intermittierenden Sonnenenergie in Einklang zu bringen, werden Energiespeicher benötigt. Dazu bieten sich auch Druckluftspeicher an.
Eine ausgereifte Speichertechnologie, die in der Schweiz bereits seit Jahrzehnten eingesetzt wird, sind Pumpspeicher. Diese wurden in der jüngeren Vergangenheit benützt, um nachts mit Strom, der z. B. durch Kernkraftwerke produziert wurde und wegen der niedrigen Nachfrage günstig war, Wasser aus einem unteren in ein oberes Reservoir zu pumpen. Tagsüber wurde bei hoher Nachfrage mit aus dem oberen in das untere Reservoir fliessenden Wasser vergleichsweise teurer Strom produziert und durch die Preisdifferenz ein Profit erzielt. Heute ist diese Betriebsweise nicht mehr profitabel. Das liegt hauptsächlich daran, dass der starke Ausbau von Sonnen- und Windenergie in Europa zu einem Zerfall der Strompreisdifferenzen geführt hat, ist aber auch darauf zurückzuführen, dass die systemdienlichen Eigenschaften von Energiespeichern wegen falscher oder fehlender Anreize nicht genügend gewürdigt werden.
In Zukunft könnten Pumpspeicher tagsüber überschüssigen Solarstrom speichern und ihn abends und nachts wieder ins Netz einspeisen. Wegen grosser Unsicherheiten in den künftigen Strompreisen ist es nicht möglich, verlässliche Aussagen zur Profitabilität dieser Betriebsweise zu machen. Gekoppelt mit beträchtlichen Kapitalkosten, Lebensdauern von rund 60 bis 80 Jahren, allfälligen Einsprachen durch Naturschützer und möglichen Veränderungen im Wasserkreislauf durch den Klimawandel resultieren hohe Investitionsrisiken.
Druckluftspeicher könnten eine Alternative zu Pumpspeichern darstellen, da sie ähnliche Anlageneffizienzen (etwa 65 bis 75% im Vergleich zu etwa 85%) erreichen und die geschätzten spezifischen Kapitalkosten unter denjenigen von Pumpspeichern liegen. Zudem haben Druckluftspeicher die Vorteile, dass sie komplett unterirdisch gebaut werden können (somit sind Eingriffe in die Natur minim) und dass sie mit Luft anstelle von Wasser arbeiten, womit sie von möglichen Veränderungen des Wasserkreislaufs nicht betroffen sind.
Die Funktion von Druckluftspeichern
Das Funktionsprinzip von Druckluftspeichern ähnelt dem von Pumpspeichern: Überschüssiger Strom treibt über einen elektrischen Motor einen Kompressor an, der die Umgebungsluft verdichtet. Die verdichtete Luft wird in einem unterirdischen Hohlraum gespeichert. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die verdichtete Luft in einer Turbine expandiert, die über einen Generator Strom erzeugt. Aus der Turbine fliesst die Luft zurück in die Umgebung. Die Energiemenge, die somit gespeichert werden kann, hängt hauptsächlich vom maximalen und minimalen Luftdruck im Hohlraum und dem Hohlraumvolumen ab.
Wenn 500 MWh an elektrischer Energie gespeichert werden sollen und der Druck im Hohlraum zwischen 70 und 100 bar variiert, wird ein Volumen von etwa 177'000 m3 benötigt. Auf den ersten Blick mag dieses Volumen gross erscheinen, aber es sollte bedacht werden, dass das Volumen der Maschinen- und Transformatorenhallen des Pumpspeicherwerks Linth-Limmern insgesamt rund 244'000 m3 beträgt.
Sogenannte diabatische Druckluftspeicher sind seit 1978 in Huntorf, Deutschland, und seit 1991 in McIntosh, USA, im Einsatz. Sie werden als «diabatisch» bezeichnet, weil die bei der Verdichtung entstehende Wärme an die Umgebung abgegeben wird, unter anderem weil die Salzablagerungen, in denen die verdichtete Luft gespeichert wird, keine hohen Temperaturen vertragen.
Die Abgabe der Wärme bringt mehrere Nachteile mit sich. Um eine Vereisung der Turbine zu vermeiden, muss der Luft vor der Expansion wieder Wärme zugeführt werden. Wenn dies wie in den Druckluftspeichern von Huntorf und McIntosh durch die Verbrennung von Erdgas geschieht, werden Treibhausgase ausgestossen. (Für Huntorf wird zurzeit die Substitution von Erdgas durch Wasserstoff untersucht.) Durch die Wärmeabgabe und -zufuhr resultieren relativ niedrige Anlageneffizienzen von 40 bis 50%.
Die oben genannten Anlageneffizienzen von etwa 65 bis 75% können durch sogenannte adiabatische Druckluftspeicher erreicht werden. Die Bezeichnung «adiabatisch» bedeutet, dass der Luft nach der Verdichtung die Wärme entzogen, gespeichert und vor der Expansion wieder zugeführt wird. Somit entsteht ein Druckluftspeicher, der ohne die Verbrennung von Energieträgern auskommt und keine Treibhausgase ausstösst.
Die Erforschung adiabatischer Druckluftspeicher ist seit 2014 das Ziel von mehreren Schweizer Projekten, in denen industrielle und akademische Partner zusammenarbeiten.
![Schema eines adiabatischen Druckluftspeichers.](files/content/news-articles/B_Artikel/Archiv/2021/2106/B_2106_Haselbacher/B_2106_Haselbacher_Bild_1.png)
Schweizer Pilotanlage
Da die Schweiz im Gegensatz zu Norddeutschland und den Südstaaten der USA über keine geeigneten Salzablagerungen verfügt, stand zuerst primär das Studium von in Fels ausgebrochenen Hohlräumen im Vordergrund. Dafür wurde in einem ehemaligen Versorgungsstollen, der bei Pollegio für den Bau des Gotthard-Basistunnels angelegt wurde, eine Pilotanlage erbaut – die weltweit erste eines adiabatischen Druckluftspeichers. Mit zwei rund 5 m dicken Betonzapfen wurde ein etwa 120 m langer Hohlraum mit einer durchschnittlichen Überlagerung von 450 m abgetrennt, der für Drücke von bis zu 33 bar ausgelegt war. Mit Ausnahme der Felsoberfläche bei den beiden Zapfen wurde der Hohlraum nicht mit Abdichtungsfolien ausgerüstet. Aus Kostengründen wurde auf die Installation einer Turbine und eines Generators verzichtet.
Ebenfalls von Interesse war das Studium von Wärmespeichern bei diesen Drücken. Im Hohlraum wurden deshalb zwei Wärmespeicher untergebracht, die mit Hilfe von Kieselsteinen und einer in Stahlröhren abgefüllten Aluminium-Kupfer-Silizium-Legierung Wärme speicherten. Das Unterbringen der Wärmespeicher im Hohlraum ist vorteilhaft, weil deren Struktur damit keinen Druckdifferenzen widerstehen muss und somit einfacher und günstiger ist. Bei den Versuchen mit Temperaturen von bis zu 550°C konnte gezeigt werden, dass sich die Wärmespeicher wie von den Modellen vorhergesagt verhielten und dass, falls die Pilotanlage mit einer Turbine ausgerüstet gewesen wäre, die Anlageneffizienz 63 bis 74% betragen hätte. Dass diese Werte sehr nahe an den theoretischen Werten von 65 bis 75% lagen, wurde als vielversprechend erachtet und Folgeprojekte wurden lanciert.
Im ersten Folgeprojekt wurden zweistufige Druckluftspeicher, die mit bestehenden industriellen Kompressoren und Turbinen ausgerüstet waren, durch Simulationen studiert. Das Unterteilen der Verdichtung und Expansion in je zwei Stufen, mit einem Hohlraum und einem oder mehreren Wärmespeichern pro Stufe, führt zu niedrigeren Maximaltemperaturen. Wenn der Druck im ersten Hohlraum (dem sogenannten Niederdruckhohlraum) konstant bei 10 bar liegt und der maximale Druck im zweiten Hohlraum (dem sogenannten Hochdruckhohlraum) 100 bar beträgt, wird eine Maximaltemperatur von etwa 320°C erreicht. Würde in einer Stufe auf 100 bar verdichtet, würde die Maximaltemperatur etwa 950°C betragen. Durch die niedrigeren Temperaturen können günstigere Materialien eingesetzt und die Anfahrzeiten verkürzt werden. Kurze Anfahrzeiten sind wichtig, damit Druckluftspeicher auch im Sekundärregelmarkt teilnehmen und ihre Profitabilität erhöhen können. Die Simulationen, in denen die Massenstrom- und Druckabhängigkeit der Kompressoren- und Turbineneffizienzen berücksichtigt wurden, zeigten, dass bestehende Kompressoren und Turbinen eingesetzt werden und auch unter realistischen Betriebsbedingungen zu Anlageneffizienzen von 65 bis 75% führen können. Die Simulationen zeigten auch, dass die Teilnahme im Sekundärregelmarkt durchaus realistisch ist, bei kurzen Betriebsdauern aber zu Einbussen in der Anlageneffizienz führen kann. Weitere Untersuchungen zum Verhalten von Druckluftspeichern im Sekundärregelmarkt sind notwendig.
![Sensibel-latenter thermischer Speicher in der Pilotanlage bei Pollegio.](files/content/news-articles/B_Artikel/Archiv/2021/2106/B_2106_Haselbacher/B_2106_Haselbacher_Bild_2.jpg)
Es muss abgedichtet werden
Die Versuche mit der erwähnten Pilotanlage zeigten auch, dass zwischen den Zapfen und der Felsoberfläche Luft entwich. In einem zweiten Folgeprojekt wurde deshalb untersucht, wie bestehende Abdichtungsfolien benützt werden können, um Luftverluste aus Hohlräumen von Druckluftspeichern zu vermeiden. Die Laboruntersuchungen bei 40°C und bis zu 100 bar ergaben, dass bestehende 3 mm dicke Folien ausreichend dicht sind. Die Untersuchungen zeigten auch, dass die Folien bei hohen Drücken durch Unebenheiten, die beim Ausbrechen der Hohlräume entstehen, durchbohrt werden können. Deshalb wurde ein mehrschichtiges Abdichtungskonzept entwickelt, in welchem zuerst rund 5 cm feinkörniger Spritzbeton auf den Fels aufgetragen wird, gefolgt von einer 1,4 cm dicken Gummischutzmatte und der Folie. Dieses Konzept sollte nun mit Hilfe eines kleinen, speziell für diesen Zweck konstruierten Hohlraums unter realistischen Betriebsbedingungen getestet werden. Mit Unterstützung von Armasuisse Wissenschaft & Technologie wird bald die Auslegung und Konstruktion des Hohlraums untersucht.
Geeignete Standorte
Neben den Abdichtungsfolien wurden im zweiten Folgeprojekt noch zwei weitere Aspekte untersucht: Wo in der Schweiz Druckluftspeicher gebaut werden könnten und wie deren Maschinenhalle und Speicherhohlräume aus geomechanischer Sicht ausgelegt werden sollten. Bezüglich des Standorts ist es sinnvoll, zunächst Gebiete zu berücksichtigen, die in der Nähe der Oberfläche Gesteine sehr guter Qualität aufweisen. Das Grimselgebiet ist von besonderem Interesse, weil wegen des Nagra-Felslabors und den Anlagen der Kraftwerke Oberhasli Daten zur Geologie des Untergrunds gesammelt wurden und ein Druckluftspeicher an das bestehende Übertragungsnetz angeschlossen werden könnte.
Mit Hilfe vom Online-Geoinformationssystem des Bundes wurden vier Standorte in der Nähe des Grimselpasses untersucht. Die Standorte wurden unter anderem so gewählt, dass sich der Zugang in steilem Gelände befindet, damit die notwendige Überlagerung rasch erreicht wird und so der Zugangsstollen möglichst kurz ist.
An den Standorten wurden für einen Druckluftspeicher zur Speicherung von 500 MWh elektrischer Energie und einem maximalen Druck von 100 bar die Hohlräume, die Maschinenhalle und die Zugangsstollen ausgelegt. Für den Hochdruckhohlraum wurden ein Schacht und eine Kaverne untersucht. Die geschätzten Rohbaukosten bewegen sich zwischen 70 und 81 Mio. CHF. Zusammen mit den anderen Komponenten der Anlagen betragen die geschätzten Kapitalkosten des Druckluftspeichers etwa 150 Mio. CHF.
Eine gute Alternative
Abschliessend lässt sich festhalten, dass Druckluftspeicher eine vielversprechende Alternative zu Pumpspeichern darstellen. Dank den Untersuchungen mit der Pilotanlage bei Pollegio konnte gezeigt werden, dass Druckluftspeicher eine ähnlich hohe Effizienz wie Pumpspeicher aufweisen.
Aufgrund der bisherigen Arbeiten scheinen die Kapitalkosten von Druckluftspeichern deutlich unter denjenigen von Pumpspeichern zu liegen. Da Druckluftspeicher komplett unterirdisch gebaut werden können, werden sie wahrscheinlich auf geringere Widerstände stossen als der Bau oder der Ausbau von Pumpspeichern.
Der Bau des weltweit ersten adiabatischen Druckluftspeichers in der Schweiz wäre eine Pionierleistung, die dem Bau des weltweit ersten diabatischen Druckluftspeichers in Huntorf durch die damalige BBC gleichkommen würde. Die dafür notwendige Expertise, vom Ausbruch der Hohlräume über die Turbomaschinen bis zur elektrotechnischen Ausrüstung, ist allesamt in der Schweiz vorhanden.
Folgende Personen haben zu den in diesem Artikel beschriebenen Arbeiten beigetragen: Amberg Engineering: Felix Amberg, Franz Pacher; BKW: Michel Arnal, Adrian Kammer; EPFL: Selmar Binder, Sophia Haussener; ETH: Georgios Anagnostou, Viola Becattini, Alice Brauchart, Turhan Demiray, Alexander Fuchs, Jared Garrison, Pablo Gassmann, Lukas Geissbühler, Erich Pimentel, Philipp Roos; MAN Energy Solutions Schweiz AG: Emmanuel Jacquemoud, Philipp Jenny, Martin Scholtysik; PSI: Christian Bauer, Peter Burgherr, Thomas Motmans, Chris Mutel, Warren Schenler; Sika: Yves Boissonnas, Martin Londschien; SUPSI: Jonathan Roncolato, Simone Zavattoni; Swissgrid: Jonas Mühlethaler, Angelos Selviaridis.
Die Arbeiten wurden durch das Bundesamt für Energie, das Nationale Forschungsprogramm «Energiewende» (NFP 70) des Schweizerischen Nationalfonds, das Schweizer Kompetenzzentrum für Wärme- und Elektrizitätsspeicherung (SCCER HaE) der Innosuisse und industrielle Partner unterstützt.
Auf Youtube erläutert ein Film die Versuche mit der Pilotanlage. Weitere Informationen findet man auf nfp-energie.ch/de/dossiers/191.
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