Ein Standard für das Smart Grid
Damit sich Wärmepumpen, Ladestationen und PV-Anlagen verstehen
Noch gibt es keinen gemeinsamen Kommunikationsstandard, um Geräte ins Smart Grid einzubinden. Das Label SmartGridready und der EEBus-Standard arbeiten darauf hin.
Besitzer von Photovoltaikanlagen optimieren ihren Eigenverbrauch mit der Wärmepumpe: Sie heizen das Haus oder das Warmwasser dann, wenn die Sonne scheint. Genauso können flexible Lasten wie Elektroautos oder Batterien genutzt werden. Ein Energiemanager schaltet die Flexibilitäten im Haus je nach Situation. Besonders flexible Lasten passen ihre Leistung dem eingespeisten Strom an: Wärmepumpen mit Inverter regeln die Leistung stufenlos, ebenso fein steuern Ladesäulen den Strom für Elektroautos.
Ein Standard fehlt
Was es aber heute nicht gibt, ist ein gemeinsamer Kommunikationsstandard, mit dem ein Energiemanager alle Geräte ansteuern könnte. Wer ein Haus baut, kann die Geräte nicht beliebig kombinieren. Ein Systemintegrator muss die Listen der Hersteller durchgehen und kontrollieren, welcher Energiemanager mit welchem PV-Inverter, welcher Wärmepumpe und welcher Ladesäule kompatibel ist. Wer Jahre später ein Gerät austauschen will, steht vor demselben Problem: Welches Gerät kann ich in mein bestehendes System einbinden?
Im Verteilnetz weniger weit
Noch anspruchsvoller wird es, wenn ein Verteilnetzbetreiber die Flexibilitäten im Netz steuern will. Seit den 1970er-Jahren gibt es in der Schweiz zwar die Rundsteuersignale, mit denen Wärmepumpen oder Waschmaschinen blockiert werden können. Aber flexible Lasten in einem Quartier gezielt zu regeln, um Energiespitzen zu verhindern, ist kaum möglich.
Genau dafür wären die flexiblen Lasten aber ideal: Wenn in einem schwachen Strang des Verteilnetzes eine grosse PV-Anlage installiert oder in einer Tiefgarage mehrere Parkplätze mit Ladestationen für Elektroautos ausgerüstet werden, steigen die Spannungen oder Ströme rasch über die Werte, für die die Leitungen ausgelegt sind. Der Verteilnetzbetreiber steht nun vor der Frage, ob neue Leitungen eingezogen werden sollen.
Flexibilitäten nutzen
Er könnte die Wärmepumpen und Ladestationen im Verteilnetz gezielt als Flexibilitäten nutzen, um die wenigen Situationen im Jahr zu entschärfen, in denen Überspannungen oder zu grosse Ströme auftreten (siehe Artikel «Intelligenz im Verteilnetz» im Bulletin 8/2020). Auch die Einspeisung aus PV-Anlagen könnte für kurze Zeit limitiert werden. Was fehlt: Ein gemeinsamer Kommunikationsstandard, mit dem ein Netzbetreiber alle Flexibilitäten ansteuern könnte.
Paul Hugentobler, Geschäftsführer Technik bei Optimatik, sagt, dass die Systeme heute oft so ausgeliefert und getestet würden, dass die Smart Meter über Relais Lasten oder PV-Anlagen ansteuern könnten, im Alltag werde das Potenzial aber bei Weitem nicht ausgenutzt. «Das wird rapide zunehmen in den kommenden Jahren», sagt Hugentobler. «Heute drückt der Schuh noch nicht bei den PV-Anlagen, aber für 2035 erwarten wir drei- bis siebenmal mehr PV-Strom.» Noch schneller dürfte es bei der E-Mobilität gehen, sagt er.
Gemäss Hugentobler gibt es viele Kommunikationsstandards, um die Flexibilitäten anzusteuern, aber keiner habe sich durchgesetzt. Bei den PV-Anlagen, Wärmepumpen, Elektroautos und Batterien herrsche ein Wildwuchs – das grösste Hemmnis beim Smart Grid. Heute baue man eine Schnittstelle nach der anderen.
Modbus-TCP im Haus
Zurück zur Kommunikation im Haus: Hier ist es bereits üblich, dass die Geräte untereinander kommunizieren, um den Eigenverbrauch zu optimieren. Viele Hersteller unterstützen das einfache Modbus-TCP-Protokoll: «Die Informationen stehen in Registern, die man nur auslesen muss», erklärt Arne Meeuw, CTO bei Exnaton und verantwortlich für die Technik im Quartierstrom-Projekt. Modbus ist ein älterer Standard aus der Industrieautomation, der in der Gebäudetechnik Einzug fand und 2018 mit einer Datenverschlüsselung und Authentisierung erweitert wurde.
«Trotzdem fehlt eine Standardisierung», sagt Meeuw. «Es ist nicht einheitlich, welche Daten in welchen Registern stehen. Ein Standard würde zudem weitere Dinge regeln, beispielsweise, dass sich eine Wärmepumpe vor zu vielen Starts schützt. Heute machen das einige Hersteller, andere nicht.»
Jeder Hersteller anders
Hans Fischer, Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung bei Solar Manager, dem Hersteller eines Energiemanagers: «Heute hat jeder Gerätehersteller eigene Vorstellungen des externen Eingriffs – in welche Tiefe eingegriffen werden kann und wie es abläuft.» Der Solar Manager unterstützt rund 150 Geräte. Der Aufwand, neue Geräte einzubinden, sei unterschiedlich: «Es gibt Hersteller, die auf standardisierte Schnittstellen setzen. Hier müssen wir nur noch über Register und Inhalte diskutieren. Andere stellen Programmierschnittstellen zur Verfügung (API) und wieder andere nutzen eigene, proprietäre Kommunikationslösungen. Letztere sind die aufwendigsten für uns», erklärt Fischer die Situation.

SmartGridready entsteht
Aus einer Initiative der Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände KGTV und des Vereins Smart Grid Schweiz VSGS, einer Gruppe von Verteilnetzbetreibern, wurde bereits 2016 diskutiert, wie ein Standard definiert werden könnte. Mit Unterstützung des Bundesamts für Energie BFE wurde eine Schnittstelle ausgearbeitet, um das Smart Grid zu steuern: 2019 wurde der Verein SmartGridready gegründet.
SmartGridready stellt Informationen zur Verfügung: Welche Werte wo abgerufen oder geschrieben werden können. Es bewegt sich auf dem Information Layer und nutzt die bestehenden Kommunikationsprotokolle wie den Modbus-TCP oder KNX im Gebäude. Christoph Brönnimann ist bei SmartGridready verantwortlich für die Technik: «Wir fokussieren auf Funktionsprofile. Unser Ziel ist ein offener, neutraler Standard, der alle Technologie-Generationen unterstützt. Vom Schaltkontakt bis zu dynamischen Tarifmodellen.»
Funktionsprofile für den Datenaustausch
Die Funktionsprofile sind gegliedert in verschiedene Stufen (Tabelle): 1 und 2 sind einfache, diskrete Signale wie Rundsteuersignale oder Schaltkontakte wie SG Ready, mit denen Wärmepumpen zum Heizen aufgefordert werden. SmartGridready ist nicht zu verwechseln mit SG Ready. Letzteres ist die bereits verbreitete Schnittstelle über Schaltkontakte. SmartGridready ist das neu lancierte Label, das eine bessere Transparenz in der Datenkommunikation zwischen Gebäudetechnik und Smart Grid schaffen will. Brönnimann vermeidet das Wort «Standard», da Smart
Gridready kein formaler Standard unter IEC oder Cenelec sei, sondern eine «Brücke» zwischen bestehenden Standards.
Stufe 3 arbeitet mit festen Kennlinien, z. B. Blindleistungskennlinien oder Einspeisereduktion bei PV-Anlagen, wie sie zwischen Netz- und Anlagenbetreiber vereinbart werden. Stufe 4 und 5 arbeiten mit dynamischen Anreizen (Tarifen) oder Leistungsprofilen, die für eine bestimmte Zeit gelten respektive bei Stufe 5 dynamisch angepasst werden. Typische Anwendungen sind Prosumer-Anlagen oder Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV).
Quellcode per Mausklick
SmartGridready lehnt sich an IEC 61850 an, einen Standard für Unterwerke und Schaltanlagen. Für die physikalische Kommunikation stehen Webtechnologien und das IP-Protokoll im Vordergrund. Brönnimann: «Unser Ziel ist, dass ein neues Gerät mit einem Mausklick integriert werden kann.» Der Hersteller eines Energiemanagers kann den Quellcode zur Integration eines Geräts bei SmartGridready herunterladen. Die Hersteller der Geräte wiederum stellen SmartGridready das Device Profil als XML-Datei zur Verfügung.
Aktuell sind die Funktionsprofile für die Stufe 1 definiert und werden in Testanlagen auf Herz und Nieren geprüft. Eine der Anlagen steht bei Energie Thun. Elf Firmen sind an den Tests beteiligt, weitere kommen dazu. Auch Exnaton wird SmartGridready testen: «Wir interessieren uns sehr dafür», sagt Arne Meeuw. Der Standard sei noch im Show Case Stadium, sehe aber gut aus. «Jeder Hersteller kann sein Interface auf SmartGridready abstrahieren. Es ist ein Mapping von Registern und Daten.»

Aktiv in der Normierung
Noch ist es eine Schweizer Initiative. Christoph Brönnimann ist aber aktiv im Cenelec TC 205, wo er sich in der Working Group WG 18 zu Customer Energy Manager & Ressource Manager einbringt. Christoph Brunner von SmartGridready ist wiederum Mitglied im IEC TC 57 in der Working Group 17 zu Distributed Energy Resources und Roland Ullmann in der Cenelec TC 205 WG 19 zur Ontologie, der formalen Darstellung von Informationen. Gemeinsam versuchen sie, SmartGridready als internationalen Standard einzubringen.

Hersteller legen Schnittstellen offen
Ein Standard entwickelt sich dann, wenn er von vielen Herstellern unterstützt wird. Was machen also die Gerätehersteller? Stiebel Eltron ist einer der grösseren Hersteller von Wärmepumpen in Europa. Fachverantwortlicher für die Technik ist in der Schweiz Zdravko Djuric: «Unsere Wärmepumpen können über SG Ready mit Relais angesteuert werden, über eine analoge 0-bis-10-V-Schnittstelle oder über einen Bus. Hier unterstützen wir Modbus-TCP und KNX – wobei 90% unserer Kunden Modbus einsetzen.» Die analoge 0-bis-10-V-Schnittstelle sei etwas für Spezialisten, die ihre eigene SPS programmieren. Damit ist es möglich, die Temperatur der Wärmepumpe zu regulieren – im Sommer sogar um zu kühlen.
Bei den Busschnittstellen verfolgt Stiebel Eltron den Ansatz, alle Informationen offenzulegen. Für den Modbus sind rund 230 Datenpunkte mit ihren Adressen definiert, wo Vorlauftemperaturen, Drücke und Volumenströme ausgelesen werden können. Djuric: «Solltemperaturen und Heizkurven können über den Modbus eingestellt werden. Für den Hausbesitzer können die Energiedaten ausgelesen werden.» So nutzt der oben genannte Solar Manager die Schnittstelle von Stiebel Eltron, um den Eigenverbrauch im Haus zu optimieren: Die Solltemperaturen werden angepasst und das Gebäude als Wärmespeicher verwendet.
Geräte aufeinander abstimmen
Es reiche aber nicht, nur die Daten zur Verfügung zu stellen, sagt Djuric: «Wenn ein Hersteller eines Energiemanagers auf uns zukommt, helfen wir ihm, das Haus richtig zu regeln.» Auch Falko Schmidt, Produktmanager Solartechnik bei SMA sagt: «Man muss sich abstimmen mit anderen Herstellern.» SMA unterstützt die Modbus-Schnittstelle mit einer offenen Dokumentation: Nach einer eigenen, proprietären Modbus-Schnittstelle und nach dem genormten Format der SunSpec Alliance – einem Standard aus den USA, der sich im PV-Bereich durchgesetzt hat. Daneben entwickelte SMA für das Energiemanagement das eigene Kommunikationsprotokoll SEMP, das nun zunehmend vom EEBus ergänzt wird. EEBus wird von vielen deutschen Herstellern im Bereich Photovoltaik, Wärmepumpen, aber auch Waschmaschinen (weisse Ware) und Fahrzeugherstellern getragen. «Wir bauen stark auf EEBus», sagt Jochen Bornemann, verantwortlich für den Digitalbereich bei SMA.
EEBus und SmartGridready
Konkurrenzieren sich EEBus und SmartGridready ? Zdravko Djuric von Stiebel Eltron Schweiz sieht das nicht so: «EEBus und SmartGridready ergänzen sich. EEBus ist der Datenkanal, SmartGridready die gemeinsame Sprache.» EEBus definiert den Datenaustausch über mehrere Ebenen: Im Kommunikationslayer basiert er auf dem Standard-TCP/IP-Protokoll, definiert aber bestimmte Werte genau und verlangt beispielsweise eine TLS-Verschlüsselung. Die Daten werden im XML- oder JSON-Format übertragen. All dies ist im eigenen SHIP-Protokoll definiert. Im Information Layer (Spine) sind die Datenmodelle für die Geräte definiert: Welche Werte in den XML-/JSON-Dateien stehen.
Im Vergleich zu SmartGridready ist EEBus also ein grösseres Werk, das über mehrere Protokollschichten ausgearbeitet wurde und umfangreiche Werkzeuge für verschiedene Gerätegruppen zur Verfügung stellt: für weisse Ware, für Wärmepumpen, PV, Smart Meter oder Elektromobilität.
SmartGridready hingegen ist eine schlanke Schnittstelle auf dem Information Layer, die den Datenaustausch zwischen Herstellern ermöglichen will – über die ein Energiemanager auf die Geräte zugreifen kann. Auf der Kommunikationsschicht nutzt SmartGridready bestehende Protokolle wie Modbus (inklusive Sunspec), JSON REST oder den erwähnten EEBus. Die Anwendungsschicht wird den Herstellern der Geräte und Energiemanagern überlassen. Die Gestaltung der Anwendungsfälle überlässt SmartGridready dem Markt – den Herstellern der Geräte und Energiemanagern.
Anreize aus dem Netz
Während die Geräte im Gebäude lernen, miteinander zu kommunizieren, hat das Verteilnetz noch kaum Zugriff auf die Flexibilitäten im Haus. Das Netz und das Gebäude hätten unterschiedliche Interessen, sagt Henning Fuhrmann, Head of Pre-Development bei Siemens Building Products. «Das Gebäude will den Eigenverbrauch optimieren, das Verteilnetz will Einspeisepeaks und hohe Ströme vermeiden.» Ein System müsse den Betrieb des Gebäudes optimieren und dabei die Bedingungen des Netzes und des Energielieferanten berücksichtigen. «Vom Netz aus geht das nicht. Der Netzbetreiber kennt mein Gebäude nicht gut genug: den Wärmebedarf, die Speichergrössen und die Lastprognosen.» Fuhrmann sieht schliesslich ein Preissignal für Netznutzung und Energie als «Kommunikationsprotokoll» zwischen Netz und Gebäude – übertragen über Standard IP-Kommunikation.
Paul Hugentobler findet, dass der Netzbetreiber die Flexibilitäten je nach Anwendung direkt steuern können sollte. «Natürlich muss der Kunde beispielsweise über seine Heizung selbst verfügen und die Befehle des Energieversorgers übersteuern können. Aber wenn der Netzbetreiber Einspeisespitzen und Überlasten vermeiden will oder die Flexibilitäten poolen möchte, um Regelenergie anzubieten, muss er die Flexibilitäten zuverlässig steuern können. Nicht zwingend jedes einzelne Gerät, aber zumindest pro Gebäude.» Die Anwendungsfälle aus Sicht Verteilnetz und Gebäude würden sich nicht unbedingt widersprechen – die Situation ändere sich je nach Zeitpunkt, sei dynamisch, sagt Hugentobler. «Die Flexibilitäten können so geregelt werden, dass der Kunde keine Nachteile hat.»

TCP/IP und Webtechnologien
Hugentobler bestätigt, dass TCP/IP gesetzt ist in der Kommunikation zwischen Energieversorger, Netz, Gebäude und Kunden. Zur Integration von Backend-Systemen seien es häufig Message-Queue-Dienste wie MQTT. Endkundenportale würden über Webservices wie REST kommunizieren, das auf JSON basiert – um strukturierte Daten zu speichern und zu übertragen.
Um Flexibilitäten zu poolen, sei noch oft IEC 60870-5-104 im Einsatz, das aber schon älter sei, sagt Hugentobler. Arne Meeuw warnt, dass IEC 60870-5-104 keine Verschlüsselung kenne: «Man kann die Daten natürlich kapseln mit TLS, aber dann ist es kein Standard mehr.»
Elektromobilität als Treiber des Smart Grid
Bei der E-Mobilität hat sich laut Hugentobler noch kein Best Practice durchgesetzt. Klar sei, dass das Verteilnetz mit dem Charge Point Operator (CPO) oder direkt mit der lokalen Ladestation kommuniziert und so über die Ladestation den Strom regelt. «Auch bei anderen Flexibilitäten geht der Trend dazu, diese direkt oder über einen Energiemanager zu steuern und nicht nur über den Smart Meter», so Hugentobler.
Persönlicher Austausch ebenso wichtig
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob sich SmartGridready und EEBus etablieren können. Hans Fischer von Solar Manager, Paul Hugentobler von Optimatik und Arne Meeuw von Exnaton sind sich einig: Ein Standard würde ihre Arbeit erleichtern und dem Smart Grid Antrieb geben. Arne Meeuw relativiert aber auch: «Es ist gar nicht so viel Aufwand, die Geräte zu integrieren, wenn man von den Herstellern die Daten bekommt.» Die Schweiz sei überschaubar, es gebe nicht viele verschiedene Hersteller. «Es schafft auch Raum für Firmen, die Schnittstellen programmieren», so Meeuw. Zdravko Djuric findet, dass es genauso wichtig sei, dass sich die Leute in der Branche vernetzen und Wissen austauschen.
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