Fachartikel Energieeffizienz , Erneuerbare Energien

Ein Farb-Effizienz-Modell für PV-Module

Berechnungsmodelle für Farbe und Effizienz

18.09.2023

Farbige PV-Module werden immer häufiger eingesetzt, wenn Gebäudehüllen strom­produ­zierend, ästhetisch und individuell gestaltet sein sollen. Ein an der HSLU entwickeltes Modell zeigt nun auf, welche elektrische Effizienzen bei welchen Farben möglich sind. Und dies, ohne kosten- und zeit­inten­sive Muster herstellen zu müssen.

Es gibt viele Möglichkeiten, um PV-Module farbig zu machen. Organische PV-Module können von sich aus schon farbig sein. Traditionelle PV-Module auf Basis von schwarzen mono- oder polykristallinen PV-Zellen lassen sich hingegen nur durch vorgelagerte Folien und veredeltes Glas farbig machen. Mit Folien und Beschichtungen kann man eine kleine Farbpalette produzieren und «von der Stange» verkaufen. Bei mehrfarbigen PV-Modulen mit freier Farb- und Motivwahl führt kein Weg am digitalen Farbdruck auf Glas vorbei. Der Nachteil: Farbe reduziert meist die Stromproduktion. Andererseits erhöht Farbe die visuelle Akzeptanz in der gebauten Umwelt. PV-Anlagen werden dadurch an Orten bewilligt und installiert, wo es sonst nicht möglich wäre.

Raster Image Processor (RIP)

Das RIP-Verfahren wird beim Tintenstrahldrucker eingesetzt. Das Bild, das Millionen von Bildfarben enthalten kann, wird in Grundfarben separiert und für jede Grundfarbe eine Rastergrafik angelegt, die die Druckpunkte für diese Grundfarbe enthält. Dies wird von einem Raster Image Processor (RIP) berechnet, weswegen dieser Vorgang auch Rippen genannt wird. Beim anschliessenden Drucken werden die Druckpunkte der Rastergrafiken übereinander gedruckt, sodass sie sich wieder zu den Bildfarben mischen. Typische Glasdrucker separieren in die sechs Grundfarben Rot, Orange, Grün, Blau, Schwarz und Weiss. Bild 1 zeigt die Rastergrafik und ein resultierendes Druckbild.

Einbrennen der Farbe

Da Glas die Tinte nicht aufsaugen kann, bleibt sie als dünnflüssiger Film auf der Glasoberfläche und kann restlos wieder weggewischt werden. Nur über eine anschliessende Erhitzung im Ofen wird sie dauerhaft eingebrannt. Die Tinte enthält daher neben den Farbpigmenten und Verflüssigungsmitteln auch Glasstaub, der beim Erhitzen schmilzt, die Farbpigmente umschliesst und sie mit der aufgeweichten Glasoberfläche verschmilzt. Nach dem Abkühlen befinden sich die Farbpigmente damit «im» und nicht «auf» dem Glas mit dem Vorteil, dass sie weder abgekratzt werden können noch der Witterung ausgesetzt sind. Dieses Einbrennen mag als zusätzlicher und aufwendiger Prozess des Druckens erscheinen, ist er aber nicht. Das Erhitzen des Glases ist für das thermische Härten sowieso nötig, weil erst damit das Floatglas bautauglich wird.

Glanz und Transparenz

Eine Besonderheit beim Bedrucken von Glas liegt darin, dass sich die Druckfarbe auf der Oberfläche verändern kann. Das liegt am Glanz und der Transparenz des Glases. Der Glanz kann dazu führen, dass viele spiegelnde Objekte, Lichter und Farben die Farbe des Glases übersteuern. Dieser Effekt wird umso grösser, je flacher der Betrachtungswinkel wird. Die wahrgenommene Farbe ist also eine Mischung aus der gespiegelten Umgebungsfarbe und der Körperfarbe. Bei der Beurteilung von Farben muss man sich dessen bewusst sein und Situationen mit Spiegelungen vermeiden. Zum anderen bewirkt eine transparente Farbe, dass die PV-Zellen und elektrischen Komponenten sichtbarer werden. Auch hier ist die wahrgenommene Farbe eine Mischung der Körperfarbe und der durchschimmernden Hintergrundfarbe. Je transparenter eine Farbe ist, desto mehr Schwarz oder Dunkelblau der PV-Zellen mischt sich dazu und desto höher wird der «Schwarzanteil». Während man beim Drucken auf Papier die Bildfarbe erhält, bekommt man bei PV-Modulen je nach PV-Zelle Farben mit erhöhtem Schwarz-, Blau- oder Braunanteil.

Relative Effizienz (RE)

Da ein farbiges Frontglas weniger Licht durchlässt als ein klares Frontglas, erzeugt ein farbiges PV-Modul weniger Strom. Die Nennleistung wird meist absolut, z. B. mit 140 W angegeben, kann aber auch relativ zu einem baugleichen PV-Modul mit klarem Frontglas angegeben werden. Wenn Letztere eine Nennleistung von 195 W hat, dann beträgt die relative Effizienz des farbigen PV-Moduls entsprechend RE = 140 W/195 W = 72 %. Grundsätzlich ist die RE damit geeigneter, die Farbe leistungs­mässig zu charakte­risieren als absolute Werte, die keine Rückschlüsse auf deren Einfluss erlauben. In der Planung von Projekten hat sich deshalb RE etabliert und gezeigt, dass in vielen Fällen eine RE zwischen 70 und 80 % als guter Kompromiss angestrebt wurde.

Farbraum Lab

Es gibt diverse Systeme bzw. Farbräume zur Charakterisierung von Farben. Je nach Branche kommen entweder RAL, NSC oder Pantone zum Einsatz, mit denen rund 2000 bis 4000 Farben beschrieben werden. Nur der L*a*b*-Farb­raum der inter­natio­nalen Beleuch­tungs­kom­mission CIE kann alle wahr­nehm­baren Farben in einem Farbraum einord­nen und mathe­matisch beschreiben (Bild 2). Damit lässt sich auch der Unterschied bzw. der Farb­abstand zwischen zwei Farben (Delta E) berechnen. Je höher das Delta E, desto grösser ist der Unterschied, wobei er erst ab einem Wert von 3 von einem normalen Betrachter überhaupt bemerkt wird. Werte ab 6 gelten als grosse Differenzen.

PV-Sondermodule

In einem von Innosuisse geförderten Forschungs­projekt der Hochschule Luzern mit dem Umsetzungs­partner Glas Trösch wurde ein Farb-Effizienz-Modell ent­wickelt, dass die Quanti­fizierung der Effizienz ohne die umständliche Her­stellung von Mustern ermöglicht. Im ersten Teil des Forschungs­projekts wurde ermittelt, wie eine Farbe und ihre Deckkraft die RE und Farbe des späteren PV-Moduls beeinflusst. Aus früheren Arbeiten über andere Druck­systeme war bekannt, dass die Grundfarben einen unter­schiedlich starken Einfluss haben (Bild 3).

Es gibt Grundfarben mit stark deckenden Pigmenten wie Schwarz und Rot, und solche die nur schwach deckend sind, beispielsweise Blau. Aber noch nicht bekannt war, wie die Druckdichte der Grundfarben die RE und Lab-Farbe beeinflusst. Um das herauszufinden, wurden mit dem Umsetzungspartner Glas Trösch PV-Module konzipiert, produziert, charakterisiert und analysiert. Konkret wurden die Spezifikationen von der HSLU entwickelt, die farbigen Gläser von Glas Trösch gedruckt und daraus die PV-Sondermodule mit monokristallinen PERC-Zellen von einem schweizerischen PV-Modulhersteller produziert. Tabelle 1 zeigt eine Zusammenstellung der dabei ermittelten Daten. Jede Zeile entspricht einem PV-Modul, die für die Grundfarbe Orange hergestellt wurden.

Klassische Regressions­analysen für Grundfarben

Der Zusammenhang zwischen diesen Werten wurde mittels klassischer Regressionsanalyse in Excel hergeleitet. Konkret wurde der Einfluss der unabhängigen Variable «Dichte» auf die abhängigen Variablen RE sowie die einzelnen Elemente L, a, b des Lab-Farbraums analysiert. Bild 4 zeigt die Messpunkte und die gefundenen Regressions­funktionen sowie deren Bestimmt­heits­mass, wiederum am Beispiel der Grundfarbe Orange.

Diese Regressions­analysen wurden für alle sechs Grundfarben gemacht. Die abgeleiteten Funktionen ermöglichen es nun, die Farben und RE für alle möglichen Deckkräfte oder Füllungen bei Grundfarben zu errechnen.

Machine Learning für Regressions­analysen von Mischfarben

Für Mischfarben reicht die vorher erläuterte Farb­bestimmung aber nicht aus, denn sie bestehen aus überlagerten Dichten zugrunde­liegender Grundfarben, die jeweils für sich, aber auch in Kombinationen miteinander die RE und Farbe beeinflussen. Das würde eine multiple quadratische Regressions­analyse erfordern, die die Möglichkeiten von Excel übersteigt. Stattdessen wurden die Regressionen als Python-Script auf dem SciKit-Learn (sklearn) Machine Learning Modul umgesetzt. Vorher wurden weitere PV-Sonder­module mit Mischfarben hergestellt und vermessen. Tabelle 2 zeigt diese Daten für fünf ausgewählte Mischfarben: Hellgrün, Lindgrün, Birnengelb, Beige und Altrosa.

Die Daten aller PV-Sondermodule (mit Grund- und Mischfarben) wurden dem Script als sogenannte Trainings­daten zugewiesen, davon ein Viertel als Test­daten. Pro Iteration approximiert das Script eine Funktion und notiert, wie nahe die damit berechneten RE und Lab von denen der Testdaten entfernt sind. Es lernt so schrittweise, welche Elemente der Funktion so zu ändern sind, dass sich die Abwei­chungen verkleinern. Mit zuneh­menden Iterationen konvergiert es dann zu einer finalen Funktion, mit denen die Abwei­chungen am kleinsten sind. Mit dieser «erlernten» Funktion können dann RE und Lab-Farben auch für andere Mischfarben berechnet werden. Bild 5 zeigt die Berechnungs­genauigkeit auf, die eine so hergeleitete multiple quadratische Regres­sions­funktion nach einem Durchlauf von 10’000 Iterationen ermöglicht.

Plausibilisierung von Vorhersagen

Mit diesen Funktionen können dann die RE und Lab-Farben für neue Mischfarben vorhergesagt werden. Ausgangspunkt ist jeweils die Druckdichte der verwendeten Grundfarben, woraus dann die Leistung, Helligkeit und Lage auf den Farbachsen a* und b* sowie eine Vorschau der Farbe umgerechnet als RGB berechnet wird. Tabelle 3 zeigt ein Beispiel.

Da es zu diesen Mischfarben aber keine PV-Module gibt, bzw. gemessene RE und Lab-Farben, können die Berechnungsergebnisse nicht validiert werden. Sie müssen plausibilisiert werden. Daher wurden die zu berechnenden Mischfarben so gewählt, dass sie denjenigen in den Trainingsdaten ähnlich sind. In diesem Fall sind sie eine hellere Variante, d.h. sie unterscheiden sich nur in der Zugabe von weissen Druckpunkten. Beispielweise können jetzt die Angaben in den Tabellen 2 und 3 zeilenweise verglichen werden. Tabelle 2 zeigt die Werte der Mischfarben, die gemessen wurden, und Tabelle 3 zeigt die Werte, die für die gleichen, aber aufgehellten Mischfarben vorhergesagt wurden. Plausibel ist die generelle Reduktion der RE, weil zusätzliche weisse Druckpunkte den Lichtdurchgang weiter reduzieren. Plausibel ist ebenfalls die generelle Erhöhung der Helligkeit mit der Zunahme der weissen Druckpunkte, weil sie mehr Licht reflektieren. Auch ist die Zunahme der Helligkeit bei 100 % grösser als z. B. bei 40 %. Zudem ist die vorhergesagte Verschiebung der Farben in Richtung des unfarbigen Mittelpunkts plausibel, denn je mehr weisse Druckpunkte beigemischt werden, desto ungesättigter wird die Farbe.

Stand des Projekts

Die vorgestellten Ergebnisse sind ein aktueller Arbeitstand des Projekts nach zwei Dritteln der Projektdauer. Mit dem Einsatz von Machine Learning wurde das Farb-Effizienz-Modell um die Berechnungen von Mischfarben erweitert. Aktuell laufen Optimierungen und Automatisierungen bei Glas Trösch und der Hochschule Luzern, um den Umfang der berechenbaren Farbpalette zu vergrössern und das FEM auf andere Drucksysteme portieren zu können. Das FEM wird bereits stichprobenmässig für Pilot- und Demonstrationsprojekte eingesetzt. Zuletzt im CAS-Photovoltaik der Hochschule Luzern, in dem leistungsäquivalente Farben für verschiedene mehrfarbige Motive ermittelt werden. Des Weiteren ist im Januar 2024 eine neue Installation von farbigen PV-Modulen am Nest-Gebäude der Empa in Dübendorf geplant.

Referenzen

[1] knowledge.ulprospector.com/media/2020/07/1.-CIELAB-Color-Space-002-1536x650.jpg

[2] Patent CN 109275342A, Erfinder Stephen Wittkopf, publiziert am 25. Januar 2019.

Dieses Forschungsprojekt mit Glas Trösch als Umsetzungspartner wird mitfinanziert durch die Innosuisse.

Autor
Prof. Dr. Stephen Wittkopf

ist Dozent und Leiter des Wissens- und Innovationstransfers.

Autor
Dr. Andreas Synowczyk

ist Experte für die Verarbeitung von Flachglas bei der Glas Trösch AG.

  • Glas Trösch AG
    4922 Bützberg

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