Fachartikel ICT , Smart Grid

Ein Datahub für die ganze Schweiz

Effizienter und sicherer Datenaustausch via Datahub

09.04.2017

Der Verein Smart Grid Schweiz (VSGS) hat einen Schweizer Datahub lanciert. Er soll als zentrale Drehscheibe für Wechselprozesse und Routing von Messdaten und E-Invoicing-Nachrichten gemäss SDAT dienen und den Marktteilnehmern eine effiziente Abwicklung ihrer Prozesse ermöglichen.

Seit der Teilliberalisierung des Schweizer Strommarkts im Jahr 2009 können Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch ab 100 000 kWh ihre Stromlieferanten frei wählen und zu anderen Anbietern wechseln. Bei einem solchen Wechsel sind – bedingt durch das Marktmodell – jeweils mehrere Akteure involviert. Damit diese Wechselprozesse auch in einem vollständig geöffneten Markt reibungslos umgesetzt und Energiedaten einfach ausgetauscht werden können, muss eine adäquate Möglichkeit zur Kommunikation zwischen allen Verteilnetzbetreibern (VNB), Energielieferanten und anderen Rollen aufgebaut werden.

Bereits jetzt nehmen solche Wechsel­anfragen zu, und auch in naher Zukunft wird eine weitere Zunahme dieser Prozesse erwartet. Die Energiestrategie 2050 macht möglich, dass sich mit neuen Eigenverbrauchsgemeinschaften weitere Endverbraucher am freien Markt beteiligen können. Die erwartete flächendeckende Einführung von intelligenten Messsystemen sowie die weitergehende Verpflichtung zu Herkunftsnachweisen wird die Datenmenge erhöhen (15-Minuten-Werte) und diese automatisiert zur Verfügung stellen. Etwas weiter in der Zukunft wird dann die vollständige Marktliberalisierung erwartet, welche nur mit einer durchdachten Lösung wie dem Datahub bewältigt werden kann. Die Branche hat erkannt, dass dafür die Prozesse und der Datenaustausch generell weiter optimiert werden müssen.

Anfang 2014 beurteilten zwei Studien den volkswirtschaftlichen Nutzen sowie die Vor- und Nachteile eines sogenannten Energie-Datahubs. Sie zeigten verschiedene Umsetzungsvarianten für Kundenwechsel auf, und beide Studien kamen zum Ergebnis, dass eine Zentralisierung für standardisierte, effiziente und automatisierte Wechselprozesse aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll sei.

Blick nach Europa

In etlichen europäischen Ländern wurde der Strommarkt bereits früher liberalisiert. So erstaunt es nicht, dass Standardisierung und Automatisierung der Wechselprozesse dort schon weiter fortgeschritten sind. Der Ende 2016 veröffentlichte CEER Report «Review of Current and Future Data Management Models» [1] zeigt für Dänemark, die Niederlande, Belgien, Norwegen, Italien, Spanien, Grossbritannien und Deutschland auf, inwieweit aktuelle und künftige Lösungen eine Zentralisierung vorsehen.

Der CEER Report betrachtet das Management und den Austausch von Kunden- und Energiedaten als zentral für einen funktionierenden Energiemarkt. Ein ungenügendes Data-Management-Modell behindere Marktzugang und Marktwachstum, den Wettbewerb sowie Datenschutz und Datensicherheit, während ein angemessenes Data-Management-Modell effizienten und sicheren Datenaustausch, Wettbewerb und Schutz des Endverbrauchers, die Verfügbarkeit der Daten in standardisierter Form sowie die Zugangskontrolle auf die Daten ermögliche. Mit einem Smart Meter Rollout wird die Datenmenge mit der feineren Granularität massiv erhöht, was den obigen Aussagen noch mehr Gewicht verleiht. Folgerichtig planen die meisten betrachteten Länder eine stärkere Zentralisierung. Dabei wird zwischen einer rein dezentralen Lösung mit Peer-to-peer-Kommunikation, einer zentralen Kommunikationslösung und einem Datahub mit eigener Datenhaltung unterschieden. Mit Ausnahme Deutschlands planen alle Länder eine Zentralisierung.

Dies zeigt, dass die Zentralisierung in Europa stattfindet. Treiber dafür sind meist die Regulatoren. Im Fokus steht der Umgang mit den Energiedaten und der Endverbraucher erlangt dabei eine stärkere Kontrolle über seine Daten.

Initiative der Schweizer Verteilnetzbetreiber im VSGS

Unter Leitung des VSGS wurde die Arbeitsgruppe Datahub gebildet, um die Idee eines Schweizer Datahubs weiter zu konkretisieren. Diese Initiative ist im europäischen Umfeld einmalig, handelt es sich doch um einen subsidiären Ansatz ohne detaillierte gesetzliche Vorgaben. Die Arbeitsgruppe prüfte, ob bezüglich der Funktionalitäten des Datahubs ein tragfähiger Konsens besteht und wie dieser aussieht. Aufgrund der erhobenen Daten und Informationen schlug die Arbeitsgruppe die Variante 2+ vor. Diese zentralisiert Stammdaten und Wechselprozesse und leitet (Energie)-Daten weiter (Routing). Eine zentrale Speicherung von Energiedaten oder gar deren Verarbeitung ist nicht vorgesehen. Ebenso sollen keine Vertragsdaten zentralisiert werden.

Soll ein Datahub statt basierend auf detaillierten gesetzlichen Vorgaben als Brancheninitiative aufgebaut werden, muss neben dem volkswirtschaftlichen auch der betriebswirtschaftliche Nutzen für die beteiligten Akteure gewährleistet sein. Das untenstehende Bild illustriert den erwarteten Effekt: Im Hinblick auf die weitergehende und insbesondere die volle Marktöffnung muss primär in die Standardisierung und Automatisierung der Prozesse investiert werden. Die entstehenden Zusatzkosten (1) können mit einem Datahub reduziert werden (2). Dies gilt insbesondere für Teilnehmer am Datahub. Nicht-Nutzer werden infolge der generell verbesserten Datenqualität auch profitieren, allerdings nur in reduziertem Umfang (3).

Geschäftsmodell des Datahubs Schweiz

Die Organisation der Wechselprozesse ist Sache der Verteilnetzbetreiber, weshalb ein Datahub im Grundsatz auch von den involvierten Verteilnetzbetreibern finanziert werden muss und nicht etwa von Energielieferanten oder gar Endverbrauchern.

Je mehr Messpunkte effektiv im Datahub abgebildet werden, desto effizienter kann dieser arbeiten. Diese Skaleneffekte sind in den offensichtlichen Synergien im Betrieb begründet: Die Kommunikationsdaten der Marktakteure, wie beispielsweise E-Mail-Adressen oder FTP-Konten, müssen nicht mehrfach verwaltet werden (1:N- statt N:N-Kommunikation). Dieses Vorgehen reduziert den Verwaltungsaufwand und verbessert die Datenqualität, was wiederum zu einer Reduktion des Aufwands für Fehlerkorrekturen führt.

Den Betrieb des Datahubs soll eine Aktiengesellschaft übernehmen, die speziell zu diesem Zweck gegründet wird und die nicht-profitorientiert und neutral ist. Gemäss den vorgesehenen Statuten hat diese Firma den diskriminierungsfreien, zuverlässigen und leistungsfähigen Datenaustausch zwischen Versorgungsunternehmen und weiteren Akteuren im Zusammenhang mit den Wechselprozessen sowie die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen zum Ziel.

Funktionalität des Datahubs und Stand des Projektes

Der Datahub soll als zentrale Drehscheibe für Wechselprozesse und Routing von Messdaten und E-Invoicing-Nachrichten gemäss SDAT (Standardisierter Datenaustausch für den Strommarkt Schweiz) dienen. Für die Nutzer des Datahubs sind unterschiedliche Rollen vorgesehen, beispielsweise Verteilnetzbetreiber und Energielieferant.

Der Datahub ist in drei Funktionsblöcke gegliedert. Der Funktionsblock Administration enthält primär die Pflege der Marktpartnerdaten. Hier werden die Kommunikationsdaten jedes Marktpartners zentral verwaltet. Zusätzlich können die abgewickelten Prozesse und die verwalteten Stammdaten überwacht werden. Der Funktionsblock Wechselprozesse enthält den Datenaustausch für die Wechselprozesse nach SDAT. Zusätzlich wird im Datahub hierzu das Messpunkteregister geführt, welches vereinfachte Wechselprozesse möglich macht. Der Funktionsblock Routing empfängt die SDAT-Nachrichten zum Messdatenaustausch oder zu den E-Invoicing-Nachrichten und leitet diese zum Empfänger weiter. Der Nutzer des Datahubs muss daher die Kommunikationsdaten seiner Marktpartner nicht mehr selbst nachführen. Sämtliche Prozesse sollen vollständig automatisiert werden.

Zusätzlich zu den Datenkanälen gemäss den Vorgaben von SDAT (FTPS und secure E-Mail) stellt der Datahub ein Web Interface zur Verfügung. Über dieses können Nachrichten zur Durchführung der Wechselprozesse und zur Pflege der Marktpartnerdaten manuell erfasst und über den Datahub im korrekten Format versendet werden. Das Interface ist insbesondere für kleinere Marktakteure interessant, da es die Abwicklung der Wechselprozesse erlaubt, ohne dass dazu eine eigene Automatisierung aufgebaut werden muss.

Der Datahub führt die Messpunktdaten im Messpunkteregister. So kann er einzelne Wechselprozesse mittels sogenannten Shortcuts vereinfacht abwickeln. Die Nutzung der Shortcuts ist aber nicht zwingend. Falls darauf verzichtet werden soll, führt der Datahub ein Routing der betroffenen Nachrichten durch.

Der VSGS hat die Funktionalität «Datahub» Ende Mai 2016 öffentlich ausgeschrieben. 13 hochwertige Angebote sind eingegangen. Nach deren Evaluation erteilte der VSGS der Schweizer Firma Supercomputing Systems AG den Zuschlag. Die Umsetzung beginnt in diesem Sommer.

Verteilnetzbetreiber können am Datahub mitwirken

Beteiligt sich ein Verteilnetzbetreiber als Nutzer am Datahub, so wird er seine Messpunkte auf den Datahub bringen, wohlgemerkt in ein Messpunkteregister ohne Energiedaten. Der Datahub wird als Kommunikationskanal für die SDAT–Prozesse genutzt. Der Verteilnetzbetreiber hat zwei Vorteile: Einerseits reduziert sich sein Aufwand, anderseits verbessert sich auch die Datenqualität.

Für die Nutzung des Datahubs wird eine jährliche Service Charge verrechnet, pro Messpunkt und unabhängig von effektiven Lieferantenwechseln. Da der Datahub als Non-profit-Lösung konzipiert ist, hängt die verrechnete Service Charge von der Gesamtzahl der beteiligten Messpunkte ab. Vorgesehen ist, dass die Service Charge während der ersten Jahre für alle Messpunkte gleich ist, unabhängig vom Start der Nutzung des Datahubs. Weiter haben die Nutzer die Möglichkeit, im Innovationsgremium zur Weiterentwicklung des Datahubs mitzuwirken.

Beteiligt sich ein Verteilnetzbetreiber als Aktionär am Datahub, bringt er Kapital zum Aufbau des Datahubs mit ein. Er verpflichtet sich, den Datahub auch zu nutzen und damit seine Messpunkte einzubringen. Die Kapitalbeteiligung wird in etwa proportional zu den eingebrachten Messpunkten sein. Der Aktionär kann ab sofort die Gestaltung des Datahubs mitbestimmen.

Referenz

[1]   CEER Report – Review of Current and Future Data Management Models (Ref: C16-RMF-89-03, 13 december 2016): www.ceer.eu.

Autor
Maurus Bachmann

ist CEO von Swisseldex.

  • Swisseldex AG, 3011 Bern

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