Eigenverbrauch maximieren
Multienergiesystem in neuer Überbauung
Die Überbauung «Park 2022» in Uzwil kommt völlig ohne fossile Energieträger aus. Zudem werden die Energieflüsse automatisch so gesteuert, dass der Eigenverbrauch möglichst hoch ist.
Auf einer Anhöhe in der Nähe des Bahnhofs von Uzwil liegt die neue Überbauung Park 2022. Die Dächer der drei aus technischer Sicht identischen Mehrfamilienhäuser mit je sieben Eigentumswohnungen sind mit PV-Anlagen ausgestattet, die von den Gehwegen der Siedlung aus nicht sichtbar sind. Der von ihnen erzeugte Strom ladet die Elektroautos in der Tiefgarage, erwärmt das Warmwasser und heizt die Wohnungen mittels Wärmepumpen. Und zwar auf eine Weise, dass diese zu einem Zusammenschluss Eigenverbrauch, ZEV, verbundenen Häuser den Solarstrom in den privaten und gemeinsamen Verbrauchern optimal nutzen, um möglichst wenig Strom vom Verteilnetz beziehen zu müssen.
Den Strom selber erzeugen
Jedes der drei Häuser ist mit einer PV-Anlage mit einer Nennleistung von 16,5 kW ausgestattet. Die Module basieren auf der Perc-Technologie und kommen dadurch auf einen Wirkungsgrad von bis zu 20,9%. Jedes einzelne installierte Modul des Herstellers Longi kann bis zu 370 W liefern. Dies ist an sich nichts Aussergewöhnliches. Das Besondere an der Überbauung ist die zentrale Steuerung, die die Energieflüsse zwischen den Häusern und zwischen den Verbrauchern wie Heizung und Elektromobilität optimiert. Dabei sind alle Gewerke – Wasser, Wärme und Elektrizität – miteinander verbunden. Für die drei Häuser genügt ein einziger Netzanschluss.
Welcher Anteil der erforderlichen Energie durch die Solaranlagen erzeugt wird, ist noch nicht im Detail klar, denn die Anlagen sind noch nicht so lange in Betrieb. Patrick Speck, der Leiter Service- und Elektroinstallationen im Bereich Prosumer bei SAK, schätzt, dass man etwa einen Drittel der elektrischen Energie lokal erzeugen und möglichst auch lokal nutzen kann. Dies hängt aber hauptsächlich vom Anteil an elektrischen Fahrzeugen ab, die in der Tiefgarage während der Mittagszeit angeschlossen sind.
Potenzial für Elektromobilität
Aktuell sind lediglich drei Ladestationen in der Tiefgarage installiert, denn die meisten Wohnungsbesitzer fahren konventionelle Verbrennerfahrzeuge. Aber da die Elektromobilität – extrapoliert man die aktuellen PKW-Zulassungszahlen – deutlich zunehmen dürfte, ist es sehr wahrscheinlich, dass in Zukunft weitere Ladestationen installiert werden. Die Parkplätze sind dafür vorbereitet: Ein Flachbandkabel mit 63 A, an dem die Ladestationen direkt angeschlossen werden können, führt an allen Parkplätzen vorbei. Wohnungseigentümer können sich jederzeit eine Ladestation von der SAK installieren lassen, mit der sie dann mit bis zu 11 kW laden können. Für Mieter bietet die SAK ein Mietermodell an, so dass auch Wohnungsmieter eine kurzfristige Lösung bekommen.
Die Ladestationen sind in der Lage, miteinander zu kommunizieren, um beispielsweise ein Lastmanagement zu ermöglichen. Wenn viele Fahrzeuge nur einphasig angeschlossen sind, merkt es das System und gleicht die Phasenströme aus. Patrick Speck sagt: «Wenn dann zehn bis zwanzig Autos vorhanden sind und der Besitzer gewillt ist, solaroptimiert zu laden, kann die Eigenverbrauchsquote massiv erhöht werden.» Besonders wenn die Energie teurer wird, wird dies für Benutzer interessant, denn es steigert den Anreiz, sich für ein elektrisch angetriebenes Auto zu entscheiden.
Aus technischer Sicht geht es gemäss Patrick Speck mit der Elektrizität grundsätzlich in die richtige Richtung. Seit zweieinhalb Jahren fährt Speck auch elektrisch. Erfahrungsgemäss genügt ihm die kleinste Ladeleistung von 3,7 kW für seine täglichen Fahrten. Die vorgesehenen 11 kW seien in vielen Fällen ein Luxus.
Wenn die Elektromobilität stärker wächst, gewinnt das vom Netzbetreiber vorgeschriebene Lastmanagement an Bedeutung. Obwohl es zurzeit mit drei Ladestationen noch nicht nötig ist, wurde es bei der Siedlung bereits eingebaut und ist aktiv, aber es regelt noch nicht. Bei grösserem Verbrauch könnte es so programmiert werden, dass die Vorgaben des Netzbetreibers erfüllt werden können. Für die Nutzer sollten allfällige negative Auswirkungen gering sein, denn Autos stehen meist lange und sind bezüglich dem Ladevorgang flexibel.
Behagliche Wohnungen bei geringem Energieverbrauch
Beheizt wird die Siedlung mit drei Vitocal-Wärmepumpenanlagen von Viessmann, mit rund 27 kW thermischer Leistung pro Haus. Die Nenn-Wärmeleistung wird durch den Hersteller mit 28,7 kW und die Kälteleistung mit 23,0 kW angegeben. Die dafür benötigte elektrische Leistung beträgt 5,9 kW. Die Wärmepumpen zeichnen sich durch einen hohen COP-Wert (Coefficient of Performance) von bis zu 4,9 aus.
Jedes Haus ist mit einem Erdsondenfeld ausgestattet. Die Wärme der Wärmepumpen wird in einen Pufferspeicher und in einen Speicher für die Trinkwassererwärmung eingespeist. Die SAK ist der Contracting-Betreiber und somit der Eigentümer der Heizungsanlage bis und mit Puffer. Die Kunden kaufen bei der SAK die thermische Energie. Somit muss sich der Kunde nicht um Technik und Funktionalität kümmern, das wird alles vom Contractor übernommen.
Das Warmwasser wird mittels Frischwasserstation aufbereitet. Dies hat den Vorteil, dass die Wasserqualität stets möglichst hoch ist und die Legionellenquelle Boiler ausgeschlossen werden kann. Da man nicht ständig gezwungen ist, das Warmwasser auf über 60°C aufzuheizen, spart man Energie, unter anderem, weil die Verluste des im Haus stets zirkulierenden Warmwassers kleiner sind. Im Sommer wird das Warmwasser auf 58°C statt auf 50°C erhitzt, um den Solarstrom besser nutzen zu können. Damit man wirklich auf der sicheren Seite ist, sorgt die Legionellenschaltung wöchentlich dafür, dass das Wasser auf über 60°C erhitzt wird.
Regeneration der Erdsonden im Sommer
Im Sommer wird je nach Aussentemperatur automatisch Freecooling in den Wohnungen aktiviert. Die Abkühlung von 2°C entspricht zwar nicht der einer Klimaanlage, aber man reduziert die Oberflächentemperaturen, wodurch die Wohnungen spürbar angenehmer werden. Für das Wohlbefinden wirken sich nämlich die Oberflächentemperaturen stärker aus als die Lufttemperatur.
Für dieses Freecooling wird der Sekundärkreislauf der Wärmepumpe genutzt, indem die Wärmeenergie der Wohnungen direkt im Sondenfeld abgegeben wird. Dabei wird der Leistungsteil der Wärmepumpe nicht aktiviert. Wenn man nun im Sommer etwa 26°C in den Wohnungen hat, erwärmt sich das Wasser der Bodenheizung auf Raumtemperatur und gelangt anschliessend via Wärmetauscher in die Erdsonden, wo es erneut auf rund 13°C abgekühlt wird. Danach wird es wieder in die Wohnungen geführt, um zu kühlen. Auf diese Weise wird das Erdreich im Sommer erwärmt, um im Winter regeneriert zu sein und effizient Wärme liefern zu können. Wie viel diese sommerliche Regenerierung wirklich bewirkt, lässt sich heute noch nicht beziffern, da die Erfahrungen fehlen.
Mit ihrer kontrollierten Wohnraumlüftung entsprechen die Wohnungen dem Minergie-Standard. Eigentümer können sich so verhalten, dass sie das Energiesparpotenzial maximieren. Um dies quantifizieren zu können, werden alle Energieflüsse der Bodenheizung und des Warmwassers in den Wohnungen durch die SAK gemessen und Ende Quartal verrechnet. Die Heizungen werden in den Wohnungen manuell mit einem Thermostat eingestellt. Gewisse Wohnungsbesitzer haben sich für Smart-Home-Lösungen für ihre Wohnung entschieden und können die Raumtemperaturen mit einer App vorgeben.
Energieflüsse mit dem Energiesystem und manuell optimieren
Die Energieflüsse können mit einer zentralen Steuerung im Kraftwerksverbund gesteuert werden. Beispielsweise wird die Warmwasseraufbereitung bei einem Haus gestartet und sobald sie abgeschlossen ist, im nächsten Haus fortgesetzt. So lässt sich der Solarstrom optimal nutzen.
Das dafür eingesetzte Energiesystem ist eine Eigenentwicklung. Im Hochtarif macht man damit Peak Shaving bei den Lasten, indem man die Leistungsgrenzen begrenzt, also ein Lastmanagement. Man hat einen Maximalbezug von 30 kW oder 60 kW, geht man darüber hinaus, kostet es bei der SAK 7 bis 8 Fr. pro kW-Spitze. Das wirkt sich finanziell stark aus. Wenn nun alle kochen, fährt das Energiemanagement-System gewisse weniger heikle Lasten wie Wärmepumpen herunter. Die Puffer haben eine grosse Kapazität und die Heizung ist genügend träge, dass sich dies ausnützen lässt. Wenn man später deutlich mehr Elektrofahrzeuge in der Tiefgarage angeschlossen hat, kann auch hier teilweise abgeregelt werden.
Der im Energiesystem eingesetzte Energiemanager überwacht die Energieflüsse beim Hausanschlusspunkt und die Produktionsdaten kontinuierlich. Diese Werte ermöglichen es, bei den drei Häusern die Warmwasserproduktion bzw. die Heizungsüberhöhung entsprechend auszulösen, um die Eigenverbrauchsquote zu steigern und somit den preisgünstigeren eigenen Strom sinnvoll zu nutzen. Der Manager ist ein Miniserver von Loxone, der sich gegen die über ein Dutzend Energiemanager anderer Hersteller durchsetzen konnte. Die SAK ist auf Loxone-Energiemanager spezialisiert, weil sie die erforderlichen Funktionalitäten und Anschlussmöglichkeiten aufweisen, individuell programmierbar sind und offene Schnittstellen haben. Sie funktionieren zudem auch im Offline-Modus, wenn die Internetverbindung ausfällt oder instabil ist. Zudem sind sie für künftige Anwendungen erweiterbar und zeichnen sich durch eine zuverlässige Hardware aus. Programmiert werden sie mit der Config von Loxone und einem Anteil eigener Programmierung.
Patrick Speck betont: «Mit der ZEV wird keine Energie gespart. Es wäre ein Trugschluss, wenn man meinen würde, mit der ZEV könne man Energie einsparen. Aber man kann Netzdienstleistungen einsparen. Die Kosten des eigenproduzierten Stroms liegen somit niedriger als die des eingekauften Stroms.»
Eine App zeigt den Kunden die Energieflüsse praktisch in Echtzeit. Sie sehen darauf sowohl den gesamten Energiehaushalt der Siedlung als auch die individuellen Daten ihrer eigenen Wohnung – in verschiedenen Zeiträumen. So können sie sich mit der Energiesituation auseinandersetzen und lernen, wie gross ihr Verbrauch ist und wie sie ihn der Solarstromerzeugung entsprechend gestalten können. Dies ist einerseits ein Anreiz zum Energiesparen und andererseits motiviert es, gewisse Verbraucher wie Waschmaschinen möglichst erst dann zu nutzen, wenn die Sonne intensiv scheint. Zusätzlich lassen sich auch historische Daten anzeigen, beispielsweise die Energieverbräuche und die entsprechenden Energiekosten der letzten drei Tage oder des letzten Monats.
Ein allfälliger Ausfall des Energiemanagers würde von den Bewohnern nicht bemerkt werden, denn der Manager ist nur eine Optimierung. Die Anlagen würden gewöhnlich weiter funktionieren und das Pikettteam von SAK würde benachrichtigt.
Gemäss Patrick Speck sollten die Investitionen in den Energiemanager nach fünf Jahren durch den verbesserten Eigenverbrauch kompensiert sein. Es ist aber auch denkbar, dass ein deutlich höherer Strompreis im 2023 – zusammen mit einer Zunahme der Elektromobilität – diese Zeit verkürzt. Auf alle Fälle wird durch die Optimierung der Energieflüsse der Solarstrom attraktiver gemacht und das Verteilnetz geschont. Und die Befürchtung entkräftet, ein Ausbau der Photovoltaik würde gleichzeitig einen Ausbau des Verteilnetzes erfordern.
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