«Ehrlich zu sein, ist die wichtigste Voraussetzung»
Strategische Studien
Um ein Ziel zu erreichen, braucht es eine Strategie. Albert A. Stahel beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Strategien. Im Interview erklärt er, woher seine Faszination für diese Wissenschaft kommt, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert hat und er verrät, welches die beste Strategie ist
Bulletin: Woher kommt Ihr grosses Interesse an strategischen Fragestellungen und Überlegungen?
Albert A. Stahel: Ich habe schon immer sehr gern gelesen. Während meiner Schulzeit in Schiers habe ich mich quasi durch die dortige Bibliothek gearbeitet. Dabei kamen mir Werke über fremde Länder, Geschichte und Kriege unter, die ich richtiggehend verschlang. Diese Themen fesselten mich schon damals und haben mich seither nicht mehr losgelassen.
Sie bearbeiten das Themengebiet Strategie schon seit den 70er-Jahren, als der Kalte Krieg sozusagen seine «heisse Phase» hatte. Wie hat sich Ihr Forschungsgebiet respektive Ihre Arbeit in diesen 40 Jahren verändert?
Um diese Frage zu beantworten, muss man unterscheiden, dass es zwei Schulen der Strategieforschung gibt: eine, die auf mathematischen Simulationen beruht, und eine, die sich an die Vergangenheit hin orientiert. Vom Ansatz her hat sich die erste dieser Schulen nicht verändert. Die zweite Methode hingegen hat aufgrund der Ereignisse der 90er-Jahre, als der Kalte Krieg zu Ende ging und die Sowjetunion ihren Status als einstige Grossmacht einbüsste, eine Verwässerung erfahren. Mittlerweile hat sich Russland vom Zusammenbruch der UdSSR aber erholt. Das Land ist wieder zu einem globalen Player geworden. Und mit China spielt heute eine weitere Grossmacht mit, was das Machtgefüge geopolitisch weitaus komplexer macht.
Eine Strategie beinhaltet stets auch ein prognostisches Element. Wo endet Wissenschaft und wo beginnt reines Kristallkugel-Deuten?
Mit einer Strategie blickt man in die Zukunft und formuliert dazu Hypothesen. Diese müssen vorgängig durch Datenanalysen validiert werden. Interessant ist es, wenn die Wirklichkeit die Voraussage bestätigt. Bei strategischen Studien ist deshalb wissenschaftliche Ehrlichkeit das A und O, und damit meine ich auch Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Es ist übrigens vielfach oft so, dass einfache Modelle die besten Voraussagen ergeben.
Welche strategische Bedeutung messen Sie der Energie bei?
Energie bedeutet in strategischer Hinsicht alles. Sie ist der Schlüssel zu einer effizienten Machtpolitik. Schauen Sie zum Beispiel, wie sich China im südchinesischen Meer mit der Errichtung künstlicher Inseln Erdöl- und Erdgasvorkommen sichert. Auch die Schweiz hätte dank ihrer Wasservorkommen die Voraussetzungen, um mit Energie Machtpolitik zu betreiben. Im Moment fehlt jedoch der politische Wille dazu.
Was zeichnet einen guten Strategen aus?
Ausser dass er gerne viel lesen sollte, muss ein guter Stratege in der Lage sein, Strategien auch aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen herzuleiten. Damit er dies aber kann, muss er folglich auch durch Reisen in Kriegsgebieten über einen gewissen Erfahrungsschatz verfügen, was wiederum ein gewisses Alter voraussetzt.
Und eine gute Strategie?
Die beste Strategie ist immer jene, die zum Ziel führt.
Zur Person
Albert A. Stahel ist Gründer und Leiter des Instituts für Strategische Studien in Wädenswil. Der Zürcher studierte Wirtschaftswissenschaften und legte 1979 seine Habilitation in politischer Wissenschaft mit besonderer Berücksichtigung strategischer Studien vor. Albert A. Stahel hatte diverse Lehraufträge an Schweizer Universitäten inne.
Albert A. Stahel wird am Schweizerischen Stromkongress vom 15./16. Januar 2018 in Bern einen Vortrag zum Thema Geopolitik vs. Energiepolitik halten.
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