Effizientere Methansynthese
Power-to-Methane-Forschung in Rapperswil
Power-to-Gas bietet sich als Technologie an, mit der saisonale Unterschiede in der Stromerzeugung ausgeglichen werden könnten. Heute verfügbare Batteriespeicher sind zur saisonalen Energiespeicherung nicht geeignet. An der Ostschweizer Fachhochschule forscht man an neuen Ansätzen, um der Power-to-Gas-Technologie zum Durchbruch zu verhelfen.
In den Diskussionen zur Energiewende wird oft nur von Elektrizität gesprochen, obwohl sie 2020 nur einen Viertel des Schweizer Endenergieverbrauchs ausmachte. Knapp 60% wurden durch flüssige Energieträger und Erdgas gedeckt, die restlichen 15% verteilen sich auf Holz, Kohle, Industrieabfälle und Fernwärme.[1] Um den globalen Temperaturanstieg auf unter 2°C zu halten, müssen fossile Brenn- und Treibstoffe weitgehend ersetzt werden.
Durch den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau der neuen Erneuerbaren zeigen aktuelle Studien und Modelle eine Überproduktion von Strom im Sommer und eine Lücke im Winter, die nur bedingt durch Importe und Exporte kompensiert werden können.[2, 3] Das so entstehende Energiesystem stützt sich stark auf erneuerbare Stromquellen mit kurzzeitigen und saisonalen Schwankungen. Ein solches Energiesystem benötigt zeitliche Flexibilitätsoptionen, um die Erzeugung und Nachfrage auszugleichen und Energie saisonal speicherbar zu machen. Eine dieser Flexibilitätsoptionen ist Power-to-Gas.[4, 5]
An der Ostschweizer Fachhochschule, OST, in Rapperswil arbeitet ein Team des IET Instituts für Energietechnik an der Optimierung von Power-to-Gas. Mit neuen Technologien wollen die Forscher die Effizienz der Umwandlung erhöhen und die Investitionskosten senken – zwei Faktoren, die für den Durchbruch dieser Technologie entscheidend sind.
Was ist Power-to-Gas?
Bei Power-to-Gas wird elektrische Energie in einen gasförmigen Energieträger – Wasserstoff und/oder Methan – umgewandelt. Diese Gase lassen sich saisonal speichern und bei Bedarf mit einer Brennstoffzelle oder Wärme- Kraft-Kopplung rückverstromen.[6] Auch die direkte Nutzung für Güter- und Personentransport oder in der Industrie ist möglich. Wird für den Power-to-Gas-Prozess erneuerbare elektrische Energie verwendet, ist das entstehende Gas weitgehend CO2-neutral.[7, 8]
Der erste Schritt einer Power-to-Gas-Anlage ist die Elektrolyse. Sie spaltet Wasser mit elektrischer Energie in die Bestandteile Sauerstoff O2 und Wasserstoff H2. Dieser Prozess wird auch als Power-to-Hydrogen bezeichnet (Bild 1). Dazu ist im thermoneutralen Betrieb eine minimale Zellspannung von 1,48 V nötig. Dies ergibt einen Wirkungsgrad von 100% bezogen auf den Brennwert von H2. In der Realität sind aufgrund von Verlusten höhere Spannungen nötig. Grosstechnisch sind heute Systemwirkungsgrade um die 70% erreichbar (bezogen auf den Brennwert von H2).
H2 kann in diversen Anwendungen direkt eingesetzt werden und ist Ausgangsstoff für alle weiteren Power-to-X-Produkte, wobei das «X» nicht nur für Gase, sondern auch für flüssige Kohlenwasserstoffe wie Methanol stehen kann. Die Herstellung von Kohlenwasserstoffen benötigt eine Kohlenstoffquelle, beispielsweise ein Synthesegas aus biogenen Rohstoffen, CO2 aus der Atmosphäre oder aus stationären Emissionsquellen wie Kehrichtverbrennungsanlagen oder Zementwerken. Das CO2 wird mit dem H2 vermischt und in einem Reaktor in einer exothermen Reaktion zu CH4 oder anderen Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Beim Endprodukt CH4 wird der Prozess auch Power-to-Methane genannt (Bild 1).
Es gibt unterschiedliche Bauformen von Elektrolyseuren (Bild 2). Die alkalische Elektrolyse (AEL) und Proton Exchange Membrane Elektrolyse (PEMEL) gehören zu den konventionellen Technologien, in denen flüssiges Wasser in H2 und O2 gespalten wird. Bei der AEL dienen OH–-Ionen als Ladungsträger. Als Elektrolyt wird eine 20–30%ige Kalilauge verwendet. Zur Trennung der Gase wird ein Separator (Diaphragma) eingesetzt, der für die OH–-Ionen durchlässig ist. Bei der PEMEL dienen H+-Protonen als Ladungsträger. Die Elektroden liegen direkt auf der protonendurchlässigen Membrane; es wird keine Lauge verwendet. Beide Technologien werden heute von diversen Herstellern angeboten – mit elektrischen Leistungen von wenigen Kilowatt bis zu mehreren Megawatt.
Die Hochtemperatur-Elektrolyse (SOE) hingegen spaltet nicht flüssiges Wasser, sondern Wasserdampf bei 600 bis 900°C.[10] Dies benötigt deutlich weniger elektrische Energie, da ein Teil der Energie in Form von Wärme zugeführt wird.[10] Zusätzlich wird aber Energie für die Verdampfung des Wassers benötigt. Bisher sind nur wenige Produkte mit einigen Kilowatt elektrischer Leistung auf dem Markt. Nur ein Anbieter entwickelt ein Produkt mit einer Leistung im Bereich von 1 MW. Die Technologie befindet sich im Entwicklungsstadium und wird noch nicht industriell eingesetzt.
Methanisierung
Bei der Methanisierung wird H2 und CO2 zu CH4 und H2O umgewandelt. Die Reaktion ist exotherm, es muss also Wärme abgeführt werden. Der auf den Brennwert von H2 und CH4 bezogene Wirkungsgrad liegt bei vollständiger Umwandlung bei knapp 78%.
Man unterscheidet zwischen katalytischer und biologischer Methanisierung. Beide Technologien haben ihre Vor- und Nachteile. Bei der Technologiewahl müssen deshalb die standortspezifischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.
Katalytisch: Die Katalyse findet bei Temperaturen zwischen 250 und 650°C und einem Druck zwischen 5 und 100 bar statt.[11] Der Katalysator besteht meist aus Aluminiumoxid mit Nickel als aktivem Element.[6] Meist werden Festbettreaktoren verwendet. Diese sind in der Industrie weit verbreitet und seit vielen Jahren erprobt. Ihr Hauptvorteil ist die hohe Temperatur, die eine Abwärmenutzung ermöglicht und die damit die Gesamteffizienz des Prozesses erhöht. Der dynamische Betrieb ist durch die entstehenden Hotspots begrenzt, die den Katalysator beschädigen können. Die Edukte müssen vorgängig von Schwefelverbindungen gereinigt werden, um einer Deaktivierung des Katalysators vorzubeugen. Die Gasqualität hängt von den Prozessbedingungen (Druck, Temperatur) ab und wird durch das chemische Gleichgewicht begrenzt. Üblicherweise werden Methananteile von über 80% (Vol.) nach einem Reaktor erreicht. Der Rest besteht aus CO2 und H2, die mit einer Membran abgetrennt und in den Reaktor zurückgeführt werden. Damit können Methananteile über 95% (Vol.) erreicht werden.
Biologisch: Die Synthese von Methan erfolgt mit Archaea (methanogene Mikroorganismen) bei Temperaturen bis 65°C.[12] Industriell werden meist Rührkesselreaktoren verwendet. Die biologische Methanisierung ist unempfindlich gegenüber Verunreinigungen in den Eduktgasen und liefert auch im dynamischen Betrieb einen konstanten Methananteil um 98% (Vol.). Um den Stoffwechsel der Archaea zu erhalten, müssen Nährstoffe (Schwefel, Stickstoff und Phosphor) zugegeben werden. Daneben werden rund 4 bis 5% des Kohlenstoffs in Biomasse umgewandelt. Nachteile der biologischen Methanisierung sind die niedrigen Temperaturen sowie das grössere Reaktorvolumen verglichen mit der katalytischen Methanisierung. Die niedrige Temperatur erschwert die Abwärmenutzung, und das grössere Reaktorvolumen erhöht die Investitionskosten. Zudem fallen wegen der Rührenergie und den Nährstoffen leicht höhere Betriebskosten an.
Power-to-Gas am IET
Das IET Institut für Energietechnik hat sich auf die Umsetzung von praxisorientierten Power-to-Gas-Projekten und die Systemintegration spezialisiert. 2015 hat das IET die erste Power-to- Methane-Anlage der Schweiz in Betrieb genommen. Die Anlage produzierte mit einer alkalischen Elektrolyse mit 25 kW Anschlussleistung 4 Nm3/h H2. Dieser wurde mit CO2 in einer katalytischen Methanisierung bei 300°C zu 1 Nm3/h Methan umgewandelt.
In Partnerschaften mit akademischen Organisationen und der Industrie wurden am IET über 100 Projekte zum Thema Power-to-Gas durchgeführt. Die wichtigsten sind im Bericht «Power-to-X am IET Institut für Energietechnik, Aktivitäten der Jahre 2016 bis 2020» aufgeführt.
HEPP
Basierend auf den Erfahrungen mit der ersten Power-to-Gas-Anlage wurde 2017 am IET das Konzept für eine neue Versuchsanlage entwickelt, um die Effizienz des Power-to-Methane-Prozesses zu steigern und den Reifegrad neuer Technologien zu erhöhen. Der Name der neuen Anlage: «High Efficiency Power-to-Methane Pilot», HEPP (Bild 3 und 4).
Die Effizienz der HEPP-Anlage wird durch die Kombination einer SOE (entwickelt durch die Group of Energy Materials der ETH Lausanne, EPFL) mit einem katalytischen Methanisierungsreaktor gesteigert. Der Wasserdampf für die SOE wird mit der Abwärme aus dem Methanisierungsreaktor erzeugt. Die erwarteten Effizienzgewinne liegen im industriellen Massstab (1 bis 10 MW) zwischen 15 und 25 Prozentpunkten, also einer Steigerung von 50% auf rund 70%.
Um die Effizienzsteigerung nachzuweisen, wurde als Referenz neben der SOE eine kommerzielle PEM-Elektrolyse mit einer Produktionskapazität von 2 Nm3/h installiert. Zur Methanproduktion wird bei beiden Elektrolyseuren der gleiche katalytische Festbett-Reaktor verwendet. So lassen sich die Power-to-Methane-Anlagenkonzepte direkt vergleichen.
Die Steigerung der Effizienz und die Kostensenkung durch die Kombination einer SOE und einem katalytischen Reaktor ist mit vielen Herausforderungen verbunden. Dazu müssen die einzelnen Komponenten sowie die Regelung genauer dimensioniert werden, wodurch die Anlage deutlich komplexer wird. Durch die Nutzung der Abwärme aus der Methanisierung für die Dampfproduktion muss die SOE immer simultan mit dem Methanisierungsreaktor betrieben werden. Bei Power-to-Methane-Anlagen mit konventionellen Elektrolyseuren kann die Wasserstoffproduktion zeitlich von der Methanproduktion entkoppelt werden, was die Auslegung massiv vereinfacht. Bisherige Messergebnisse und Simulationen zeigen, dass die HEPP einen Energieeffizienzgewinn von 15 Prozentpunkte erreichen wird.
Bei industriellen Power-to-Methane- Anlagen mit SOE besteht aktuell die Herausforderung in der Skalierung und Lebensdauer der SOE. So muss die Zellfläche der SOE weiter erhöht und die Anzahl der thermischen Zyklen (Betriebstemperatur/Raumtemperatur) vergrössert werden.
Bei der Produktion von Methan via Power-to-Gas machen die Stromkosten für die konventionelle Elektrolyse bis zu 50 – 70% der Gasgestehungskosten aus.[13] Durch die Steigerung der Effizienz mit einer SOE lässt sich der Strombedarf der Umwandlung drastisch senken. Damit sinken die Gasgestehungskosten.
Im Rahmen von Führungen wurde HEPP seit ihrer Einweihung im Oktober 2018 von 1200 Personen besucht. Obwohl das Projekt HEPP im kommenden Jahr endet, bleibt die Anlage weiterhin bestehen. Sie soll u. a. als Forschungsplattform für die Entwicklung von Flüssigkraftstoffen erweitert werden und Industrie- und Forschungspartnern für die Erprobung von Power-to-X-Technologien zur Verfügung stehen. So kann sie ihren Beitrag zur Realisierung der Energiewende leisten.
[1] Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2020, BFE.
[2] B. Meier, S. Schmid, Power Check. Szenario: BFE Zero Basis 2050, 2021. powercheck.ch.
[3] Energieperspektiven 2050+. Kurzbericht, Prognos AG, Infras, TEP Energy GmbH und Ecoplan, 2020.
[4] PSI, Empa, ETH Zürich, Université de Genève, ZHAW, HSR, Universität Luzern, «Perspectives of Power-to-X technologies in Switzerland», Supplementary Report to the White Paper, 2019.
[5] M. Friedl, T. Kober, K. Ramachandran, J. Mühlethaler, Fokusstudie «Saisonale Flexibilisierung einer nachhaltigen Energieversorgung der Schweiz», 2018.
[6] M. Friedl, B. Meier, F. Ruoss, L. Schmidlin, Thermodynamik von Power-to-Gas. Version 2, HSR Hochschule für Technik Rapperswil Bericht IET. Rapperswil 2016.
[7] Quantis: M. Spielmann, S. Ruiz, R. Zah, Analyse der Umwelt-Hotspots von strombasierten Treibstoffen – Finaler Bericht. Im Auftrag des Bafu, 2015.
[8] S. Wettstein, R. Itten, M. Stucki, Life Cycle Assessment of Renewable Methane for Transport and Mobility, 2018.
[9] M. Lehner, R. Tichler, H. Steinmüller, M. Koppe, Power- to-Gas: Technology and Business Models, 2014.
[10] Helmeth, Report on the overall system design and operational tests of the combined system.
Deliverable 4.2, Sunfire, 2018.
[11] Graf Frank, et al., Innovative large-scale energy storage technologies and Power-to-Gas concepts after optimisation. Roadmap for large-scale storage based PtG conversion in the EU up to 2050, 2020.
[12] J. Krautwald, U. Baier, «Biologische Methanisierung. Methanogenese als mikrobiologische Alternative zur katalytischen Methanisierung», Aqua & Gas, 2016, 7/8, S. 18–23.
[13] J. Gorre, C. van Leeuwen, F. Ortloff, D8.6 – Report on the optimal time profile and operation of the conversion technology during a representative year, in the perspective of the available storage capacities, Brussels, 2018.
Das Projektteam bedankt sich bei allen Wirtschaftspartnern und den folgenden Förderorganisationen für die Unterstützung des Projektes: Europäische Union, SCCER HaE, Forschungsfonds Gas, Bundesamt für Umwelt, Bundesamt für Energie.
Kommentare