Meinung Mobilität , VSE

E-Mobilität – ein Selbstläufer?

Eine Meinung zur Elektromobilität

06.11.2020

Erstmals stieg in diesem Jahr der Anteil Elektrofahrzeuge bei neu zugelassenen Autos in der Schweiz auf über 10 % (seit Anfang Jahr). Im September 2020 wurden sogar über 20 %  Steckerfahrzeuge gekauft. Kann dieser Anteil gehalten werden, wäre damit das Ziel für 2022 der von Bund, Unternehmen und Verbänden getragenen «Roadmap Elektromobilität Schweiz» bereits übertroffen.

Ist die Elektrifizierung der Mobilität damit ein Selbstläufer? Keineswegs. Elektroautos brauchen «Pfuus». Gemäss einer Umfrage ist die Sorge, dass es zu wenig Lademöglichkeiten gibt, neben den Anschaffungskosten der gewichtigste Grund gegen Elektromobile. Tatsächlich verfügt die Schweiz im internationalen Vergleich aber über ein sehr gut ausgebautes Ladenetz. Derzeit sind bereits etwa gleich viele öffentliche Ladestationen wie Tankstellen in Betrieb. Das reicht jedoch noch nicht, wenn der Anteil E-Fahrzeuge weiter ansteigt, denn nicht alle verfügen zu Hause oder am Arbeitsplatz über eine Lademöglichkeit.

Wird in einem Netzgebiet an vielen Ladestationen gleichzeitig geladen, kann das zu extremen Lastspitzen und zu einem teuren Netzausbau führen. Um das zu verhindern, müssen die Verteilnetzbetreiber Ladevorgänge steuern können. Zeitlich differenzierte Netztarife können dabei den Kunden die richtigen Anreize für ein intelligentes Lastmanagement geben.

Doch proprietäre Systeme, die den Strom-Mobilisten «End-to-End» an einen Anbieter binden und so Konkurrenz ausschalten, verhindern solche innovativen Ansätze. Was den Anbieter freut, hat sonst nur Nachteile: weniger Auswahl für Kunden sowie Hürden für die notwendigen Zugriffsmöglichkeiten durch den Netzbetreiber.

Wir müssen daher auf Interoperabilität und offene Schnittstellen pochen, sodass Ladestationen aller Anbieter für den Kunden und die Netzbetreiber in einheitlicher Weise nutzbar sind. Muss der Gesetzgeber dafür konkrete technische Anforderungen definieren? Diese wären so zwar für alle verbindlich, allerdings auch für längere Zeit in Stein gemeisselt – und die Anforderungen in einem jungen Markt, wie dem der Elektromobilität, wahrscheinlich bereits veraltet, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Der Erfolgsfaktor für Innovation sind wettbewerbliche Rahmenbedingungen, nicht Detailregulierung – auch bei der Elektromobilität.

Autor
Michael Paulus

ist Bereichsleiter Netze und Berufsbildung des VSE.

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