Fachartikel Energieeffizienz

Duplexstahl für Elektromotoren

Neuartiger Motoraktivteil für PM-Synchronmotoren

28.05.2018

Bei der Weiterentwicklung elektrischer Antriebe ist nebst der Steigerung der Leistungsdichte die Optimierung der Energieeffizienz eine zentrale Aufgabenstellung. Duplexstahl bietet sich bei höheren Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit als Konstruktionswerkstoff an, aufgrund der magnetischen Eigenschaften aber auch als Motoraktivteil.

Im Maschinenbau und bei Produktionsmaschinen kommen zunehmend PM-Synchronmotoren zum Einsatz, die feldorientiert an Umrichtern betrieben werden. Ein Grund hierfür ist die relativ hohe Drehmomentdichte bei gleichzeitig hoher Energieeffizienz. Werden in der chemischen Industrie höhere Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit gestellt, so kommt bei elektrischen Maschinen als Wellenmaterial häufig sogenannter Duplexstahl zum Einsatz. Dieser nichtrostende Stahl besitzt neben Austenit eine zusätzliche Ferrit-Phase und verfügt so über geringe ferromagnetische Eigenschaften. Duplexstahl eignet sich damit grundsätzlich auch als Läuferaktivteil für PM-Synchronmotoren, wobei verschiedene Läuferkonzepte infrage kommen: Der massive Läuferkörper aus Duplexstahl kann an der Oberfläche mit Seltenerdmagneten (SE-Magneten) bestückt werden. Alternativ können die SE-Magnete auch in den Läuferkörper integriert sein. Auf diese Weise können sehr kompakte Läufer für hochtourige Applikationen konstruiert werden.

Eigenschaften von Duplexstahl

Duplexstähle sind bezüglich ihrer Eigenschaften zwischen den austenitischen und ferritischen, nichtrostenden Stählen einzuordnen. Namensgebend für den Duplexstahl ist die Zweiphasenstruktur, bei der Austenit und Ferrit gemeinsam vertreten sind. Der hier betrachtete Werkstoff mit der Werkstoffnummer 1.4462 besitzt einen Anteil an a-Ferrit von 40 – 50%.

Duplexstahl wurde erstmals um 1930 in Schweden hergestellt und dann in den 1970er-Jahren weiterentwickelt. Es entstand ein Edelstahl, welcher eine gute Beständigkeit gegen interkristalline Korrosion und Spannungsrisskorrosion mit einer relativ hohen mechanischen Festigkeit kombiniert.

Etwa 60% des Marktvolumens an Duplexstahl entfällt auf die hier betrachtete Legierung 1.4462, die auch unter der Bezeichnung «Alloy 2205» bekannt ist.[1] Diese Legierung findet vorwiegend in der chemischen Industrie, in der Erdölindustrie und zunehmend auch im Offshore-Bereich Verwendung. Einige wichtige Kenngrössen von Duplexstahl 1.4462 sind in der Tabelle zusammengestellt. Wenn im Weiteren vereinfacht von Duplexstahl gesprochen wird, so ist explizit diese Legierung gemeint.

Aufgrund des Ferrit-Anteils besitzt Duplexstahl schwach ausgeprägte ferromagnetische Eigenschaften. Anhand von standardisierten Ringproben (Bild 1) wurden die magnetischen Eigenschaften von Duplexstahl messtechnisch ermittelt.

In Bild 2 ist als Ergebnis die B(H)-Neukurve von Duplexstahl dargestellt, die punktweise durch Gleichstrommagnetisierung bestimmt wurde. Aus der B(H)-Kurve lässt sich der Verlauf der relativen Permeabilität mr(H) direkt punktweise ableiten. Im Vergleich zum Läuferaktivteil aus Elektroblech oder üblichem Wellenstahl weist Duplexstahl deutlich schlechtere magnetische Eigenschaften auf. Für näherungsweise Betrachtungen kann bei Duplexstahl von einer relativen Permeabilität von etwa 8–10 ausgegangen werden.

PM-Läufer in Duplexstahl-Technik

Aufgrund der relativ geringen Permeabilität ist für den PM-Läufer ein Design anzustreben, das möglichst kurze Flusswege im mit Duplexstahl besetzten Läuferbereich aufweist. Dies führt nach Möglichkeit zu einem höherpoligen Entwurf, für den sich dann auch ein Ständer mit Zahnspulenwicklung ideal eignet. Im einfachsten Fall wird der PM-Läufer aus einem massiven Läuferkörper aus Duplexstahl gefertigt. Diese Ausführungsmöglichkeit wird durch den Umstand begünstigt, dass Duplexstahl gemäss der Tabelle zirka den 4-fachen elektrischen Widerstand von klassischem Wellenstahl aufweist. Permanentmagnete können, ähnlich wie bei AC-Servomotoren üblich, auf der Oberfläche des Läufers aufgeklebt werden. Diese werden mit einer Bandage oder einer Hülse gesichert.[2] Sollte der PM-Läufer betriebsmässig nass sein, zum Beispiel bei Verwendung in einer Spaltrohrmotorpumpe, so besteht die sichernde Hülse aus Edelstahl oder Hastelloy. Zum Schutz der SE-Magnete vor Korrosion werden die Läufer-Stirnseiten zusätzlich mit Endblechen verschweisst. Für ein 10-poliges Funktionsmuster der Baugrösse AH 63 mit den Bemessungsdaten 1,5 kW/3000 min-1 ist in Bild 3 der PM-Läufer mit Oberflächenmagneten abgebildet. Die SE-Magnete werden mit einer 0,3 mm starken Edelstahlhülse gesichert. Da die Erprobung mit trockenem Läufer erfolgte, konnte auf die seitliche Abdichtung der Magnete verzichtet werden.

Wie wichtig ein möglichst hochpoliger Entwurf ist, erkennt man am Feldlinienbild des Funktionsmusters (Bild 4), das für den Bemessungspunkt berechnet wurde. Durch die kurzen Feldwege im massiven Läuferkern ist der Einfluss der vergleichsweise geringen Permeabilität von Duplexstahl auf das Betriebsverhalten weniger ausgeprägt.

Bei einem alternativen Läuferdesign werden die SE-Magnete innerhalb von Magnettaschen im Läuferkörper positioniert. Hierzu muss der Läuferkörper mit Magnettaschen versehen werden, was bei kürzeren Aktivteilen zum Beispiel durch Zirkularfräsen erfolgen kann.

Nach dem Einbringen der SE-Magnete in die Magnettaschen werden die Magnete durch Vergiessen gesichert. Dieses Läuferdesign eignet sich besonders für hochtourige Applikationen.[3,4]

Bei längeren Aktivteilen kann für den Läufer eine Modulbauweise gewählt werden. Diese Modulbauweise hat zusätzlich den Vorteil, dass die Läufermodule gestaffelt auf der Läuferwelle positioniert werden können, um die Drehmomentwelligkeit zu verbessern.[5] Ausserdem eignen sich Läufermodule für den Aufbau einer Baureihe, die durch die Anzahl der verwendeten Läufermodule definiert werden kann. Für ein 4-poliges Funktionsmuster der Baugrösse AH 36 mit den Bemessungsdaten 250 W/20000 min-1 ist im Einstiegsbild der PM-Läufer mit innenliegenden SE-Magneten abgebildet.

Aufgrund der komplexen Geometrie und der nur schwach ausgeprägten ferromagnetischen Eigenschaften von Duplexstahl, verbunden mit der aufwendigen Berechnung der Eisenverluste im massiven Läuferkörper, erfolgt der Entwurf mittels FEM-Berechnungen. Für das 4-polige Funktionsmuster ist in Bild 5 das simulierte Feldlinienbild im Bemessungspunkt dargestellt. Aufgrund der kleinen Läufer-Aktivteilabmessungen (Durchmesser = 32 mm, Länge = 25 mm) und der gewählten Magnethöhe (2,9 mm) ist der Feldweg im massiven Duplexstahl-Läuferkern unproblematisch.

Betriebsverhalten

Die vergleichsweise mässigen magnetischen Eigenschaften des Duplexstahls lassen zunächst auf ein unvorteilhaftes Betriebsverhalten des Motors schliessen. Dennoch lassen sich unter Verwendung von Duplexstahl hervorragende Betriebsdaten erreichen. Dies soll am Beispiel eines 10-poligen Funktionsmusters belegt werden, dessen Läufer in Bild 3 dargestellt ist. Das Funktionsmuster der Baugrösse AH 63 mit den Bemessungsdaten 1,5 kW/ 3000 min-1 ist selbstgekühlt und für das Energieeffizienzniveau IE4 ausgelegt. Passend zum 10-poligen PM-Läufer ist der Drehfeldständer (Bild 6) mit einer Zweischicht-Zahnspulenwicklung der Lochzahl q = 2/5 bewickelt.

Bei optimaler Abstimmung von Ständer- und Läuferaktivteil können PM-Synchronmotoren in Zahnspulentechnik fast sinusförmige Spannungen generieren.[6,7] Das trifft auch auf das betrachtete Funktionsmuster zu, für das in Bild 7 die gemessenen induzierten Strangspannungen bei 3000 min-1 dargestellt sind.

Bei PM-Synchronmotoren sind die M(n)-Kennlinie für den S1-Betrieb bei Ausnutzung der Wärmeklasse und der korrespondierende Wirkungsgrad von Interesse. Ganz im Gegensatz zu Asynchronmotoren, bei denen für Energieeffizienzklasse IE4 nur noch eine geringe thermische Ausnutzung möglich ist, kann bei PM-Synchronmotoren trotz hoher Wirkungsgradforderung noch Wärmeklasse F ausgenutzt werden. Der Vergleich der FEM-Simulation mit den Erprobungsergebnissen (Bild 8) zeigt eine gute Übereinstimmung, wobei der gemessene Wirkungsgrad sogar leicht über dem Simulationsergebnis liegt. Wird im Bemessungspunkt 1,5 kW/3000 min-1 der Wirkungsgrad mit rund 91% betrachtet, so liegt dieser deutlich über dem IE4-Grenzwert [8] von 86,5%.

Bei Verwendung von Duplexstahl für den PM-Läufer stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Unterschied, wenn statt Duplexstahl üblicher Wellenstahl zum Einsatz gekommen wäre. Um diese Frage auch experimentell beantworten zu können, wurde ein zeichnungsgleicher Läufer auch mit üblichem Wellenstahl der Legierung 1.0060 angefertigt.

Bei Verwendung von Wellenstahl ist die induzierte Spannung im Vergleich zu Bild 7 um rund 10% höher. Erwartungsgemäss ist auch das Stillstandsdrehmoment M0(100 K) um diesen Prozentsatz höher. Der Vergleich der M(n)-Kennlinien nach Bild 9 zeigt, dass dieser 10%-Vorteil mit steigender Drehzahl stetig abnimmt, so dass sich beide M(n)-Kennlinien bei 4500 min-1 schneiden. Ursächlich hierfür ist das höhere permanentmagneterregte Feld im Luftspalt, das mit steigender Drehzahl zu grösseren Eisenverlusten im Ständer führt. Bezogen auf die Bemessungsdrehzahl 3000 min-1 beträgt der Ausnutzungsunterschied so tatsächlich nur rund 5%.

Zusammenfassung

Duplexstahl kommt im Maschinenbau zum Einsatz, wenn höhere Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit gestellt werden. Dieser nichtrostende Stahl beinhaltet eine zusätzliche Ferrit-Phase und ist daher leicht ferromagnetisch. Duplexstahl eignet sich damit auch als Läuferaktivteil für PM-Synchronmotoren, wobei Läuferkonzepte mit aussenliegenden und innenliegenden SE-Magneten möglich sind. Der PM-Läufer kann so korrosionsfest für den betriebsmässig nassen Einsatz, zum Beispiel in Spaltrohrmotorpumpen, konstruiert werden. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, für hochtourige Antriebe eine steife Läuferkonstruktion in Massivbauweise zu erzielen. Beide Läuferkonzepte werden anhand von Funktionsmustern vorgestellt. Am Beispiel eines 10-poligen Funktionsmusters wird die experimentelle Erprobung im direkten Vergleich zur Simulation diskutiert und damit die Brauchbarkeit von Duplexstahl bei der Entwicklung von PM-Synchronmotoren bestätigt.

Bild am Anfang: 4-poliger PM-Läufer aus Duplexstahl mit innenliegenden Seltenerd-Magneten.

Referenzen

[1] «Practical guidelines for the fabrication of duplex stainless steels», International Molybdenum Association, Third Edition, 2014.

[2] B. Löhlein, G. Huth, «Permanentmagnet-Synchronmotoren in Duplexstahl-Technik», e&i, Heft 2.2016 , S. 82–87, Springer Verlag.

[3] G. Huth, B. Löhlein, «Alternative materials for PM synchronous motors», IKMT 2017 in Saarbrücken, GMM-Fachbericht 89, S. 148–153.

[4] Patentschriften DE102007028356 / EP2156534.

[5] F. Magnussen, H. Lendenmann, «Parasitic Effects in PM Machines With Concentrated Windings», IEEE Transactions on Industry Applications, Vol. 43, No.5, S. 1223–1232, 2007.

[6] D. Ishak, Z. Zhu, D. Howe, «Comparison of PM Brushless Motors Having Either All Teeth or Alternate Teeth Wound», IEEE Transactions on Energy Conversion, March 2006, Vol. 21, No. 1, S. 95–103.

[7] G. Huth, «Permanent-magnet excited ac servo-motors in tooth-coil technology», IEEE Transactions on Energy Conversion, June 2005, Vol. 20, No. 2, S. 300–307.

[8] IEC 60034-30-1.

Autor
Prof. Dr. Gerhard Huth

leitet den Lehrstuhl für Mechatronik und elektrische Antriebssysteme.

  • TU Kaiserslautern
    DE-67663 Kaiserslautern
Autor
Dr. Ing. Bernd Löhlein

ist Oberingenieur am Lehrstuhl für Mechatronik und Elektrische Antriebssysteme.

  • TU Kaiserslautern, DE-67663 Kaiserslautern

 

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