Sichere Versorgung mit Drosselspulen
Netzstabilität
Die Verkabelung von Hoch- und Mittelspannungsleitungen erhöht den Bedarf an induktiver Blindleistung. Zudem kann auch in der Schweiz die Einspeisung von erneuerbarer Energie ins Netz zu Spannungsschwankungen führen. Drosselspulen können in beiden Fällen Abhilfe verschaffen. Sie verbessern die Netzstabilität und ermöglichen einen wirtschaftlichen Netzbetrieb.
Kompensationsdrosselspulen (Shunt-Reaktoren) sind seit Jahren im Einsatz, um kapazitive Blindleistung in Stromübertragungsnetzen zu kompensieren und die Stabilität der Energieübertragung zu gewährleisten. Im Vergleich zu anderen Möglichkeiten wie Generatoren, statischen Blindleistungskompensationen (SVC) oder Statcoms (Static Synchronous Compensators), die vor allem genutzt werden, um Blindleistung schnell zur Verfügung zu stellen, sind Drosselspulen relativ preisgünstig.
In den letzten fünfzehn Jahren wurde die Technologie zur variablen Drosselspule weiterentwickelt, die mit Stufenschaltern eine flexible Bereitstellung von Blindleistung ermöglicht.
Anwendungen
Drosselspulen werden in konventionellen Übertragungsnetzen für die Spannungskontrolle, die Bereitstellung von Blindleistung sowie bei speziellen Anwendungen zur Regelung von Lastflüssen und zur Kurzschlussstrombegrenzung eingesetzt. In modernen Netzen mit wachsendem Anteil an erneuerbarer Energie sind ihre Möglichkeiten noch vielfältiger geworden:
- Netzanbindung grosser Wind- und Solarparks,
- Kompensation von Spannungsschwankungen,
- Anbindung von Energiespeichern,
- Anpassung an topologische Änderungen.
Zudem können variable Drosselspulen als flexibler Ersatz dienen, da sie für den volatilen Blindleistungsbedarf einsetzbar sind. Damit reduziert sich die Zahl der benötigten Ersatzeinheiten.
Komponenten
Siemens Energy baut Drosselspulen bis 800 kV/300 Mvar mit Eisenkernen, die durch Luftspalte unterteilt sind. So entsteht ein kompaktes Design mit niedrigen Geräusch- und Vibrationsemissionen und kleinen Verlusten. Abstandshalter aus Keramik sorgen für die Einhaltung der definierten Abstände. Als Stufenschalter wird die Baureihe Vacutap der Maschinenfabrik Reinhausen eingesetzt. Diese Schalter führen bis zu 300’000 Schaltvorgänge wartungsfrei aus.
Mit einem grossen Regelbereich von rund 20% bis 100% bieten variable Drosselspulen eine Netzflexibilität, mit der Betreiber die höchste Netzeffizienz erreichen. Zudem profitieren die Betreiber von geringeren Verlusten und Geräuschemissionen, wenn die variable Drossel bei einer Stufe mit niedriger Nennleistung arbeitet.
Das Schalten von Drosselspulen führt zu Transienten, die sich längerfristig negativ auf die Leistung der Durchführungen auswirken können, unabhängig davon, welche Durchführungstechnologie (ölimprägniert oder trocken) eingesetzt wird. Um die Widerstandsfähigkeit zu verbessern, empfiehlt es sich, das Isolationsniveau (Basic Insulation Level, BIL) der Durchführungskerne eine Stufe höher zu spezifizieren als das der Wicklung.
Vorteile
Drosselspulen bieten Netzbetreibern diverse Vorteile, je nach Anwendung:
- Technisch: bessere Spannungsregelung, kleinere Blindleistungsbelastung durch optimierte Blindleistungskompensation, Einhaltung der vertraglichen Anforderungen, Kurzschlussstrombegrenzung und Impedanzanpassung der Leitungsabschnitte.
- Wirtschaftlich: Drosselspulen sind die kosteneffizienteste Lösung für Kompensation und Kurzschluss- Strombegrenzung, geringeren Blindleistungsbedarf, geringere Verluste, höhere Netzkapazität und ausgeglichene Lastflüsse und Netzlasten.
- Unternehmerisch: Flexibilität und Unabhängigkeit von anderen Netzbetreibern. Kann auch «überschüssige» Blindenergie als Dienstleitung im Netz anbieten.
Jedes Produkt wird individuell gefertigt und erfüllt alle Produktanforderungen hinsichtlich Spannung, Nennleistung, Betriebsweise, Geräuschen, Verlusten, Verbindungstechnik, Kühlung sowie Transport und Installation. Die Einheiten erfüllen die lokalen Standards von IEC oder IEEE, weitere Standards sind auf Anfrage möglich.
Fixe vs. variable Drosselspule
Drosselspulen können fest verschaltet oder als variable Einheiten mit Laststufenschaltern ausgeführt werden. Sie regeln die Netzspannung und kompensieren die kapazitive Blindleistung in Netzen – besonders in solchen, die bei Schwachlast oder im Leerlauf betrieben werden (Bild 1a). Durch die Anpassung der Kompensationsleistung verbessern variable Drosselspulen auch die Stabilität und Wirtschaftlichkeit der Energieübertragung.
Je nach lokalen Vorschriften kann es nötig sein, Blindleistung von einem Netzbetreiber kostenpflichtig zu beziehen. Mit fixen Drosselspulen muss weniger Blindleistung zugekauft werden, zudem halten sie Verluste niedrig, erhöhen die Kapazität der Leitung und brauchen wenig Platz. Sie sind für konstante Lasten und Netzbedingungen geeignet.
Variable Drosselspulen bieten weitere Vorteile: die Flexibilität, den Blindleistungsbezug über einen Bereich von ca. 20% bis 100% anzupassen und das Netz bei grossen Lastschwankungen oder Änderungen in der Stromerzeugungsstruktur zu stabilisieren.
Eine fixe Drossel würde bei steigender Last überkompensieren, was zu einem unerwünschten Spannungsabfall und zusätzlichem induktivem Blindleistungstransport durch die Leitung führen würde (Bild 1b). Die höhere Investition in eine variable Drosselspule zahlt sich deshalb schnell aus.
Netzentwicklung im Engadin
Im Rahmen eines Projekts der Engadiner Kraftwerke im Engadin wurden 2019 auf den Strecken Bever – Zernez – Pradella und Zernez – Ova Spin alle 60- und 16-kV-Leitungen verkabelt. Die 60-kV-Freileitung wurde dabei durch eine neue 110-kV-Kabelverbindung von etwa 60 km ersetzt, wodurch zusätzliche Blindleistung benötigt wurde, die mit Drosselspulen bereitgestellt werden kann. EKW wollte das Projekt möglichst schnell realisieren, um die Blindlastkosten vermeiden zu können. Mit einer grösseren Dimensionierung der Drosselspulen kann gegenüber Swissgrid im Vergleich zur bisherigen Situation ein deutlicher Mehrertrag erzielt werden.
Aufgrund der grossen kabelkapazitiven Blindlasten kann ein sicherer Betrieb sowie der Wiederaufbau des Netzes über das Unterwerk Bever nicht gewährleistet werden. Bei Wegfall der Netzebene-1-Anbindung von Swissgrid in Pradella steigt die Spannung im Repower-Netz bis zur Überspannungsauslösung an. Eine neue Betriebsvorschrift mit passender Einstellung der installierten Kompensationsdrosselspulen, die zusammen mit Repower erstellt wurde, beseitigt dieses Problem.
In Pradella und Ova Spin (Bild 2) wurde je eine identische Blindlastkompensationsanlage erstellt, die mittels T-Anschluss an die 110-kV-Kabelleitungen angeschlossen ist. Die Anlagen bestehen aus je einem Drehtrenner der Alpha Elektrotechnik AG, einem Leistungsschalter von Siemens Energy und einer regelbaren Kompensationsdrosselspule von 26–65 Mvar (115 kV; YN; ONAN, 16 Stufen). Es wurden identische Schutz- und Leittechnik-Steuerschränke in Ova Spin und Pradella erstellt. Dabei musste auch die Phasensynchrone Steuerung (PSD) für die Leistungsschalter integriert werden.
Die Software der Blindleistungsregelung ist im Automatisierungsgerät der übergeordneten Leittechnik in Pradella implementiert. Über eine Schnittstelle zum Netzleitsystem werden alle Daten der Blindlastkompensationsdrosseln in Pradella und Ova Spin übertragen.
Im Blindleistungsregler werden die von Swissgrid viertelstündlich vorgegebenen Spannungssollwerte der 380-kV-Ebene ständig mit den aktuellen Istwerten der Sammelschienenspannung in Pradella verglichen. Ist der Istwert der Spannung zu hoch, muss mehr induktive Blindleistung von den Spulen erzeugt werden – der Stufenschalter fährt hoch.
Eine der beiden Spulen, Ova Spin oder Pradella, wird als Masterspule bestimmt, die die Regelungsaufgabe bis zur Maximalstellung des Stufenschalters übernimmt. Dann wird der Stufenschalter der Slave-Spule verstellt.
Der Blindleistungsregler regelt auch die Blindleistungsproduktion der Kraftwerksgeneratoren in Pradella, Martina und Ova Spin. Die Grobregelung erfolgt über die Kompensationsspulen, die Feinregelung über die Spannungssteller der Maschinengruppen.
Die Anlagen sind seit Winter (Ova Spin) und Frühling (Pradella) 2021 erfolgreich im Betrieb.
Hornsea-Projekt (GB)
Project One ist der grösste von vier Windparks, die in der Hornsea-Zone in der Nordsee, 120 km vor der Küste von Yorkshire, gebaut wurde – der bis heute leistungsstärkste Windpark der Welt: 174 Windturbinen wurden auf einer Fläche von rund 407 km2 errichtet. Seit 2020 können bis zu 1,2 GW erzeugt werden. Insgesamt haben die vier Hornsea-Projekte eine Kapazität von rund 6 GW. Mit einer Gesamtkabellänge von 900 km wird Hornsea Project One auch eines der längsten Offshore-Windpark-Wechselstromsysteme der Welt umfassen. Drosselspulen von Siemens Energy werden an Land installiert, um dieses System zu unterstützen.
Um die Forderung nach Nachhaltigkeit zu erfüllen, wurden die variablen 220-kV-, 120-300-Mvar-Drosselspulen so konzipiert, dass möglichst geringe Verluste erzielt werden. Die Schallemission von weniger als 84 dB (A) bei 300 Mvar trägt ebenfalls zur Umweltverträglichkeit der Einheiten bei.
Fazit
Drosselspulen dienen als ökonomische Lösung zur Spannungsregelung und Blindleistungskompensation. Es gibt viele Anwendungsfälle, einschliesslich der Kompensation von Lastschwankungen und der Anpassung an topologische Änderungen wie Netzerweiterungen.
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