Fachartikel Energienetze , Infrastruktur

Sichere Versorgung mit Drossel­spulen

Netzstabilität

20.03.2023

Die Verkabelung von Hoch- und Mittel­span­nungs­leitungen erhöht den Bedarf an induk­tiver Blind­leistung. Zudem kann auch in der Schweiz die Einspeisung von erneue­rbarer Energie ins Netz zu Span­nungs­schwan­kungen führen. Drossel­spulen können in beiden Fällen Abhilfe verschaffen. Sie verbessern die Netzstabilität und ermöglichen einen wirt­schaft­lichen Netzbetrieb.

Kompensations­drossel­spulen (Shunt-Reaktoren) sind seit Jahren im Einsatz, um kapazitive Blind­leistung in Strom­über­tragungs­netzen zu kompen­sieren und die Stabilität der Energie­über­tragung zu gewährleisten. Im Vergleich zu anderen Möglichkeiten wie Generatoren, statischen Blind­leistungs­kompen­sationen (SVC) oder Statcoms (Static Synchronous Compensators), die vor allem genutzt werden, um Blind­leistung schnell zur Verfügung zu stellen, sind Drossel­spulen relativ preisgünstig.

In den letzten fünfzehn Jahren wurde die Technologie zur variablen Drossel­spule weiterentwickelt, die mit Stufenschaltern eine flexible Bereitstellung von Blind­leistung ermöglicht.

Anwendungen

Drossel­spulen werden in konven­tio­nellen Über­tragungs­netzen für die Spannungskontrolle, die Bereitstellung von Blind­leistung sowie bei speziellen Anwen­dungen zur Regelung von Lastflüssen und zur Kurzschlussstrom­begrenzung eingesetzt. In modernen Netzen mit wachsendem Anteil an erneuerbarer Energie sind ihre Möglichkeiten noch vielfältiger geworden:

  • Netzanbindung grosser Wind- und Solarparks,
  • Kompensation von Span­nungs­schwan­kungen,
  • Anbindung von Energiespeichern,
  • Anpassung an topologische Änderungen.

 

Zudem können variable Drossel­spulen als flexibler Ersatz dienen, da sie für den volatilen Blind­leistungs­bedarf einsetzbar sind. Damit reduziert sich die Zahl der benötigten Ersatz­einheiten.

Komponenten

Siemens Energy baut Drossel­spulen bis 800 kV/300 Mvar mit Eisen­kernen, die durch Luftspalte unterteilt sind. So entsteht ein kompaktes Design mit niedrigen Geräusch- und Vibrations­emissio­nen und kleinen Verlusten. Abstandshalter aus Keramik sorgen für die Einhaltung der definierten Abstände. Als Stufenschalter wird die Baureihe Vacutap der Maschinen­fabrik Reinhausen eingesetzt. Diese Schalter führen bis zu 300’000 Schaltvorgänge wartungsfrei aus.

Mit einem grossen Regelbereich von rund 20% bis 100% bieten variable Drossel­spulen eine Netzflexibilität, mit der Betreiber die höchste Netzeffizienz erreichen. Zudem profitieren die Betreiber von geringeren Verlusten und Geräusch­emissionen, wenn die variable Drossel bei einer Stufe mit niedriger Nennleistung arbeitet.

Das Schalten von Drossel­spulen führt zu Transienten, die sich längerfristig negativ auf die Leistung der Durchführungen auswirken können, unabhängig davon, welche Durch­führungs­techno­logie (ölimprägniert oder trocken) eingesetzt wird. Um die Wider­stands­fähigkeit zu verbessern, empfiehlt es sich, das Isolations­niveau (Basic Insulation Level, BIL) der Durch­führungs­kerne eine Stufe höher zu spezifizieren als das der Wicklung.

Vorteile

Drossel­spulen bieten Netzbetreibern diverse Vorteile, je nach Anwendung:

  • Technisch: bessere Spannungsregelung, kleinere Blind­leistungsbelastung durch optimierte Blind­leistungs­kompen­sation, Einhaltung der vertraglichen Anforderungen, Kurz­schluss­strom­begren­zung und Impedanz­anpas­sung der Leitungs­abschnitte.
  • Wirtschaftlich: Drossel­spulen sind die kosten­effizienteste Lösung für Kompensation und Kurzschluss- Strombegrenzung, geringeren Blind­leistungs­bedarf, geringere Verluste, höhere Netzkapazität und ausgeglichene Lastflüsse und Netzlasten.
  • Unter­nehmerisch: Flexibilität und Unab­hängig­keit von anderen Netz­betreibern. Kann auch «überschüssige» Blindenergie als Dienstleitung im Netz anbieten.

 

Jedes Produkt wird individuell gefertigt und erfüllt alle Produkt­anfor­derungen hinsichtlich Spannung, Nenn­leistung, Betriebs­weise, Geräuschen, Verlusten, Verbindungs­technik, Kühlung sowie Transport und Installation. Die Einheiten erfüllen die lokalen Standards von IEC oder IEEE, weitere Standards sind auf Anfrage möglich.

Fixe vs. variable Drossel­spule

Drossel­spulen können fest verschaltet oder als variable Einheiten mit Last­stufen­schaltern ausgeführt werden. Sie regeln die Netzspannung und kompensieren die kapazitive Blind­leistung in Netzen – besonders in solchen, die bei Schwachlast oder im Leerlauf betrieben werden (Bild 1a). Durch die Anpassung der Kompen­sations­leistung verbessern variable Drossel­spulen auch die Stabilität und Wirtschaft­lichkeit der Energie­übertragung.

Je nach lokalen Vorschriften kann es nötig sein, Blind­leistung von einem Netzbetreiber kosten­pflichtig zu beziehen. Mit fixen Drossel­spulen muss weniger Blind­leistung zugekauft werden, zudem halten sie Verluste niedrig, erhöhen die Kapazität der Leitung und brauchen wenig Platz. Sie sind für konstante Lasten und Netz­bedin­gungen geeignet.

Variable Drossel­spulen bieten weitere Vorteile: die Flexibilität, den Blind­leistungs­bezug über einen Bereich von ca. 20% bis 100% anzupassen und das Netz bei grossen Last­schwan­kungen oder Änderungen in der Stromerzeugungsstruktur zu stabilisieren.

Eine fixe Drossel würde bei steigender Last über­kompen­sieren, was zu einem uner­wünschten Spannungs­abfall und zusätzlichem induktivem Blind­leistungs­transport durch die Leitung führen würde (Bild 1b). Die höhere Investition in eine variable Drossel­spule zahlt sich deshalb schnell aus.

Netzentwicklung im Engadin

Im Rahmen eines Projekts der Engadiner Kraftwerke im Engadin wurden 2019 auf den Strecken Bever – Zernez – Pradella und Zernez – Ova Spin alle 60- und 16-kV-Leitungen verkabelt. Die 60-kV-Freileitung wurde dabei durch eine neue 110-kV-Kabelverbindung von etwa 60 km ersetzt, wodurch zusätzliche Blind­leistung benötigt wurde, die mit Drossel­spulen bereitgestellt werden kann. EKW wollte das Projekt möglichst schnell realisieren, um die Blindlastkosten vermeiden zu können. Mit einer grös­seren Dimensionierung der Drossel­spulen kann gegenüber Swissgrid im Vergleich zur bisherigen Situation ein deutlicher Mehrertrag erzielt werden.

Aufgrund der grossen kabel­kapazi­tiven Blindlasten kann ein sicherer Betrieb sowie der Wiederaufbau des Netzes über das Unterwerk Bever nicht gewährleistet werden. Bei Wegfall der Netzebene-1-Anbindung von Swissgrid in Pradella steigt die Spannung im Repower-Netz bis zur Über­spannungs­auslösung an. Eine neue Betriebsvorschrift mit passender Einstellung der installierten Kompen­sations­drossel­spulen, die zusammen mit Repower erstellt wurde, beseitigt dieses Problem.

In Pradella und Ova Spin (Bild 2) wurde je eine identische Blind­last­kompen­sations­anlage erstellt, die mittels T-Anschluss an die 110-kV-Kabel­leitungen angeschlossen ist. Die Anlagen bestehen aus je einem Drehtrenner der Alpha Elektrotechnik AG, einem Leistungsschalter von Siemens Energy und einer regelbaren Kompen­sations­drossel­spule von 26–65 Mvar (115 kV; YN; ONAN, 16 Stufen). Es wurden identische Schutz- und Leittechnik-Steuer­schränke in Ova Spin und Pradella erstellt. Dabei musste auch die Phasen­synchrone Steuerung (PSD) für die Leistungs­schalter integriert werden.

Die Software der Blind­leistungs­regelung ist im Automati­sierungs­gerät der übergeordneten Leittechnik in Pradella implementiert. Über eine Schnittstelle zum Netzleitsystem werden alle Daten der Blind­last­kompen­sations­drosseln in Pradella und Ova Spin übertragen.

Im Blind­leistungs­regler werden die von Swissgrid viertelstündlich vorgegebenen Spannungs­soll­werte der 380-kV-Ebene ständig mit den aktuellen Istwerten der Sammel­schienen­spannung in Pradella verglichen. Ist der Istwert der Spannung zu hoch, muss mehr induktive Blind­leistung von den Spulen erzeugt werden – der Stufenschalter fährt hoch.

Eine der beiden Spulen, Ova Spin oder Pradella, wird als Masterspule bestimmt, die die Regelungs­aufgabe bis zur Maximal­stellung des Stufen­schalters übernimmt. Dann wird der Stufenschalter der Slave-Spule verstellt.

Der Blind­leistungsregler regelt auch die Blind­leistungs­produktion der Kraft­werks­genera­toren in Pradella, Martina und Ova Spin. Die Grobregelung erfolgt über die Kompen­sations­spulen, die Feinregelung über die Span­nungs­steller der Maschinengruppen.

Die Anlagen sind seit Winter (Ova Spin) und Frühling (Pradella) 2021 erfolgreich im Betrieb.

Hornsea-Projekt (GB)

Project One ist der grösste von vier Windparks, die in der Hornsea-Zone in der Nordsee, 120 km vor der Küste von Yorkshire, gebaut wurde – der bis heute leistungsstärkste Windpark der Welt: 174 Windturbinen wurden auf einer Fläche von rund 407 km2 errichtet. Seit 2020 können bis zu 1,2 GW erzeugt werden. Insgesamt haben die vier Hornsea-Projekte eine Kapazität von rund 6 GW. Mit einer Gesamtkabellänge von 900 km wird Hornsea Project One auch eines der längsten Offshore-Windpark-Wechsel­strom­systeme der Welt umfassen. Drossel­spulen von Siemens Energy werden an Land installiert, um dieses System zu unterstützen.

Um die Forderung nach Nach­haltigkeit zu erfüllen, wurden die variablen 220-kV-, 120-300-Mvar-Drossel­spulen so konzipiert, dass möglichst geringe Verluste erzielt werden. Die Schall­emission von weniger als 84 dB (A) bei 300 Mvar trägt ebenfalls zur Umwelt­verträg­lichkeit der Einheiten bei.

Fazit

Drossel­spulen dienen als ökonomische Lösung zur Spannungs­regelung und Blind­leistungs­kompen­sation. Es gibt viele Anwen­dungs­fälle, einschliesslich der Kompen­sation von Last­schwankungen und der Anpassung an topologische Änderungen wie Netz­erweiterungen.

Autor
Bruno Herzog

ist Head of Grid Techno­logies bei Siemens Energy.

  • Siemens Energy AG, 8047 Zürich
Autor
Frank Prokoph

ist Sales Engineer bei Siemens Energy AG.

  • Siemens Energy AG, 8047 Zürich
Autor
Fabian Denoth

ist Projektleiter bei den Engadiner Kraftwerken.

  • Engadiner Kraftwerke AG, 7530 Zernez

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