Digitale Trassierung von Stromleitungen

Um den Strombedarf zu decken, werden Netzanschlüsse, Stromleitungstrassees und höhere Übertragungskapazitäten benötigt. Insbesondere in dicht besiedelten Orten oder in Schutzgebieten ist die optimale Planung des Trassees einer Hochspannungsleitung an­spruchsvoll. Neben den technischen Kriterien und den Kosten für Planung und Bau beeinflussen raumplanerische Aspekte und gesetzliche Vorschriften die Auslegung des Trassees. Mindestabstände und Regelungen zu Landschafts- und Umweltschutz müssen eingehalten, Topografie und Raumplanung berücksichtigt und Investitionskosten niedrig gehalten werden. Diese umfassende Interessensabwägung birgt Konfliktpotenzial und stellt die Netzbetreiber vor grosse Herausforderungen. Die bisherigen Planungsmethoden sind arbeitsaufwendig und zeit­intensiv, da integrale und effiziente Hilfsmittel bislang limitiert sind, um optimale Leitungsführungen zu orten.

Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, den Planungsprozess zu beschleunigen und den Ansprüchen zwischen Wirtschaftlichkeit und optimaler Trasseeführung gerecht zu werden. Im Rahmen der Digitalisierungsinitiative Grid 4.0 baut Axpo in Zusammenarbeit mit dem Software-Entwickler Gilytics, einem ETH-Spin-off, die Kompetenzen für eine Software-gestützte Planung ihrer Hochspannungsleitungen auf. Die Software Pathfinder modelliert mittels Einbindung digitaler Karten die besten Routing-Lösungen unter Berücksichtigung aller relevanter Aspekte und stellt sie visuell dar. Die Digitalisierung der Leitungsplanung ist ein Bestandteil der digitalen Transformation der Axpo und eine wichtige Basis für eine moderne Energieversorgung. Damit bieten sich neue Möglichkeiten, um den hohen Anforderungen der Energiezukunft intelligent zu begegnen.

Funktionen der Planungs-Software

Die von Gilytics entwickelte Cloud- Plattform dient der Evaluation der strategischen Netzplanung, der Variantenplanung von Leitungsprojekten sowie der öffentlichen Kommunikation. Die Software kann besonders in grösseren Leitungsprojekten Planungszeit einsparen und kürzere Leitungsführungen identifizieren. Sie vereinfacht Entscheidungsfindung und Variantenplanung bei Freileitungen und Erdkabeln auf den unterschiedlichen Spannungsebenen. Die Leitungsplanung wird in Richtung Building Information Modeling (BIM) Prozessen weiter digitalisiert.

Die Software verfügt über vielfältige Algorithmen,  die verschiedene Szenarien der Korridor- und Streckenführung in Echtzeit berechnen und visuell darzustellen. Kombinierte Planung von Freileitungen und Erdkabeln, detaillierte Investitionskostenabschätzungen oder Leitungsvisualisierungen mit Augmented Reality auf Mobilgeräten sind in der Entwicklung.

Digitale Leitungsplanung eines Unterwerksanschlusses

Für den Anschluss eines neuen Unterwerks wurde die Trassierung mittels der Software von einem Expertenteam der Axpo ausgearbeitet. Axpo baut den Netzanschluss für die Netzebene 3. Das Ziel war dabei, die besten Linienführungsvarianten für Freileitungen und Kabelleitungen auszuarbeiten. Das Projekt eignete sich insbesondere zur Untersuchung des gesamten Spektrums an Prozess­abläufen und zur Nutzung des Software-Umfangs. Da bereits im Vorfeld mögliche Leitungstrassees mit der bisher angewandten Methode erarbeitet wurden, konnten die Lösungen mit jenen der digitalen Methode verglichen werden.

Zum Start modellierte das Projektteam das Gebiet und die Rasterauflösung und definierte die Layer-Kategorien in der Software, um die technischen, gesetzlichen und raumplanerischen Aspekte in Form einer Widerstandsmatrix zu modellieren. Dabei wurden die unterschiedlichen Zonen (Wald, Wiesen, Siedlungen, Schutzgebiete etc.) auf granularer Ebene parametrisiert. Die notwendigen Geodaten wurden beschafft und der entsprechende Raumwiderstand je Zone in der Widerstandsmatrix definiert. Die resultierenden Matrizen wurden als Ausgangspunkt verwendet und dienen in zukünftigen Projekten als Ausgangsmatrix. Anschliessend wurden mit Hilfe der Software mehrere Varianten für Freileitungstrassees generiert.

Die Gegenüberstellung der so erarbeiteten Linienführung mit den im Vorprojekt nach der bisherigen Methode ausgearbeiteten Varianten zeigte einen ähnlichen Verlauf zwischen Wald und Siedlungsgebiet. Die digitale Variante bietet jedoch Vorteile, wie sich nachfolgend zeigt. Sie bildet eine ideale Basis für schnelle Anpassungen und zur Verwendung für zukünftige Projektschritte wie Kommunikation und Bau.

Zusätzlich wurden drei Varianten von Kabelleitungstrassen digital erstellt. Die erste Variante führt quer durch das Siedlungsgebiet. Die weiteren Varianten folgen zuerst der Autobahn und verlaufen dann in einem Fall durch und im anderen Fall entlang des Siedlungsgebiets.

Die Linienführung der digital erstellten Kabelleitung durch das Dorf führt durch keine Parzelleninnenflächen und weist die kürzeste Länge auf. Sie verläuft jedoch über eine längere Strecke in einer vor Kurzem neu asphaltierten Strasse. Ein Aspekt, der bei der traditionellen Trassierung nicht angemerkt wurde. Die Variante vom Vorprojekt führt in diesem Bereich im naheliegenden Gehweg. Ein Vorteil der Software zeigt sich in Bezug auf die archäologischen Gebiete, die beim Vorprojekt nicht berücksichtigt wurden. So sind hier alle relevanten Gebiete im selben Tool verfügbar. Die Empfehlung des Tools zur Umfahrung des Naturschutz- und Erholungsgebiets war ebenfalls sinnvoll.

Herausforderungen führen zu Kompetenzaufbau

Die Digitalisierung der Trasseeplanung weist viele Vorteile auf. Es konnten entweder optimale Strecken für alle Anspruchsgruppen gemäss Parametrisierung oder kürzere Strecken gefunden werden, wodurch weniger Material verbaut wird, weniger Energieverluste entstehen und dabei indirekt CO₂ eingespart wird. Herausforderungen bestanden in der Datenbasis, der Etablierung eines Engineering-Standards und in der Weiterentwicklung der Software an spezifische Anforderungen der Experten, wie nachfolgend erläutert. Dies erforderte den Aufbau von Kompetenzen und einer guten Zusammenarbeit zwischen Axpo und Gilytics.

Die Beschaffung aktueller Geodaten auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene bildet eine wichtige Grundlage zu Beginn eines Projektes. Nach anfänglicher manueller Datenbeschaffung kann seit März 2021 direkt auf die Datenbank von Swisstopo zugegriffen und der Aufwand reduziert werden. Aktuell werden kantonale und kommunale Daten manuell beschafft und eingelesen.

Um die digitalen Planungsarbeiten mit der Software effizient durchzuführen, hat Axpo begonnen, einen Engineering-Standard zu definieren und die relevanten Arbeitsabläufe aufzubauen. Dabei werden die verschiedenen Gebiete (zum Beispiel Siedlungen, Strassen, Schutzzonen) in der Software mittels einer Bewertung parametrisiert. Der umfassende Initialaufwand dieses Standards bildet die Basis für weitere Projekte und erhöht deren Effizienz bis zur zukünftigen Automatisierung.

Zusammen mit dem Software-Entwickler hat Axpo die Funktionen für die Anforderung von Expertinnen und Experten im Leitungsbau weiterentwickelt. Dabei wurden Kompetenzen für eine effiziente Zusammenarbeit aufgebaut, um die Software möglichst entsprechend der Branchenbedürfnisse einzusetzen und auch Anpassungen für spezifische Projekte vornehmen zu können.

Zusammenarbeit mit Infrastrukturbetreibern

Mit den durchgeführten Projekten zur Automatisierung der Trasseeplanung hat Axpo einen wichtigen Schritt zur durchgängigen Digitalisierung der Planung und des Engineerings von Leitungsbauprojekten gemacht. Viele der Vorteile der Software liessen sich schrittweise über mehrere Projekte realisieren und bieten Potenzial für zukünftige Projekte und Weiterentwicklungen.