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Digitale Platt­formen für die urbane Energie­wende

Bündelung und Auswertung von Informationen

27.05.2019

Den Städten und Gemeinden kommt bei der Energiewende eine herausragende Rolle zu. Doch die damit verbundenen Herausforderungen sind enorm und lassen sich mit den herkömmlichen Methoden kaum noch bewältigen. Digitale Plattformen können Abhilfe schaffen.

Laut Berichten des Weltklimarates und der Internationalen Energieagentur sind Städte bereits heute für 70% des weltweiten Energieverbrauchs und für über 70% der CO2-Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig sind sie selbst stark vom Klimawandel betroffen. Ein weiterer Aspekt, der die Bedeutung der Städte und Gemeinden bei der Energiewende unterstreicht, ist deren Nähe zu den Hauptakteuren – den Bürgerinnen und Bürgern. Vielen Städten ist diese herausragende Rolle bewusst, und sie haben bereits begonnen, entsprechende Konzepte und Strategien umzusetzen.

Komplexe Fragestellungen

Wagen Städte und Gemeinden den Weg in eine nachhaltige Energieversorgung, ergeben sich einige grundsätzliche Fragen, deren Beantwortung für den Erfolg entscheidend ist. Wenige Verwaltungen haben beispielsweise einen umfassenden Überblick über den Stand der Energiewende in ihrer Stadt. Die Informationen sind zwar vorhanden, aber sie sind auf verschiedene Dienststellen verteilt und liegen oft nur in analoger Form vor. Wie geht man ausserdem mit der überwältigenden Vielzahl von Themen und Perspektiven um, welche alle miteinander verknüpft sind? Wie trifft man gute Entscheidungen in diesem hochkomplexen, unsicheren Umfeld?

Um die beschränkten Mittel effizient einzusetzen, müssen adäquate Antworten auf diese Fragen gefunden werden. Hat sich die Stadt oder die Gemeinde einen Überblick verschafft, eine Strategie erarbeitet und Massnahmen beschlossen, sollten diese und die Wirkung derselben regelmässig überprüft werden. Nicht zuletzt gilt es auch, die Bürgerinnen und Bürger für die Energiewende zu motivieren.

Angesichts dieser Fragestellungen stehen Städten und Gemeinden zwei Optionen offen. Entweder sie kapitulieren vor der Herausforderung und konzentrieren sich auf einzelne konkrete Projekte und Massnahmen, oder sie versuchen, sich der Aufgabe in einer strukturierten Form anzunehmen. Die zweite Variante ist allerdings mit den herkömmlichen Methoden kaum zu bewältigen – das energetische Ökosystem einer modernen Stadt ist zu komplex geworden.

Digitaler Lösungsansatz

Um für die Herausforderungen der urbanen Energiewende gewappnet zu sein, braucht es in erster Linie Transparenz bezüglich des Status quo. Eine Plattform ist vonnöten, wo relevante Informationen zusammenfliessen und verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden. Dafür müssen bestehende Silos in der Verwaltung aufgebrochen und neue Kommunikationskanäle zum örtlichen Energieversorger hergestellt werden.

Von grösster Wichtigkeit ist schliesslich ein dritter Aspekt: die Reduktion der Komplexität. Die Realität des Energiesystems ist heute so komplex geworden, dass man ihr nur noch mit Modellieren beikommen kann. Dazu kreiert man einen sogenannten digitalen Zwilling, um damit Strategien zu planen, in Szenarien zu denken und die Zukunft zu simulieren. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich gute Entscheidungen treffen, welche für das Gelingen der urbanen Energiewende erforderlich sind.

Technologien und digitale Hilfsmittel, um solche digitalen Zwillinge bereits heute anzuwenden, sind vorhanden. Auch die Datenlage verbessert sich stetig und mit einem entsprechenden Qualitätsmanagement lassen sich die digitalen Plattformen laufend weiterentwickeln. Intelligente Mechanismen und Data Analytics ermöglichen ausserdem ganz neue Möglichkeiten bei der Planung von Strategien und der Definition von Massnahmen. Ein entscheidendes Element – an dem bisher so manche Energiestrategie gescheitert ist – lässt sich mithilfe eines digitalen Plattformansatzes ebenfalls elegant und effizient umsetzen: das fortlaufende Monitoring, um die Wirkung der umgesetzten Massnahmen zu überprüfen und um gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.

Mehrwert solcher Plattformen

Mit einer digitalen Plattform lässt sich ein Regelkreis schaffen, in dem vom transparenten Status quo abgeleitet Handlungsbedarf und konkrete Ziele festgelegt werden. Mit Simulationen und intelligenten Algorithmen lassen sich anschliessend Massnahmen definieren, welche mithilfe von automatisierten Berichten laufend überwacht werden. Die gewonnenen Erkenntnisse fliessen wieder in die Gesamtübersicht und in die Konzeption der Massnahmen ein.

Mit der digitalen Plattform und dem Regelkreis wird der Prozess der urbanen Energiewende transparent und beherrschbar. Das hochkomplexe und unsichere Umfeld kann mit Szenarien-Simulation fassbar gemacht werden, was die Festlegung von validen Zielen, Strategien und Massnahmen ermöglicht. Durch die Vernetzung der unterschiedlichen Sektoren und Perspektiven werden zudem Synergien geschaffen, welche vorher teilweise gar nicht erkennbar waren. Eine einfach verständliche digitale Grundlage erlaubt ausserdem eine adressatengerechte und effiziente Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern sowie mit Industrie, Gewerbe und Handel.

Die Bewusstseinsbildung und Motivation dieser Akteure für die Energiewende sind entscheidende Faktoren für deren Erfolg. Fördermittel können beispielsweise gezielter eingesetzt und der Widerstand gegen konkrete Massnahmen und Projekte gemindert werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Mitteleinsatz dank besseren Planungsgrundlagen effizienter und zielgerichteter erfolgen kann. Finanziell lohnt sich der digitale Ansatz, weil das Datenmanagement deutlich vereinfacht wird und die Kosten für die Datenbereitstellung sinken.

Der Weg in die Energiezukunft führt über digitale Plattformen

Viele Städte und Gemeinden haben entschieden, den Weg in eine nachhaltige Energiezukunft anzutreten. Die grosse Anzahl Beteiligter und die Vielzahl der verteilten Verantwortlichkeiten sowie der Umfang der Herausforderungen lassen sich mit den herkömmlichen Methoden und Hilfsmitteln jedoch kaum mehr bewältigen. Zudem empfiehlt sich angesichts der Dynamik und Komplexität des Themas eine Fokussierung auf Datenintegration und Datenmanagement anstelle der reinen Digitalisierung von Prozessen und Funktionen.

All dies spricht für einen digitalen Plattformansatz, welcher das städtische System als digitalen Zwilling abbildet und es damit greifbar und steuerbar macht. So können die Städte und Gemeinden ihre entscheidende Rolle bei der Energiewende weiterhin wahrnehmen.

Autor
Stefan Dörig

ist Director Markets bei Enersis Suisse AG.

  • Enersis Suisse AG, 3011 Bern

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