«Dieses Wissen ist die Basis unserer Arbeit»
Dispatcher Energie und Wasser
Roland Stadler und Mario Giordano von IWB haben den erstmals durchgeführten Lehrgang für Dispatcher absolviert. Im Interview erzählen sie, was sie dabei gelernt haben und warum jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einer Netzleitstelle diesen Kurs besuchen sollte.
Bulletin: Roland Stadler, Sie haben die Ausbildung «Dispatcher Wasser und Energie» absolviert. Was war Ihre Motivation, diesen Lehrgang zu besuchen?
Roland Stadler: Der wichtigste Punkt ist natürlich, dass wir uns weiterbilden wollten. Der Kurs hilft uns, unser vorhandenes Know-how zu festigen und zu vertiefen. Das Wissen und die Informationen, welche den Teilnehmern hier vermittelt werden, sind im Prinzip die Basis für unsere Arbeit.
Gab es weitere Gründe?
Roland Stadler: Der Kurs wurde erstmals durchgeführt. Ich wollte daher aus erster Hand erleben, ob er wie geplant funktioniert und wo noch Optimierungspotenzial vorhanden ist.
Quasi als Selbsttest?
Roland Stadler: Ja, genau. Ich kann meinen Mitarbeitern schlecht sagen, dass sie diesen Kurs besuchen sollen, wenn ich seinen Inhalt selbst nicht kenne. Ausserdem hatten Mario Giordano und ich so auch die Möglichkeit, laufend Verbesserungsvorschläge zu machen.
Wo mussten Sie intervenieren?
Roland Stadler: Die Flughöhe war teilweise sehr hoch, so dass wir bisweilen überrascht waren von der Tiefe, in der Themen behandelt wurden. Aber die Kursleitung hat gut reagiert, unsere Inputs aufgenommen und den Kurs anwenderorientierter gestaltet.
Was haben Sie aus dieser Ausbildung mitgenommen?
Mario Giordano: Ich habe viele neue Erkenntnisse aus anderen Bereichen gewonnen; beispielsweise Grundkenntnisse darüber, wie ein Leitungssystem für Fernwärme aufgebaut wird. Oder die Funktionsweise der Wasserversorgung. Auf einer Netzleitstelle, «im Büro», kriegt man sonst nicht so viel Einblick in diese Bereiche.
Haben Sie als «Routiniers» in dieser Ausbildung überhaupt noch Neues gelernt?
Roland Stadler: Einerseits tat es gut, einst Gelerntes aufzufrischen. Anderseits ermöglicht die Vermittlung der Grundlagen aus anderen Bereichen auch, dass der Wissensstand und das Know-how dereinst in allen Netzleitstellen in unserem Land ein ähnliches Level erreichen. Das ist ein Riesenvorteil; auch für erfahrene Dispatcher.
Warum?
Roland Stadler: Jede Netzleitstelle in diesem Land ist anders. Prozesse, Abläufe und Gegebenheiten sind quasi organisch gewachsen und unterscheiden sich zum Teil deutlich, und das, obwohl alle dasselbe Ziel haben: Die Störung muss behoben werden. Wenn wir eine gewisse Harmonisierung bis zu einem bestimmten Niveau hinkriegen, ist das eine gute Basis für eine eidgenössisch anerkannte Ausbildung. Das ist jedoch ein sehr langer Weg und wird wohl noch Jahre dauern.
Wie zufrieden waren Sie mit den Referenten?
Roland Stadler: Die Referenten waren top. Sie waren sehr gut vorbereitet, motiviert und haben den Stoff gut vermittelt. Aufgrund der Fülle der Informationen erreichten wir manchmal allerdings die Grenzen unserer Aufnahmefähigkeit. Das wurde zwar im Verlauf des Kurses – auch aufgrund unserer Rückmeldungen – besser.
Mario Giordano: Wir konnten jeweils mittels Feedback-Bögen unmittelbar Rückmeldungen auf die Kurstage geben. Das fand ich sehr praktisch, da so die Anliegen der Teilnehmer direkt besprochen werden konnten.
IWB unterstützt VSE und SVGW bei der Konzeptionierung dieser Ausbildung. Worin bestand Ihr Beitrag?
Roland Stadler: Wir haben zwar im Laufe der Jahre viele verschiedene Kurse besucht, aber Angebote, die uns effektiv weiterbringen, sind rar. Der VSE und der SVGW haben sich gemeinsam mit unserem damaligen Chef, Hanspeter Keller, für eine solche Ausbildung engagiert. Und wir konnten zahlreiche Inputs liefern, wie ein solcher Kurs die Bedürfnisse einer Netzleitstelle berücksichtigen kann.
Als Querverbundunternehmen ist IWB geradezu prädestiniert, um bei der Entwicklung eines solchen Kurses mitzuarbeiten.
Roland Stadler: Als Mehrspartenanbieter ist das natürlich eine gute Sache. Besonders gut fand ich, dass der Kurs modular aufgebaut ist. Der allgemeine Teil ist für alle gleich. Die weiteren Module behandeln spartenspezifische Fragestellungen zum Thema Strom respektive Fernwärme, Gas und Wasser
Welche Themen werden im allgemeinen Teil behandelt?
Mario Giordano: Die Bandbreite ist gross: Energiewirtschaft, Physik, Rechtlichtes und noch einiges mehr. Das Thema Kommunikation fand ich sehr wichtig. Schliesslich haben wir es oft mit Kunden zu tun, die sich aufgrund einer Störung in einer Ausnahmesituation befinden.
Wie wirken sich die neuen Erkenntnisse auf Ihren Arbeitsalltag aus?
Mario Giordano: Die Inhalte des Kurses helfen uns, Entscheide zu treffen und zu erkennen, ob eine Störung Anzeichen eines gravierenderen Problems sein könnte. Wir erhalten Sicherheit und können besser einschätzen, welches Risiko eine Störung birgt. Und wir sind in der Lage, dem Kunden unmittelbar Feedback zu geben.
Also erlaubt Ihnen das neu gewonnene Wissen über andere Bereiche, schon einen Schritt weiter zu denken?
Mario Giordano: Richtig. Wenn man weiss, welche Prozesse beispielsweise bei der Wasserversorgung ablaufen, kann man abschätzen, wie gross der Einfluss einer Störung sein kann.
Haben Sie denn schon einen konkreten Fall erlebt, bei dem Sie das neu erworbene Wissen anwenden konnten?
Mario Giordano: Einen spezifischen Fall könnte ich nicht nennen. Aber eventuell habe ich beim einen oder anderen Mal unbewusst anders gehandelt als vor der Ausbildung.
Welche Voraussetzungen braucht es, um zur Dispatcher-Ausbildung zugelassen zu werden?
Roland Stadler: Voraussetzung ist Berufserfahrung in den Bereichen Elektrizitäts-, Wasser-, Gas- oder Fernwärmeversorgung. Von Vorteil sind ausserdem Kenntnisse über die Abläufe auf einer Netzleitstelle. Es freut uns, dass die Anforderungen nicht zu hoch angesetzt sind. In Deutschland gibt es beispielsweise eine vergleichbare Ausbildung, die aber nur ausgebildeten Ingenieuren offensteht.
Wem würden Sie diese Ausbildung empfehlen?
Roland Stadler: Für Dispatcher ist dieser Kurs eine sinnvolle Ergänzung. Sie erhalten so eine gute Vertiefung für ihren Job. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Netzleitstelle von IWB werden diese Ausbildung künftig standardmässig absolvieren.
Die zuvor unabhängigen Netze wachsen zusammen, die Idee der Sektor-Kopplung gewinnt zunehmend an Relevanz, und mittendrin sitzt der Dispatcher und behält den Überblick. Welche Bedeutung hat diese Funktion in der Branche in Zukunft?
Roland Stadler: Eine grosse. Heute arbeiten vor allem Personen, die eine Ausbildung im Elektrizitätsbereich absolviert haben und die sich anschliessend bei ihrem Arbeitgeber weitergebildet haben, als Dispatcher. Der Zertifikats-Lehrgang «Dispatcher Energie und Wasser» kann also durchaus die Basis für eine entsprechende eidgenössisch anerkannte Berufsausbildung sein.
Zumal vor dem Hintergrund der Energiestrategie 2050, in welcher der dezentralen Produktion – und damit einem komplexeren Netz – grosse Bedeutung zukommt.
Mario Giordano: Genau, das ist ein mögliches Szenario. Komplexere Systeme mit verschiedenen Netzen verlangen mehr Koordination. Und Dispatcher haben das Know-how, um solche Systeme zu verwalten und zu betreuen.
Was zeichnet einen Dispatcher aus? Wer eignet sich für diese Funktion?
Roland Stadler: Wer als Dispatcher arbeiten will, muss über ein breit gefächertes Fachwissen verfügen. Wichtig ist, dass man kommunikativ und stressresistent ist. Eine stabile Psyche und ein gesundes Selbstvertrauen sind auch von Vorteil, denn ein Dispatcher arbeitet in der Regel alleine und muss viele Entscheidungen treffen.
Mario Giordano: Ein Dispatcher muss willensstark sein und sich durchsetzen können. Als Netzleitstelle sind wir zwar den Fachbereichen unterstellt. Aufgrund des direkten Kontakts mit Kunden bei Störungen und dank unserer Erfahrung erkennen wir aber, wenn eine Störung anders behoben werden muss, als sich die Fachbereiche dies gewohnt sind.
Wie lautet Ihr Fazit nach der ersten Durchführung des Lehrgangs?
Roland Stadler: Die Ausbildung hat uns überzeugt. Aufgrund unserer Rückmeldungen dürften gewisse Dinge noch angepasst werden, zum Beispiel etwas mehr Praxisnähe. Aber im Grossen und Ganzen war der Kurs sehr gut. Wir hoffen, dass der Kurs sukzessive ausgebaut wird. Das ist wichtig im Hinblick auf eine allfällige Erarbeitung einer eidgenössisch anerkannten Berufsausbildung.
Erstmals haben VSE und SVGW eine technische Ausbildung gemeinsam angeboten. Wie beurteilen Sie diese Kooperation?
Roland Stadler: Es ist gut, dass diese beiden Fachverbände zusammenarbeiten. Elektrizität und Wasser vertragen sich ja eigentlich nicht so gut. Aber der Dispatcher bietet eine gemeinsame Basis, auf der sich die Fachleute aus diesen Bereichen treffen können. So können netzgebundene Probleme gemeinsam gelöst werden. Das ist die Zukunft.
Biografien
Roland Stadler ist Leiter der Netzleitstelle von IWB. Er ist gelernter Elektroinstallateur und arbeitet seit 1991 bei IWB.
www.iwb.ch
roland.stadler@iwb.ch
Mario Giordano ist stellvertretender Leiter von Netzleitstelle der IWB. Er ist gelernter Elektroinstallateur und mit einem Unterbruch seit 2001 bei IWB.
mario.giordano@iwb.ch
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