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Die Lade­infra­struktur als Multitalent

E-Mobile Ladeforum, Zürich, 14. März 2023

16.03.2023

Das Thema «Laden von Elektroautos» gewinnt an Fahrt. Davon zeugen auch die vielen Fragen, zu deren Beant­wor­tung nun die Lade­infra­struktur-Tagung der Fach­gesell­schaft E-Mobile von Electrosuisse ins Leben gerufen wurde: Über 360 Interes­sierte trafen sich zur ersten Austragung am 14. März 2023 im Technopark Zürich. Das Themen­spektrum war breit: Nebst dem bidirek­tio­nalen Laden, dem Smart Charging, der Lade­infra­struktur in der Tiefgarage, der Strom­versor­gung 2050 wurden auch weitere Aspekte der künftigen Ladei­nfra­struktur vorgestellt.

Den Einstieg machte Peter Bardenfleth-Hansen von Zaptec mit einer Übersicht über die Situation in Norwegen – einem Vorreiter in Sachen Elektromobilität und einem Land mit vielen Gemeinsamkeiten mit der Schweiz. In manchen Monaten verzeichnet Norwegen bei den Fahrzeug-Neuzulassungen einen Elektroautoanteil von über 90%. Zentral ist dabei die Überzeugung in der Bevölkerung, dass die Elektromobilität selbst bei grossen Distanzen möglich ist, wobei die Ladestopps bei langen Reisen genauer geplant werden müssen als bei fossil angetriebenen Autos. Im Vergleich zur Schweiz hat Norwegen bezüglich Infrastruktur den Vorteil, dass der Anteil an Einfamilienhäusern viel höher ist. Für Infrastrukturbetreiber sei die Integration von Energiemanagement und Verteilsystemen wichtig, um Stromausfälle zu vermeiden. Ohne Smart Charger geht es da nicht. Dabei sollten zukunftssichere Produkte verwendet werden, die künftig auch bidirektionales Laden als Netzdienstleistung ermöglichen, so das Fazit von Bardenfleth-Hansen.

Alois Freidhof, stellvertretender Leiter Mobilität beim BFE, gab Einblicke in das Projekt «Ladeinfrastruktur 2050» und präsentierte erste Erkenntnisse. Das erste Zwischenergebnis war eine Grafik, die aufzeigt, dass die Elektromobilität schnell kommt. 2035 wird bereits die Hälfte der Fahrzeuge elektrisch sein, 2050 werden überwiegend batterieelektrische Fahrzeuge zugelassen, so die Prognose. Er betonte: «Wir haben es in der Hand, welches Ladeszenario kommt. Die Ansichten der Branche sind da noch recht unterschiedlich.» Die Ergebnisse der BFE-Studie werden am 10. Mai 2023 präsentiert.

Bidirektionales Laden

Sandro Schopfer, Sun2wheel, zeigte auf, dass das bidirektionale Laden heute schon bei der Optimierung des Eigenverbrauchs Mehrwert generieren kann. Möglich macht dies der Leistungsbedarf, der zuhause um eine Grössenordnung kleiner ist als während der Fahrt auf der Autobahn. Bei Flotten können mit dem Regelenergiemarkt finanzielle Vorteile erzielt werden. Bezüglich Energiemenge bieten Elektroautos 30 bis 80 kWh, also deutlich mehr als typische Heimspeicher, deren Speichervermögen bei 6 bis 10 kWh liegt. Wenn 2035 alle Elektroautos bidirektional angeschlossen wären, könnte man 15 GW einspeisen, also etwa gleich viel, wie Speicher- und Laufkraftwerke zusammen.

Zwei konkrete Anwendungsfälle wurden dann von Adrian Wachholz, ABB, vorgestellt: Das bidirektionale Laden in Frankreich für Vehicle-to-Grid und in Norwegen als e-Mobility-as-a-Service. Vehicle-to-Grid sei das Komplizierteste im Vergleich zu V2home und V2building, wo es zur Lastverschiebung und Spitzenkappung genutzt werden kann. Im Netz lässt sich mit V2G die Frequenz regeln, Energie bei Nachfragespitzen bereitstellen, die Spannung stabilisieren und «rotierende Masse» einbringen. Er schilderte vier Szenarien: Den ursprünglichen Anwendungsfall, das orchestrierte Laden, die Notfallreserve und den Einsatz als Asset des Stromnetzes, bei dem EVUs uneingeschränkter Zugang zu Flexibilität gewährt wird. Normen und Standards sind dabei zentral für den Erfolg.

Da Lithium-Ionen-Batterien die teuerste Komponente von Elektroautos sind, lohnt es sich zu fragen, wie sich ihre Lebensdauer verlängern lässt. Priscilla Caliandro, BFH, erläuterte die Mechanismen, die zum temporären oder permanenten Verlust von Kapazität und Leistung führen und zeigte «lebensverlängernde» Betriebsstrategien auf.

Aus der Sicht des Verteilnetzes

Marvin Wittwer, Schneider Electric Schweiz, erläuterte die Systemarchitektur eines Microgrids und stellte Technologien und Dienstleistungen vor, die Ladeinfrastrukturen bei Microgrids bieten können.

Ein Block mit Kurzvorträgen von EVU-Experten bot Einblicke in die Situation des hiesigen Energiesystems. Die Auswirkungen des Ladens von E-Autos auf das Verteilnetz erläuterte Marina González Vayá von EKZ. Sie stellte eine Simulation mit synthetischen Lastgängen vor und zeigte auf, wie Lastgänge für die Elektromobilität generiert werden können. Ladevorgänge liessen sich mit diversen Technologien beeinflussen: durch die Kontakte der Ladestation, mit OCPP-Kommunikation oder via API der Autohersteller. Man kann auch Tarifanreize bei Kunden einsetzen, muss aber darauf achten, dass nicht alle gleichzeitig anfangen zu laden.

Peter Arnet, BKW, ging auf Ladestationen in der Tiefgarage ein und was bei ihrer Installation beachtet werden muss. Statt die Zuleitungen zu vergrössern können bei Hallen stationäre Batterien eingesetzt werden. Er plädierte für nicht proprietäre Systeme, da sie zahlreiche Vorteile bieten würden, beispielsweise die Integration in den Energiemarkt. Er riet von Investitionen in proprietäre Systeme ab.

Wie das Verteilnetz mit der Elektromobilität und einer App ins Gleichgewicht gebracht wird, erläuterte Moritz Krieger von CKW. Wenn eine intelligente Steuerung eingesetzt wird, kann aus einer Herausforderung eine Chance werden, bei der die Elektromobilität als Teil der Lösung für ein nachhaltiges Energiesystem genutzt wird.

Das Anliegen von Remo Mucha, Helion Energy AG, war der Ausbau der Photovoltaik. Er präsentierte ein Modell des Schweizer Energiesystems, mit dem sich die «fossilen» Abhängigkeiten, volkswirtschaftlichen Kosten und Risiken reduzieren lassen, und plädierte für die intensivere Erschliessung des Potenzials auf der bestehenden Infrastruktur mit Photovoltaik.

Auf die Entwicklungen in der Elektromobilität, bei der Ladelösungen, Ladedienstleistungen (Smart Charging) sowie Energiedienste möglich sind, ging Richard Pothin von Renault ein. Er verglich die Vehicle-to-Grid AC-Lösung mit der DC-Lösung. AC sei zwar preisgünstiger als DC, aber es gebe bei ihr keinen Kommunikationsstandard zwischen Auto und Wallbox. Die DC-Wallbox ist hingegen fünfmal teurer als die AC-Lösung.

Abgerundet wurde die inspirierende Tagung durch den Geschäftsführer der Thömus AG, Thomas Binggeli, mit einem Einblick in seinen persönlichen Zugang zur Mobilität und der Rolle der Elektrizität in diesem Kontext.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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