Buch: Die Verkrempelung der Welt
Zum Stand der Dinge (des Alltags)
Für einen Bestseller hat dieses Buch einen überraschend unklaren Titel. Was bedeutet denn Verkrempelung? Die Antwort wird natürlich im Buch gegeben: Krempel sind Dinge, die man im Keller oder Estrich zwischenlagert, weil sie nicht besonders nützlich sind, aber zu gut, um weggeworfen zu werden. Die Verkrempelung beschreibt eine Situation, bei der neue Produkte, die vorgeben, besser als ihre Vorgänger zu sein, noch weniger praktisch sind. Weil beispielsweise ein neuer Kochherd statt der bewährten Drehknöpfe ein Touch-Bedienfeld aufweist, dessen Lage auf der Keramikoberfläche erraten werden muss – unter der Gefahr, sich an den Töpfen die Finger zu verbrennen.
Dieses Beispiel ist der Einstieg in eine Reihe von Produkten, die umständlicher zu bedienen sind als ihre Vorgänger. Aber die Lektüre bleibt nicht dabei stehen, sondern durchleuchtet die Hintergründe, wie es zu diesem Phänomen gekommen ist. Obwohl man beim Kapitalismus davon ausgehen könnte, dass bessere Dinge automatisch schlechtere ersetzen, ist dem nicht so. Unter anderem, weil der Wettbewerb der Produkte durch den Wettbewerb der «Markenwelten» abgelöst wird, die zwar vermeintlich unterschiedliche Geräte anbieten, die im Innern aber auf der gleichen Plattform beruhen. Gabriel Yoran schneidet auch ein zentrales Dilemma an: «Ein gutes Produkt für die Kundschaft kann ein schlechtes Produkt für den Produzenten sein.» Nämlich dann, wenn das Gerät äusserst energieeffizient und langlebig ist. Dann wird der Lebensdauerzyklus so lang, dass bei einer Sättigung des Marktes eine zu lange Wartezeit für den Hersteller entsteht, bis die Kundschaft wieder neue Geräte braucht. Zudem werden billigere Produkte mit einer kürzeren Lebensdauer von vielen Kunden bevorzugt, wodurch nachhaltig handelnde Unternehmen bestraft werden. Es ist also ein Zusammenspiel von Entwicklungen bei den Herstellern und dem Wunsch, gewisse unreflektierte Bedürfnisse zu befriedigen, die zur aktuellen Situation der Verkrempelung führen. Im Buch wird dies zu Recht als Verblendungszusammenhang bezeichnet.
Das Buch zeigt aus persönlicher Sicht auf unterhaltsame Weise auf, welche Marktmechanismen im Hintergrund wirken und wie sie sich auf die (auch digitalen) Produkte und Verkaufspräferenzen der Konsumenten auswirken. Ein Aufruf zu einem bewussteren und kritischeren Umgang mit Produkten – und den eigenen Bedürfnissen.
Gabriel Yoran, Suhrkamp Verlag, Paperback, 174 Seiten, ISBN 978-3-518-03002-8, CHF 27.–.