Fachartikel CES , Infrastruktur , Installationstechnik

Die teilrevidierte NIV

Die Änderungen im Überblick

25.09.2017

Der Bundesrat hat am 23. August 2017 die Revision der NIV verabschiedet. Sie soll per 1. Januar 2018 in Kraft treten. Revidiert wurden Teile der derzeit gültigen NIV 2002, an der punktuelle Anpassungen vorgenommen worden sind. Was ändert sich mit dieser Revision für das Elektroinstallations- und Elektrokontrollgewerbe?

Seit der letzten Revision der Verordnung über elektrische Niederspannungs­instal­lationen (NIV, SR 734.27) sind 15 Jahre vergangen. In diesem Zeitraum haben sowohl ein technischer wie auch ein wirtschaftlicher Wandel innerhalb der Installationsbranche stattgefunden – mit Auswirkungen auf das Berufsbild des Installateurs, das durch eine zunehmende Spezialisierung der Unternehmen und eine wachsende Konkurrenz durch ausländische Marktteilnehmer gekennzeichnet ist. Dadurch hat auch der Druck auf das Bewilligungssystem des Eidgenössischen Starkstrominspektorates ESTI zugenommen, namentlich bei den eingeschränkten Installationsbewilligungen. Ebenso brachten die veränderten Rahmenbedingungen Mängel im Vollzug der Verordnung wie auch bei den administrativen Abläufen zutage.

Erwartungen an Verordnung

Einig waren sich die an der Teilrevision und Vernehmlassung beteiligten Parteien in Bezug auf folgenden Punkt: An dem in der Installationsbranche erreichten Sicherheitsniveau dürfen keine Abstriche gemacht werden. Damit eng verknüpft ist das mit der letzten Revision ausgebaute System der Bewilligungspflicht und der Installationskontrollen, das sich bewährt hat.

Ziel der Teilrevision war es, mit der NIV 2018 eine solide gesetzliche Grundlage für die Elektrobranche der Zukunft zu schaffen. Es galt, die Kluft zu schliessen, die sich in den anderthalb Jahrzehnten seit Inkraftsetzung der letzten NIV immer mehr auftat zwischen gesetzlicher Verordnung und deren Umsetzung in der Praxis. Eine «modernere» NIV sollte nicht nur das aktuelle Berufsbild des Installateurs und Kontrolleurs abbilden, sondern auch mit den technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen besser Schritt halten können. Dazu gehört auch eine vereinfachte, zeitgemässere Administration, welche gewisse Mängel im Vollzug beseitigt. Nicht zuletzt sollte die Revision die Eigenverantwortung stärken.

Die Änderungen im Überblick

Im Folgenden sind die wichtigsten Punkte aufgeführt, denen mit der Überarbeitung der NIV Rechnung getragen wurde.

Fachkundigkeit

Die Voraussetzungen für die Fachkundigkeit sind klarer formuliert. Diplomierte Elektro-Installateure werden mit der höheren Fachprüfung (Meisterprüfung) fachkundig. Alle übrigen Berufe erlangen die Fachkundigkeit nach mindestens dreijähriger Installationspraxis unter fachkundiger Aufsicht und nach bestandener Praxisprüfung. Bei ausländischen Berufsabschlüssen entscheidet wie bisher das ESTI über ihre Gleichwertigkeit und verlangt u.U. eine Eignungsprüfung oder einen Anpassungslehrgang. Fachkundige Personen müssen nicht nur zum Zeitpunkt der Bewilligungserteilung über aktuelles fachtechnisches Wissen verfügen, sondern sind neu verpflichtet, sich kontinuierlich weiterzubilden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Installationsarbeiten stets nach dem aktuellen Stand der Technik ausgeführt werden.

Betriebsorganisation

Damit eine effiziente fachliche Führung und Betreuung eines Betriebs mit einer Installationsbewilligung durch den fachkundigen Leiter gewährleistet wird, muss sein Beschäftigungsgrad neu mindestens 40 % betragen, der sich maximal auf zwei Betriebe aufteilen darf. Für diese Regelung gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren nach Inkrafttreten der Teilrevision.

Beschäftigt ein Betrieb in der Installation bis 20 Personen, muss mindestens ein fachkundiger Leiter vollzeitlich beschäftigt sein. Sind es mehr als 20 Personen in der Installation, so kann ein vollzeitbeschäftigter fachkundiger Leiter höchstens drei vollzeitig beschäftigte kontrollberechtigte Personen unter sich haben, die ihrerseits zusätzlich höchstens je zehn Personen beaufsichtigen dürfen.

Die teilrevidierte NIV bedeutet neben einer Entlastung des fachkundigen Leiters somit mehr Flexibilität für Installationsbetriebe. Gleichzeitig erhofft man sich von dieser Neuerung eine verbesserte Sicherheit der Installationsarbeiten und schliesslich der elektrischen Anlagen.

Installationsarbeiten durch Betrieb

Montage-Elektriker EFZ dürfen neu Installationen in Betrieb nehmen, soweit sie dafür ausgebildet sind. Da die Durchführung einer solchen Erstprüfung erst seit 2015 Gegenstand der Grundausbildung ist, müssen Montage-Elektriker nach dem alten Ausbildungsmodell ein Jahr Praxis unter fachkundiger Aufsicht nachweisen können und eine Zusatzausbildung absolviert haben.

Betriebsfremdes Personal

Bereits seit dem Zürcher Obergerichtsurteil 2014 [1] dürfen Installationsarbeiten nur noch durch Unterakkordanten (Betriebe) ausgeführt werden, die Inhaber einer allgemeinen In­stallationsbewilligung sind. Falls Einzelpersonen im Unterakkord tätig sind, müssen diese vollständig in die Organisation des Betriebs mit einer Installationsbewilligung integriert werden. Verantwortlich für die korrekte Ausführung der Installationen und die Durchführung der Schlusskontrolle bleibt jedoch der auftraggebende Betrieb und nicht die beigezogenen Betriebe oder Einzelpersonen. Deshalb sind die Fachkundigen bzw. Kontrollberechtigten des beiziehenden Betriebs verpflichtet, die Installationsarbeiten der beigezogenen Betriebe oder Einzelpersonen regelmässig zu kontrollieren.

Eingeschränkte Bewilligungen

Das Verbot der Kumulation von eingeschränkten Bewilligungen für Instal­lationsarbeiten an besonderen Anlagen und für den Anschluss von elektrischen Erzeugnissen (Anschlussbewilligung) im gleichen Betrieb fällt weg. Die Bewilligungen müssen jedoch auf unterschiedliche Mitarbeitende ausgestellt sein. Die neue NIV schreibt für alle eingeschränkten Bewilligungen eine regelmässige Weiterbildung vor und für Bewilligung «für Arbeiten an betriebseigenen Installationen» eine fachliche Begleitung durch eine akkreditierte Inspektionsstelle.

Die «Bewilligung für innerbetriebliche Installationsarbeiten» heisst neu «Bewilligung für Arbeiten an betriebseigenen Installationen». Die neue Be­zeichnung macht deutlich, dass es hier ausschliesslich um Arbeiten an In­stallationen geht, die sich im Eigentum des Bewilligungsinhabers befinden. Für das Facility Management hingegen, das betriebsfremde Installationen betreibt und unterhält, braucht es eine allgemeine Installationsbewilligung. Der Bewilligungsinhaber ist neu dafür verantwortlich, dass die in der Bewilligung aufgeführten Mitarbeitenden über eine ausreichende Aus- und Weiterbildung verfügen.

Mitarbeitende eines Betriebs mit einer Bewilligung für Installationsarbeiten an besonderen Anlagen dürfen Unterhalts- und Reparaturarbeiten an den Betriebsmitteln einer solchen Anlage ausführen. Voraussetzung ist, dass sie einen vom ESTI anerkannten Kurs für derartige Tätigkeiten absolviert haben, der mindestens 40 Lektionen in Elektrotechnik umfasst. Unter diese Kategorie fällt in erster Linie das Servicepersonal in der Gebäudetechnikbranche, das z.B. für den Unterhalt von Aufzugsanlagen verantwortlich ist.

Alle Berufe können eine Anschlussbewilligung erwerben, wenn sie eine Zusatzausbildung absolvieren und beim ESTI eine Prüfung ablegen. Die Bewilligung gilt nur für die darin erwähnten Tätigkeiten resp. für den Anschluss der darin explizit erwähnten Erzeugnisse, für den die eingesetzten Personen ausgebildet wurden.

Installationsarbeiten ohne Bewilligung

Die NIV begrenzt Installationen durch Laien neu auf einzelne Steckdosen und Schalter in vorhandenen elektrischen Anlagen. Installieren dürfen sie diese wie bisher nur in selbstbewohnten Wohn- und zugehörigen Nebenräumen hinter Verbraucher-Überstromunterbrechern an einphasigen Lampen und Steckdosenstromkreisen mit Fehlerstromschutzeinrichtungen für maximal 30  mA Nennauslösestrom.

Ausnahmen von Anzeigepflicht

Wie bisher müssen alle Installationsarbeiten vor der Ausführung und nach Abschluss mit einer Anzeige der Netzbetreiberin gemeldet werden. Auf eine Installationsanzeige darf neu verzichtet werden, falls die Arbeiten, wie z.B. der Service an Kleininstallationen, nicht länger als 4  h dauern und nicht zu einer Leistungsänderung der Installation führen, die höher als 3,6  kVA ist.

Technische Kontrollen

Das ESTI ist nicht mehr akkreditiertes Kontrollorgan im Auftrag von Eigentümern von Spezialinstallationen und von Inhabern einer eingeschränkten Installationsbewilligung. Dies hat zur Folge, dass auch der Eigentümer/Inhaber einer Installation nicht mehr zwischen dem ESTI oder einer privaten akkreditierten Inspektionsstelle als Kontrollinstanz wählen kann.

Aufgaben der Netzbetreiberin

Die Netzbetreiberinnen verzeichnen zusätzlich die Kontrollorgane, die bei den einzelnen Installationen involviert sind. Die Anzeigepflicht der Netzbetreiberin wird dahingehend erweitert, dass sie neu auch das widerrechtliche Installieren oder Kontrollieren ohne Bewilligung dem ESTI melden muss.

Kontrollperioden

Die Kontrolle der medizinisch genutzten Räume wurde an die NIN 2015 angepasst. Neu werden nur noch drei Raumkategorien unterschieden. Alle fünf Jahre kontrolliert werden müssen die nicht selten gefährlichen, alten elektrischen Installationen oder Installationsteile nach Nullung Schema III. Sobald diese auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden, erhöht sich die Kontrollperiode für die periodische Kontrolle auf die üblichen 20 Jahre. In Tankstellen und Fahrzeugreparatur­werkstätten beträgt die Kon­trollperiode hingegen drei Jahre, wie auch für elektrische Installationen in explosions­gefährdeten Bereichen der Zonen 0 und 20, 1 und 21 sowie neu auch der Zonen 2 und 22.

Temporäre Anlagen

Temporäre Installationen, die etwa auf Baustellen, Märkten, in Zirkus- und Schaustellerbetrieben zu finden sind, gelten als fest angeschlossen, wenn sie mittels Klemmen mit dem Netz verbunden sind. Vor deren Inbetriebnahme muss durch den Inhaber einer Kontrollbewilligung ein Sicherheitsnachweis erstellt werden. Eine Installationskontrolle entfällt hingegen bei gesteckten Anlagen, die als Erzeugnisse betrachtet werden.

Fazit

Die Teilrevision der NIV 2002 bezweckt eine Anpassung der Vorschriften für Installationsbetriebe an die aktuellen Anforderungen auf dem Installations­markt. Die Verein­fachungen finden auf vielen Ebenen statt, sei es bei der Erteilung der Installations­bewilligungen, der Betriebs­führung, der Beschäftigung von externem Personal, den Arbeitszeit­modellen oder neuen Geschäftsfeldern.

Die neue NIV ist wie ihre Vorgänger das Resultat diverser Kompromisse, die auf die unterschiedlichen Interessen der an der Überarbeitung beteiligten Parteien zurückzuführen sind.

Positiv ist, dass die NIV 2018 keine Abstriche am erreichten Sicherheitsniveau bei den elektrischen Anlagen vorgenommen hat. Massgeblich dazu beigetragen hat auch das etablierte System aus Bewilligungspflicht und Installations­kontrollen, das beibehalten wird. Ein Schritt in die richtige Richtung stellt auch die Weiterbildungspflicht dar, die neu sowohl für Inhaber einer eingeschränkten wie auch einer allgemeinen Installations­bewilligung gilt. Teile der Administration werden ebenfalls etwas weniger bürokratisch. Gleichzeitig wurden gewisse Mängel im Vollzug der NIV beseitigt.

Nicht mehrheitsfähig waren Vorschläge, die auf einen Abbau der Regelungsdichte bzw. eine stärkere Einbindung der Elektro-Installateure in die Abläufe, Stichwort «Eigenverantwortung», hinzielten.

Referenz

[1] Urteil des Obergerichts des Kt. Zürich in Sachen Bundesamt für Energie BFE gegen X. betr. Widerhandlung gegen Art. 42 Bst. a NIV vom 8. Oktober 2014 (SU130073-O/U/hb).

Literatur

  • BFE, Verordnung über elektrische Niederspannungsin­stallationen, Teilrevision Erläuterungen, August 2016.
  • Peter Rey, Vortrag zur teilrevidierten NIV anlässlich des Forums für Elektrofachleute. November 2016.
  • SR 734.27 Verordnung über elektr. Niederspannungsinstallationen (NIV), Entwurf nach Vernehmlassung, 6/2017.
Autor
Peter Bryner

ist dipl. Elektroinstallateur und MAS FHNW Energieexperte.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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