Die Sonne noch besser nutzen
Eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration
Unaufdringlich oder elegant – Photovoltaikmodule werden vollwertige Bauelemente. Mithilfe der verschiedenen Speichertechnologien kann zudem der Eigenverbrauch gesteigert werden.
Im Gegensatz zu gewissen Ansichten verfügt die Schweiz über ein beachtliches Solarpotenzial. «Würde man alle günstig ausgerichteten Dächer und Fassaden sowie die Fahrbahnränder und Bahndämme mit PV-Anlagen ausrüsten, wäre es technisch möglich, fast 75% des jährlichen Strombedarfs in der Schweiz zu erzeugen, ohne die Landschaft optisch zu beeinträchtigen», meint Christophe Ballif, Professor und Leiter des PV-Labs an der EPFL sowie des PV-Centers am CSEM. «Aber bleiben wir realistisch. Zahlreiche Studien zeigen, dass unser Land mit seinen Staudämmen und seinem Stromnetz über eine Infrastruktur verfügt, die sich gut für eine Solarstromproduktion in der Grössenordnung von 20% unseres jährlichen Strombedarfs eignet, natürlich nur, wenn man einige lokale Anpassungen vornimmt und bei einem geänderten Angebots- und Nachfragemanagement», fährt er fort.
Diese Zahlen entsprechen im Übrigen auch dem Ziel der Energiestrategie 2050. Bis dahin müssen allerdings noch einige Anstrengungen geleistet werden. 2016 betrug die PV-Produktion in der Schweiz nur 2,27% des Inlandsverbrauchs. Doch wie soll man die diversen Akteure – Immobilienbesitzer, Architekten, Unternehmer oder Politiker – überzeugen, diesen Schritt zu wagen?
Nur eine Frage des Preises?
«Ich glaube, dass die Bevölkerung zunehmend für die Herausforderungen der Zukunft sensibilisiert ist und bereit ist, zu investieren. Es bleibt abzuwarten, wann es soweit sein wird. Die Preise der Photovoltaikanlagen werden weiter fallen. Wenn der Grundlast-Strompreis auf den internationalen Märkten wieder auf ein vernünftiges Niveau steigt, werden sich die Investitionen schneller bezahlt machen. Andererseits werden die Fördermassnahmen auslaufen: die kostendeckende Einspeisevergütung für die neuen Systeme ab 2022 und die Einmalvergütung in 2030», erklärt Christophe Ballif. «Persönlich bin ich der Ansicht, dass es viele vorbildhafte Solararchitekturen und gelungene Gebäudeintegrationen braucht, um die Menschen zu motivieren, aber auch die Umsetzung einiger leicht verrückter Projekte, wie Solar Impulse oder SolarStratos», fährt er fort.
Die Schweiz ist gut darin, innovative PV-Produkte zu entwickeln. Beispielsweise arbeiten die Zentren der EPFL und des CSEM nicht nur an Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen bei Solarmodulen, sondern auch mit weiteren Partnern an Solar-Dachziegeln oder spektakulären Lösungen wie den weissen PV-Modulen. «Ich bin sicher, dass die Sonnenenergie eines Tages in jedem Gebäude zu finden sein wird und dass viele Bürger und Gemeinden bereit sein werden, etwas mehr für schöne Systeme auszugeben. Es kauft ja auch nicht jeder das billigste Auto, Haus oder die günstigste Uhr», meint er.
Die Anziehungskraft der neuen PV-Module
Wenn man überzeugen will, muss man begeistern können. Beispielsweise indem man Produkte anbietet, die sich elegant und diskret in das Gebäude integrieren lassen. Am Sitz des CSEM in Neuenburg muss man nur am Gebäude an der rue de la Maladière hochblicken, um eine eindrucksvolle Fassade aus halbtransparenten PV-Modulen zu entdecken: ein in technologischer und ästhetischer Hinsicht überzeugendes Anwendungsbeispiel für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im PV-Center.
«Das Besondere an dieser Fassade ist, dass sie aus zweiseitigen Heteroübergangs-Solarzellen besteht, also solche, bei denen auch die Rückseite Strom erzeugen kann», erklärt Laure-Emmanuelle Perret-Aebi, Bereichsleiterin Photovoltaikmodule und -systeme im PV-Center. «Nutzt man das von der Hauswand reflektierte Licht, kann man mit der Rückseite die 21% Wirkungsgrad der Vorderseite um 3 bis 4% erhöhen. «Diese bereits am Markt verfügbare Technologie hat den Vorteil, dass ein Teil des natürlichen Lichts durchgelassen wird. Die Metallkontakte und Verbindungen zwischen den Zellen bestehen Zudem aus einem mit blossem Auge kaum erkennbaren dichten Netz aus sehr dünnen Metalldrähten, mit dem ein Maximum an Strom erzeugt werden kann, ohne dass dabei eine zu grosse Beschattungsfläche auf den Zellen entsteht.
Aktive Bauelemente
«In der Schweiz ist es nicht möglich, viele Photovoltaik-Grossanlagen zu realisieren. Man muss also Alternativen finden und die Solarmodule in die gebaute Umwelt integrieren, sei es in Neubauten oder bei Sanierungen», fügt die Forscherin hinzu. Zu diesem Zweck entwickelt das PV-Center innovative Lösungen. 2014 konnte es die Realisierung der ersten weissen Solarmodule vermelden, die nun von Solaxess vertrieben werden. Es sind Standard-Module aus kristallinem Silizium, auf die eine weisse oder farbige Folie aufgebracht wurde, die aus diversen optischen Schichten besteht, die ein Maximum an Infrarotstrahlung durchlassen. «Die Schwierigkeit besteht darin, Farben zu entwickeln, die möglichst alterungsbeständig sind und bei denen die unvermeidliche Degeneration so homogen wie möglich abläuft», erklärt sie.
Natürlich kommen solche Module bezüglich Wirkungsgrad (heute bei 10,7 bis 13%) nicht an Standardmodule heran, aber bei der Fassadenmontage wird ihnen eine grössere Fläche gewährt. «Diese Module darf man nicht als Energieerzeugungsanlage betrachten, bei der es vor allem auf die Leistung ankommt, sondern vielmehr als neue vollwertige Bauelemente, die anders als herkömmliche Glas- oder Gipsfassaden den Vorteil haben, Strom zu erzeugen», meint Laure-Emmanuelle Perret-Aebi. Ein Weg, den das CSEM bereits seit mehreren Jahren beschreitet, insbesondere mit der Realisierung matter, terrakottafarbiger oder grauer Solarpanele, die die Dachziegel ersetzen sollen.
Ende Juni 2017 ging das Forschungszentrum noch einen Schritt weiter, indem es – dank der Unterstützung der Neuenburger Kantonalbank – eine Ausstellung von Photovoltaik-Kunstwerken zeigte. Das Grundprinzip der Verwendung einer farbigen Folie bleibt gleich, die Entwicklung konzentrierte sich dabei auf die Optimierung der Pigmente, die für diese Anwendung bestimmt sind. Mit dieser sogenannten Kaleo-Technologie können beispielsweise aktive Werbeflächen erstellt werden, bei denen man nur noch alle paar Monate die Folie je nach den Bedürfnissen der Werbetreibenden auswechseln muss.
Grenzen verschieben
Doch das PV-Center arbeitet auch an der Optimierung des Kosten-Ertrags-Verhältnisses der Module. Da die besten Module aus kristallinem Silizium bereits Wirkungsgrade von rund 23% erreichen – ein Wert, der schon recht nah an die 27% reicht, die die physikalische Grenze dieser Technologie darstellen – verfolgt das Zentrum neue Forschungsansätze, u.a. die Entwicklung von Tandem-Solarzellen und Mehrfachsolarzellen. Diese bestehen aus einem Rückseitenkontakt auf Siliziumbasis in Verbindung mit einer Zelle, die den Blau-Anteil im Sonnenlicht effizienter absorbiert. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der EPFL und dem NREL, dem US-amerikanischen Labor für erneuerbare Energie, gelang es den Wissenschaftlern des CSEM kürzlich, bei Triple-Junction-Solarzellen einen Wirkungsgrad von 35,9% zu erzielen.
Dies sind jedoch Werte, die im Labor mit kleinflächigen Solarzellen – die typischerweise nur wenige Zentimeter pro Seite aufweisen – erzielt wurden. Es wird daher noch einige Jahre dauern, bis man von der Vermarktung von PV-Modulen mit diesen Technologien profitieren kann. Aber wie Laure-Emmanuelle Perret-Aebi ausführt: «Es ist nicht allein die Forschungsarbeit hinsichtlich einer Verbesserung des Wirkungsgrades der Solarmodule, die einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten wird. Um die Solarstromproduktion signifikant zu erhöhen, müssen einerseits die verschiedenen Akteure überzeugt werden, den Schritt zu wagen und andererseits gilt es, die Energiespeichersysteme zu optimieren. Und die Schweiz bietet für beides das ideale Umfeld.»
Produzieren ist gut, Eigenverbrauch ist besser
Wenn man überzeugen will, muss man optimale Lösungen anbieten. Wenn ein Hausbesitzer Solarmodule auf seinem Dach installiert, wählt er die Auslegung seiner Anlage häufig so, dass er ausreichend Strom für seinen eigenen Bedarf produzieren kann – und sei es auch nur während der Sommermonate. Da die Verbrauchsspitzen meist nicht den Maximalproduktionswerten entsprechen, benötigt er noch eine Batterie, um die erzeugte und nicht verbrauchte Elektrizität zu speichern, damit er sie nutzen kann, wenn die momentane Produktion der Solarmodule nicht ausreicht.
Nun ist aber bei der Wahl des Speichersystems und seiner Auslegung Vorsicht geboten, wie Franz Baumgartner, Professor an der ZHAW in seinem Artikel, Seite 29 erklärt. Wenn der Stromverbrauch abends und nachts sehr gering ist, kann je nach Batteriemodell der Wirkungsgrad des Speichers zwischen 50 und 92% liegen. Auch die Bauweise des Systems hat grossen Einfluss: Wenn die Batterien an den DC-Eingang des Wechselrichters angeschlossen sind, beträgt diese geringe Last in der Nacht wenige Prozent der Nennleistung des Wechselrichters und damit in diesem Bereich sehr geringe Wirkungsgrade die auch einmal bei Wirkungsgraden um die 50% liegen können.
Was die Wahl der Batteriekapazität betrifft, so führt Franz Baumgartner aus, dass diese hauptsächlich vom Verbrauch im Haushalt abhängt (Vorhandensein einer Wärmepumpe, eines Elektroautos usw.). Eine überdimensionierte Batterie zu verwenden, macht bei der heutigen Preissituation der kWh-Nennkapazität der Lithiumbatterie wirtschaftlich wenig Sinn. Eine Speicherkapazität von etwa dem halben Stromverbrauch eines ganzen Tages ist heute eine gebräuchliche Richtgrösse.
Doch die Kosten eines Speichersystems hängen nicht nur vom Preis der Batterie ab. Dieser macht nur rund 20% der tatsächlichen Kosten aus, die ausserdem die Elektronik und die Installationskosten einschliessen. Durch die Markteinführung von AC-Solarbatterien, die der Käufer einfach an der Steckdose anschliesst und die mit dem Stromzähler direkt per PLC (Power Line Communication) kommunizieren, könnte man die Speicherkosten pro kWh angesichts ihrer Massenproduktion wahrscheinlich drastisch senken.
Natürlich kann der überschüssige Solarstrom auch anders «gespeichert» werden. Hat man eine Wärmepumpe, so kann ein Produktionsüberschuss zum Erwärmen des Brauchwassers genutzt werden. Eine Studie der ZHAW [1] hat sogar gezeigt, dass dieser «PV to heat»-Prozess durch den Preisrückgang bei den PV-Anlagen künftig langfristig wirtschaftlich rentabler ist als eine solarthermische Anlage.
Neue Modelle
Schliesslich muss man auch Träume wecken können, wenn man überzeugen will. Den Traum von einem neuen Gesellschaftsmodell mit energieautarken Häusern oder Stadtvierteln. Das erste energieautarke Mehrfamilienhaus wurde bereits 2016 in Brütten eingeweiht. Ohne Anschluss an die Energienetze (Elektrizität und Gas) ist es seither in der Lage, selbst im Winter den gesamten Bedarf seiner Bewohner mit eigenem Solarstrom von den Fassaden und dem Dach zu decken. Die überschüssige Energie wird auf unterschiedliche Weise gespeichert. Batterien stellen die Kurzzeitspeicherung sicher (bis zu 2–3 Tage). Die saisonale Speicherung erfolgt in Form von Wasserstoff mit der «Power to Gas»-Technologie: Der Strom wird zur Wasserstoffproduktion durch die Elektrolyse von Wasser verwendet. Das Gas wird unter Hochdruck gespeichert und je nach Bedarf mit einer Brennstoffzelle wieder in elektrische Energie umgewandelt. Und schliesslich kann der Elektrizitätsüberschuss auch mit einer Wärmepumpe (Warmwasserbereitung und Heizung) in Wärme umgewandelt werden sowie für die Ladung eines Wärmespeichers, einer Technologie für die Kurz- und Langzeitspeicherung, mit der in der Folge die Leistung der Wärmepumpe erhöht werden kann.
Ein weiteres Beispiel: In jüngster Zeit entwarf ein Team aus rund fünfzig Studierenden den NeighborHub, ein energieautarkes Wohnhaus, das sich ausschliesslich über Solarkollektoren auf den Fassaden versorgt (siehe den französischen Artikel von Moncef Lalou, Seite 43). Mit dem Projekt NeighborHub wird die Schweiz vom 5. bis 15. November beim Solar Decathlon Wettbewerb US 2017 vertreten sein.
Doch es gibt auch Träume, die leichter zu realisieren sind. Einige Unternehmen haben vielleicht nicht die Möglichkeit, in eine Anlage zu investieren. Hier kann Energy Contracting eine Lösung sein. Beispielsweise mit dem Angebot «Solar Contracting» von Romande Energie können Unternehmen ihre Gebäude mit Solarmodulen ausstatten lassen, wobei die gesamten Anschaffungs- und Installationskosten übernommen werden. Dieses Contracting läuft über einen Zeitraum von 25 Jahren und sichert ihnen einen festen Strompreis für die gesamte Vertragslaufzeit zu. Ein weiteres Beispiel: Viteos mietet Dächer von Unternehmen und installiert dort PV-Anlagen, die es anschliessend betreibt.
Die Möglichkeiten sind also fast unbegrenzt. Nutzen wir sie!
Referenz
[1] Franz Baumgartner, «PV-Strom verheizen», Bulletin SEV/VSE 8/2016, S. 37-38.
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