Meinung Märkte und Regulierung , VSE

Die Lage spitzt sich zu

Warum ein Stromabkommen nötig ist

02.05.2019

Das Clean Energy Package (CEP) soll die EU fit für die Energiezukunft machen, das Erreichen der Klimaziele von Paris sicherstellen und den Stromkonsumenten ins Zentrum setzen. Mitte April wurde das EU-Legislativpaket final verabschiedet. Am 1. Januar 2020 tritt es in Kraft. Das CEP würde das 3. Binnenmarktpaket als Verhandlungsgrundlage für ein Strommarktabkommen zwischen der Schweiz und der EU ablösen.

Neu dürfen mit dem CEP nur Kraftwerke an Kapazitätsmechanismen teilnehmen, die einen minimalen CO2-Emissionsstandard erfüllen. Die Netzkapazitäten für den grenz­überschreitenden Stromhandel und der Wettbewerb sollen erhöht werden. Für die Versorgungssicherheit der einzelnen Mitgliedsstaaten bleiben zwar die nationalen Übertragungsnetzbetreiber verantwortlich. Mit grenzüberschreitenden Risikovorsorgeplänen soll jedoch die zwischenstaatliche Kooperation und damit die Rolle der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden (Acer) gestärkt werden. Auch die EU-Kommission erhält bei Entso-E ein stärkeres Durchgriffsrecht.

Und die Konsequenzen für die Schweiz? Ihre Lage spitzt sich mit Inkrafttreten des CEP weiter zu. Die negativen Aspekte des CEP verschärfen sich ohne Stromabkommen: Die Schweiz wird aus den Märkten der EU und den relevanten Gremien wie Entso-E ausgeschlossen. Mit dem steigenden grenzüberschreitenden Stromaustausch innerhalb Europas werden die Netzstabilität der Schweiz zunehmend beeinträchtigt und deutlich steigende Kosten verursacht. Die grundsätzlich positiven Aspekte des CEP, wie die Vorgaben von CO2-Emissionsstandards oder der Bedarf nach Flexibilität, kommen der Schweiz ohne Stromabkommen und ohne Marktteilnahme indes nicht zugute. Die Vermarktung der Wasserkraft wird erschwert und die Herkunftsnachweise der Schweizer erneuerbaren Energien verlieren in der EU an Wert. Und noch kritischer: Die Schweiz bleibt beim Thema Versorgungssicherheit aussen vor.

Was uns erwartet, sind weniger Ertrag, höhere Kosten und die bloss vage Aussicht einer temporären Teilnahme der Schweiz, falls die Systemsicherheit in der Region akut gefährdet ist. Aufgelöst werden kann das Dilemma nur mit einer Unterzeichnung eines Stromabkommens.

Autorin
Nadine Brauchli

ist Bereichsleiterin Energie des VSE.

Kommentare

Philippe Huber,

Ein Stromabkommen macht Sinn, aber es gibt dafür Voraussetzungen bzw. Bedingungen, damit die EU darauf eingeht. Und diese haben einen Preis, der wohl immer wieder thematisiert aber kaum quantifiziert wurde. Das Stromabkommen würde uns noch mehr im komplexen europäischen und teilweise undurchsichtigen europäischen Regelwerk einbinden, aber würde der Schweiz auch keine bessere Versorgungssicherheit gewährleisten, sondern sogar zu einer höheren Solidarität mit allen Vor- und Nachteilen bei einer Gefährdung der Systemstabilität in Europa. Und diese entwickelte sich mit der stetigen Reduktion der gesicherten Kraftwerksleistung eher negativ in den letzten Jahren. Ein Abkommen mit einem starken und zuverlässigen Partner macht Sinn, aber ist es hier der Fall?

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