Interview Erneuerbare Energien

«Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist sinnvoll»

Zunehmende Bedeutung

10.12.2020

Bis 2025 sollen in der Schweiz 1600 Brennstoffzellen-Lastwagen rollen. Wasserstoff und seine Verwendung für die Energiewende beschäftigen auch das Bundesamt für Energie. Markus Bareit erklärt inwiefern.

Bulletin: Markus Bareit, in den Medien machen die ersten Wasserstoff-LKWs die Runde, bis 2023 soll ein flächendeckendes Tankstellennetz stehen. Inwiefern ist H2 beim BFE ein Thema?

Markus Bareit: Wir haben diesbezüglich diverse Projekte am Laufen. Wir haben die Situation in der Schweiz und in Europa analysiert und werden in den nächsten Monaten einen Stakeholderdialog initiieren. Das geplante Gasversorgungsgesetz wird erneuerbare Gase und damit auch Wasserstoff miteinschliessen, ferner sind Wasserstoff und andere strombasierte Brenn- und Treibstoffe ein wichtiger Bestandteil der neuen «Energieperspektiven 2050+», die wir Ende November publizieren werden. Auch auf einzelne Gesetze, wie das Rohrleitungsgesetz, hat H2 einen Einfluss – und wir prüfen, ob die heutige Gesetzgebung entsprechend revidiert werden muss. Zudem erstellen wir eine Speicherstudie, die das Potenzial und die Wirtschaftlichkeit diverser Speichertechnologien anschaut, zu denen auch der Wasserstoff gehört.

Wo kann Wasserstoff laut dem BFE einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten, wo eher nicht?

Wie wir auch schon 2019 im Positionspapier Gas kommuniziert haben, sehen wir ihn aus Kosten- und Effizienzgründen am ehesten in der Mobilität und in der Industrie. In der Mobilität sind H2-Fahrzeuge – dank schneller Betankung und höherer Nutzlast – speziell für den Schwerverkehr über längere Strecken geeignet. Für kurze Strecken und im Personenverkehr sehen wir eher batterieelektrische Fahrzeuge. Im Bereich der Raumwärme sollte stärker auf thermische Netze, Wärmepumpen und dereinst auch Geothermie gesetzt werden. Wasserstoff und synthetische Gase könnten bei WKK-Anlagen eine kleine Rolle spielen.

Auf welche Farben soll gesetzt werden? Grau, Blau oder Grün?

Der Farbcode ist beim Wasserstoff tatsächlich entscheidend. «Grauer Wasserstoff» wird mit fossilen Ressourcen hergestellt, beim blauen H2 wird dabei aber CO2 abgeschieden und gespeichert, jedoch fallen bei der Förderung und dem Transport von Erdgas weiterhin CO2-Emissionen an. Grüner Wasserstoff entsteht ganz aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne. «Grau» ist der Dekarbonisierung also nicht förderlich, blauer H2 kann in einer Übergangsphase eine Option sein. Zur Erreichung von Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050 in allen Sektoren muss der Energiebereich so weit als möglich dekarbonisiert werden, weshalb die Wasserstofffarbe der Zukunft eher Grün ist. Importe werden dabei aber wohl unverzichtbar sein.

Die Winterversorgung ist eine grosse Herausforderung für die Schweiz. Wie stehen Sie zum Thema H2-Rückverstromung?

Schon bei der Herstellung von Wasserstoff mit Strom sind die Energieverluste hoch, bei erneuter Verstromung sind es dann rund 70 %. Aus Sicht des BFE wird diese Anwendung in den nächsten 10 bis 15 Jahren kaum sinnvoll und wirtschaftlich sein. Zudem haben wir in der Schweiz noch zu wenig Speichermöglichkeiten. Das Ausland nutzt dafür Salzkavernen und erschöpfte Gasfelder – über die wir nicht verfügen.

Was heisst das allgemein für das Thema Power-to-Gas?

Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist sicherlich sinnvoll, um eben Sektoren wie den Verkehrssektor zu dekarbonisieren. Auch in der Industrie, etwa beim Raffinieren und in der Ammoniak-Herstellung, ist H2 bereits im Einsatz, allerdings ist dieser dort meist grau. Dieser Wasserstoff sollte langfristig so weit als möglich durch grünen Wasserstoff ersetzt werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Das BFE hat jüngst das Forschungsprogramm «Swiss Energy research for the Energy Transition» (Sweet) gestartet...

Bei der ersten Ausschreibung für das neue Sweet-Programm gingen 13 Gesuche für Projekte im Umfang von 170 Mio. Franken ein. Die Kopplung der Energiesektoren und der Einsatz von Wasserstoff sind auch dort wichtige Aspekte, die uns Wege hin zu einem nachhaltigeren Energiesystem aufzeigen.

Autor
Sandro Pfammatter

war von September 2015 bis Oktober 2021 Mediensprecher des VSE.

  • VSE, 5000 Aarau
Zur Person

Markus Bareit ist Fachspezialist Energieversorgung und Monitoring in der Sektion Energieversorgung und Monitoring des BFE.

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