Die Energienetze kommen sich näher
Netzimpuls-Tagung vom 19. März 2019 in Aarau
Die Netzimpulstagung hat sich bei Energiefachleuten als feste Agendakomponente etabliert. Nebst der Gelegenheit für inspirierende Gespräche bietet sie fundierte Vorträge zu einem breiten Spektrum an Trends aus der Welt der Energy Grids. Die diesjährige Austragung lud am 19. März 2019 nach Aarau ein.
Den Auftakt machten zwei Vorträge zum Energieträger Wasserstoff. Die Sektorenkopplung im Kontext der Mobilität wurde von Philipp Dietrich, H2 Energy AG, behandelt. Er sieht die Einführung von Brennstoffzellen-LKWs als Chance für den Aufbau eines Wasserstoff-Versorgungsnetzes, um einen nachhaltigen Treibstoff wirtschaftlich anbieten zu können. Das von ihm vorgestellte Energiesystem basiert auf der Kombination von Flusswasserkraftwerken mit der Elektrolyse. In der Schweiz könne Wasserstoff als ökonomischer Treibstoff betrachtet werden, sofern er von der Mineralölsteuer und von der LSVA befreit bleibt. Um die Kosten für Betreiber zu reduzieren, hat H2 Energy für die nächsten vier Jahre 1000 Brennstoffzellen-LKWs von Hyundai bestellt, mit einer realen Reichweite von 400 km und einer Tankzeit von 7 Minuten. Ein Förderverein soll den Aufbau eines flächendeckenden Tankstellennetzes bis 2023 sicherstellen. Mit rund 50 Tankstellen hätten dann 95% der Bevölkerung Zugang zu Wasserstoff-Tankstellen.
Auch im Vortrag von Stefan Linder von Alpiq stand die wasserstoffbetriebene Mobilität im Fokus. Er präsentierte eine differenzierte Systembetrachtung und betonte, dass im Vergleich mit batterieelektrischen LKWs Brennstoffzellenfahrzeuge Stromüberschüsse deutlich besser verwerten können. Auf die Frage, ob es besser sei, Wasserstoff dezentral oder zentral zu produzieren, gäbe es keine klare Antwort, denn Produktions- und Transportkosten bilden ein Spannungsfeld. Grosse Produktionsanlagen sind zwar preisgünstig, aber der Wasserstoff muss zu den Tankstellen transportiert werden. Eine erdverlegte Infrastruktur wäre optimal.
Dann musste man sich für einen der zwei parallelen Vortragsteile entscheiden: Netztechnologien oder Flexibilität.
Im Technologieteil ging es zunächst um mehrstufige Regelungsstrategien für Mittel- und Niederspannungsnetze, die es ermöglichen, einen hohen Anteil an dezentral eingespeistem Strom sicher in Verteilnetze zu integrieren. Jonas Danzeisen von der IT-Firma Venios präsentierte Möglichkeiten, um das bestehende Verteilnetz, das nicht für die dezentrale Einspeisung konzipiert wurde, für erneuerbare Energien nutzbar zu machen. Der Hybrid-Ansatz kombiniert dabei lokale Intelligenz (Messungen) und globale Intelligenz (Steuerfunktionalität).
Anschliessend lernte man, wie sich Synergien bei Leitsystemen nutzen lassen. Im Fokus stand hier eine Partnerschaft zwischen der BKW und der Jungfraubahn, die nun die Leitstelle der BKW nutzen und so auf den Betrieb einer eigenen Leitstelle verzichten kann. Die Vereinheitlichung der Bezeichnungen und das gegenseitige Anpassen der Firmenkulturen waren anspruchsvoll. Dieser Anpassungsprozess dauerte rund drei Jahre.
Welcher Informationsaustausch über die Netzgrenzen hinweg nötig ist, um das Hochspannungsnetz sicher betreiben zu können, wurde im letzten Vormittagsvortrag behandelt. Walter Sattinger von Swissgrid stellte das Entso-E-Awareness-System vor, eine Datenbank, die Frequenzen und Netzzustände wie z. B. Lastflüsse aufzeichnet. Sowohl grosse Fahrplanwechsel als auch das undefinierte Verhalten dezentraler Einspeiser in kritischen Situationen stellen für die Netzstabilität eine echte Herausforderung dar. Man versucht, die Situation zu modellieren, um die künftigen dynamischen Probleme zu analysieren. Walter Sattinger sagte: «Der Einfluss auf die Netzdynamik muss laufend beobachtet und durch Modellberechnungen für künftige Szenarien untersucht werden. Ein sicherer Betrieb im eng vermaschten Energieversorgungsnetz ist nur durch einen konsistenten Datenaustausch möglich.» Er wünscht sich eine bessere Anpassung der Marktregeln an die physikalischen Gegebenheiten: Man soll nicht alle Probleme auf die Regelleistung abwälzen.
Daniel Blättler von der EBM Netz AG schilderte Erkenntnisse aus sieben Jahren Erfahrung mit über 40 000 installierten Smart Metern. Das Zusammenspiel aller Komponenten ist dabei entscheidend, nicht nur das der Smart Meter. ICT-Fachkompetenzen, die man bei elektromechanischen Zählern nicht benötigte, mussten dafür aufgebaut werden. Die Investitionskosten sind zweitrangig, primär sind die Betriebskosten – ein reibungsloser Betrieb zahlt sich langfristig aus. Aber Smarte Zähler sind auf jeden Fall teurer als elektromechanische, u. a. wegen dem IT-Aufwand.
Ingo Herbst von Siemens stellte die SCCER-Forschungslandschaft und den Arbon-Energie-Demonstrator vor, mit dem die Digitalisierung nach einem Smart-Meter-Rollout demonstriert wird. Er erläuterte, dass solche Zähler nicht nur zum Verrechnen eingesetzt werden können, sondern auch zum Optimieren der Netze ohne Ausbau und zur Reduktion der Regelenergiekosten. Ist ein Netz komplett mit Smart Metern ausgebaut, kann eine völlig neue Transparenz erreicht werden. Bei sorgfältiger Datenpflege kann man die Spannungen im gesamten Netz berechnen. Die Digitalisierung kann zudem Hardwarekosten bei Netzausbau und der Messtechnik reduzieren.
Eine Alternative zum klassischen Systemansatz beim Smart-Meter-Rollout, eine dezentrale und kundenorientierte Messlösung, wurde von Jesko Herre, BKW Energie AG, vorgestellt. Da ging es darum, Zähler durch das EVU zu nutzen, die Kunden gehören.
Ein Ansatz eines dezentralen Peer-to-Peer-Energiemarkts mit Blockchain wurde von Alain Brenzikofer von Supercomputing Systems präsentiert.
Karl Resch von EKZ ging auf die Frage ein, ob Netzbetreiber die Lasten der Kunden noch für einen stabilen Netzbetrieb steuern dürfen. Endverbraucher müssen einer Installation fernsteuerbarer Geräte zustimmen und der Netzbetreiber muss den Zugriff auf die Flexibilität entlöhnen bzw. einen günstigeren Tarif anbieten. Ohne Zustimmung des Kunden darf der Netzbetreiber nur in Notsituationen eingreifen und muss diesen Einsatz offenlegen, aber nicht vergüten. Der Zugriff auf Flexibilität kann einen Netzausbau verhindern oder verzögern.
Beat Goldstein vom BFE ging auf die Gestaltung einer Speicherreserve ein. Die Ansichten der involvierten Akteure variieren stark. Wichtig ist, dass die Leistung über möglichst viele Speicher und Lasten verteilt ist; sie muss aber nicht explizit vorgehalten werden. Fixpreise stellen sicher, dass der Abruf nicht finanziell motiviert ist, sondern nur bei echtem Bedarf geschieht.
Abgerundet wurde die Tagung durch eine Vorstellung von Cigre unter Erwähnung der nationalen Cigre-Medal-2018-Zeremonie, einer Spiegelung der höchsten Cigre-Auszeichnung, die Professor Klaus Fröhlich im letzten Jahr für seine Verdienste erhielt. Dann wurde der Swiss E-Mobility-Hub vorgestellt, ein Zentrum mit lokal erzeugter erneuerbarer Energie an der A2, das mit 280 Ladestationen – davon 60 Schnellladestationen – der Elektromobilität neuen Schwung verleihen soll.
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