Verband CES , Electrosuisse , Energieeffizienz

Die Energieeffizienz in der NIN

Das neue Kapitel 8.1

28.10.2019

Die Steigerung der Energieeffizienz ist gemäss dem Bundesamt für Energie das wichtigste Instrument, um den Energieverbrauch ohne Einbussen an Nutzen zu senken. Damit dieses Thema bereits bei der Planung elektrischer Anlagen und Installationen berücksichtigt wird, erhielt die Niederspannungs-Installationsnorm ein neues Kapitel.

Die Senkung des Energieverbrauchs mittels Energieeffi­zienz trägt nicht nur dazu bei, die Schweiz klimafreundlicher zu machen, sondern verringert auch die Abhängigkeit von endlichen Energie­ressourcen, unter anderem von ausländischen fossilen Energieträgern. Nur wenn der Energieverbrauch reduziert wird, kann man laut Prognosen des Bundesamts für Energie davon ausgehen, dass ein Grossteil des schweizerischen Energieverbrauchs künftig durch erneuerbare Energiequellen abgedeckt werden kann.

Die erste Ausgabe der Hausinstallations-Vorschriften des SEV, heute Electro­suisse, geht zurück auf das Jahr 1905. Seither wurde diese Norm in 16 Nachfolgedokumenten laufend an den Stand der Technik angepasst, was zur heutigen NIN 2020 geführt hat. Bei der NIN 2020 wurde nun zum ersten Mal ein Kapitel zum Thema Energieeffizienz integriert: das Kapitel 8.1. Es ist ein Versuch, einen Leitfaden für Elektroplaner und Elektroinstallateure zu diesem umfangreichen Themengebiet zu entwickeln. Auch dieses Kapitel wird künftig dem Stand der Technik entsprechend angepasst.

Zur Optimierung des Energieverbrauchs ist ein ganzheitlicher Ansatz nötig. Damit ein Gebäude eine möglichst hohe elektrische Energieeffizienz aufweist, ist eine enge Koordination zwischen den im Bau involvierten Parteien wie Eigentümer, Bauherrschaft, Nutzer, Betreiber, Architekten, Elek­troplaner oder Gebäudetechnikplaner nötig.

Energieeffizienz nach Kapitel 8.1

Das Kapitel 8.1 beschreibt die Anforderungen und Empfehlungen für den elektrischen Teil des Energiemanagementsystems eines Gebäudes, damit es hinsichtlich Effizienz möglichst wirtschaftlich – Spitzenlastoptimierung mit flexiblen Stromtarifen – und zukunftsweisend geplant und betrieben werden kann.

Gebäude werden einer der 5 Effizienzkategorien (Electrical Installation Efficiency Classes EIEC 0 – 4) zugeordnet. EIEC 4 ist die höchste Kategorie.

Die in der NIN aufgeführten elektrischen Energieeffizienzmassnahmen sollen in sämtlichen Gebäudetypen angewendet werden können, d. h. in Wohngebäuden, gewerblichen Bauten, Industriegebäuden und in Infrastruktureinrichtungen.

Muss das Kapitel 8.1 angewendet werden?

Es besteht keine Verpflichtung, diesen Optimierungsprozess bei Niederspannungsinstallationen anzuwenden. Der Auftraggeber definiert die zu erreichenden Effizienzziele, der Elektroplaner ist verantwortlich dafür, dem Kunden das Energieeffizienzpotenzial einer neuen Anlage aufzuzeigen, das auch mit ökonomischen Gewinnen verbunden sein kann.

Je besser dieses Potenzial bereits in der Planung berücksichtigt wird, umso günstiger wird eine energieeffiziente Anlage, da eine Nachrüstung mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist. Hier eröffnet sich ein neues Geschäftsfeld für die Installationsbranche, um eine energieeffiziente, zeitgemässe und ökologische Installation für den Kunden erstellen zu können.

Erzeugnisse und Anlagen

Energieeffiziente elektrische Geräte und Anlagen nach Kapitel 8.1 gehen ressourcenschonend mit der (elektrischen) Energie um. Zudem sollten sie die Installation für Eigenverbrauchs- und Spitzenlast­optimierung vorbereiten und das Reagieren auf flexible Energietarife ermöglichen. So spart man nicht nur Energie, sondern senkt auch Kosten.

Jede neue Ausgabe der NIN gibt den aktuellen Stand der Technik auf dem Gebiet der Niederspannungs-Installationen wieder. Dank des Kapitels 8.1 enthält die NIN neben den üblichen technischen Standards für Erzeugnisse und elektrische Anlagen neu auch den Stand der Technik bezüglich Energieeffizienz. Dazu zählen bei den Erzeugnissen Bestimmungen in Bezug auf Wirkungsgrad und Eigenverluste.

Planung

Bei der Auslegung einer energieeffizienten Anlage kommt der Planungsphase eine Schlüsselrolle zu, denn eine vorausschauende Planung spart viel Zeit und Geld. Eine Nach- oder Umrüstung ist meist aufwendig, da die Anlage für den Austausch von Kabeln, Motoren und Transformatoren abgeschaltet werden muss. Zu den Kosten infolge Betriebsunterbruch kommen noch beträchtliche Installationskosten hinzu. Finanziell lohnt sich somit eine Nach- oder Umrüstung erst nach einer ausreichenden Betriebsdauer.

Betrieb

Damit eine energieeffiziente Anlage während ihrer gesamten Betriebszeit möglichst geringe Energieverluste aufweist, muss sie messtechnisch überwacht werden, um die Energieeffizienz jederzeit transparent ausweisen und optimieren zu können. Dieses Verfahren nennt man «iteratives Energie-Effizienz-Management» (Bild 1). Das Prinzip der iterativen Entwicklung beruht darauf, dass die Anlage durch regelmässig eingeleitete Verbesserungsmassnahmen noch energieeffi­zienter wird.

Wichtigste Punkte des Kapitels 8.1

Ziel ist es, eine möglichst effiziente elektrische Energieverteilung für den jeweiligen Anwendungsfall zum bestmöglichen Nutzen mit minimalen Verlusten zu erstellen. Im Vordergrund steht dabei der Aspekt des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses; der technisch beste Ansatz steht hier im Hintergrund.

Massnahmen der elektrischen Energieeffizienz dürfen dabei die Sicherheit der elektrischen Anlage nicht beeinträchtigen. Zudem darf sich die Verfügbarkeit der elektrischen Energie durch Effizienzmassnahmen nicht verschlechtern.

Energieeffizienz­klassen EIEC

In Bezug auf eines der 16 Bewertungskriterien wird die elektrische Anlage in eine der fünf sogenannten Energieeffizienzmassnahmen (EM 0 bis EM 4) eingeteilt (Bild 2). Für das Erreichen der EM 0 werden null Punkte vergeben, für das Erreichen von EM 4 vier Punkte. Insgesamt ergibt sich eine Maximalpunktzahl von 64 Punkten = 16 Themen  x 4 Punkte. Mit dieser Punktzahl wird eine Einteilung in eine Energieeffizienzklasse (EIEC) vorgenommen.

Für Wohngebäude ist die Bewertungsstruktur einfacher, da vier der Themen (Messung von Leistungsfaktor, Messung der Oberschwingungen, Verteilung des Jahresverbrauchs sowie Reduzierung der Blindleistung) nicht betrachtet werden.

Einzelmassnahmen zur Effizienzverbesserung

Da die Bewertung der Effizienz eine vertiefte Kenntnis der Bewertungsschritte voraussetzt, werden in der NIN für die Einteilung in die fünf Energieeffizienz­massnahmen (EM 0 bis 4) die geforderten Analysemöglichkeiten als Bewertungskriterien herangezogen.

Lastprofile

Zur Ermittlung des Lastschwerpunktes sollten die Verbraucherdaten der Anlage bekannt sein. Die zentralen Leistungsstärken und deren Häufigkeit in Verbrauchsmitteln sind in die Betrachtung miteinzubeziehen.

Standort der Haupteinspeisung

Die Haupteinspeisung sollte so nahe wie möglich bei den leistungsstarken Verbrauchern platziert werden. Dadurch können Verluste klein gehalten werden. Sonst müssten die Leiterquerschnitte erhöht werden, was nicht wirtschaftlich ist.

In der Norm wird das Berechnungsmodell nach dem Barycenter-Verfahren beschrieben, das die Koordinaten des Lastschwerpunktes ermittelt, basierend auf den Abständen zwischen der Verteilung und den Verbrauchsmitteln sowie auf deren jährlichen Energieverbräuchen. Der Lastschwerpunkt entspricht der optimalen Position der Hauptverteilung.

Motoren

IE5-Motoren sollen gegenüber IE4-Modellen nochmals um 20% geringere Verluste aufweisen. Seit dem 1. Januar 2017 sind in der Schweiz nur noch elektrische Motoren der Effizienzklasse IE3 von 0,75 kW bis 375 kW oder IE2 zusammen mit einem Frequenzumrichter zum Verkauf zugelassen.

Kapitel 8.1 weist zwar auf die Norm SN EN 60034-30-1 hin, verzichtet aber auf die Vorgabe eines Mindestwirkungsgrades bei Drehstrommotoren. Folgende Punkte werden jedoch erwähnt, welche die Energieeffizienz von Drehstrommotoren erhöhen:

  • Reduzierung des Energieverbrauchs,
  • Optimierung der Nennleistung,
  • Reduzierung des Anlaufstroms,
  • Reduzierung von Lärm und Vibration, wodurch mechanische Zerstörungen und Fehler in Klimaanlagen und Heizungssystemen vermieden werden sowie
  • Verbesserung der Steuerung und höhere Genauigkeit für die Erreichung des geforderten Durchsatzes und Drucks.

 

Beleuchtung

Bei der Planung der Energieeffizienz von Beleuchtungsanlagen sollten Lampentyp und Position sowie das Tageslicht berücksichtigt und das Licht entsprechend gesteuert werden.

Heizung, Lüftung, Klimatisierung

Für die HLK-Optimierungsanalyse hinsichtlich Energieeffizienz werden die Art der Regelung (Zeit, Temperatur, sensorgeführt) und die zonale Unterteilung der Regelung bewertet. Kapitel 8.1 NIN fordert keine Jahresenergiemengen, da diese stark von klimatischen Verhältnissen abhängig sind. Es empfehlen sich hier smarte Regelsysteme, die den Verbrauch und das Bereitstellen der Energie besser aufei­nander abstimmen. So kann Energie gespart werden, ohne dass Einbussen beim Komfort in Kauf genommen werden müssen.

Transformatoren

Bei der Transformatorauswahl soll auf den Typ und die Effizienz geachtet werden. Für die Effizienzbewertung bei der Planung kann eine Optimierungsanalyse zwischen Investitionskosten und Verbrauchskosten, die durch Verluste (Eisen- und Kupferverluste) verursacht werden, über die Lebensdauer erfolgen. Im Kapitel  8.1 findet sich eine zweite Bewertung von Transformatoren, welche den Wirkungsgrad im Betrieb berücksichtigt.

Kabel und Leitungssysteme

Bei der Effizienzbetrachtung steht die Minimierung von Verlusten durch Kabel und Leitungen im Vordergrund. Deshalb sind Längen und Querschnitte von Kabeln und Leitungen, der Einfluss von Verbrauchern sowie Materialeigenschaften und Umgebungsbedingungen bei der Planung zu beachten.

Blindleistung

Die Anlagenblindleistung wird zum einen mit der Optimierungsanalyse und zum anderen mit dem Wirkfaktor ermittelt. Die Optimierungsanalyse bewertet, ob zentral, zonal und/oder individuell kompensiert wird.

Monitoring von Leistungsfaktor und Spannung

Die Bewertungskriterien in der Norm umfassen den Leistungsfaktor und die Spannung. Die Messungen können gelegentlich, periodisch oder permanent erfolgen und bewertet werden. Zudem wird die Anordnung der Messungen in der Hauptverteilung, der Unterverteilung, in Verteilerschaltschränken und bei grossen Lasten platziert.

Messung von Energie und Leistung

Der voraussichtliche Jahresenergieverbrauch zählt auch zu den Bewertungskriterien, die bei der Planung einer energieeffizienten Anlage berücksichtigt werden müssen.

Energieeffizienz-Map

Mit der Realisierung der Energieeffi­zienz-Map kam die Idee einer Animation auf. In dieser EEff-Map von ­Electrosuisse können alle relevanten Normen, Dokumente und weitere Unterlagen wie Berechnungsbeispiele verlinkt werden. Der Anwender hat so stets die aktuellsten Dokumente für eine energieeffiziente Planung zur Hand. Normative und technische Veränderungen können dynamisch angepasst werden.

Toolbox EEff-Energieeffizienz-Bewertung

Die Parameter für die Energieeffizienz können in einem interaktiven Energieeffizienzlabel-Tool berechnet und dargestellt werden. Der Anwender kann eine Live-Berechnung erstellen, diese anzeigen und das Ergebnis als PDF ausdrucken. Dieses EEff-Tool hilft ihm, eine energieeffiziente Installation zu planen und zu realisieren.

Literatur

Siegfried Rudnik, Energieeffizienz in der Elektroinstalla­tion, VDE-Schriftenreihe – Normen verständlich, Band 169, 2016.

Electrosuisse-Produkte

  • EEff Map Ausgabe 2019, Bryner, Schmucki, Wouters.
  • Einblicke in die NIN Ausgabe 2019, Bryner, Hausherr, Schmid, Schmucki.
  • NIN Compact Ausgabe 2019, Bryner, Schmucki.
  • Toolbox EEff, Energieeffizienz-Bewertung, Bryner, Frei.

 

Die Produkte sind im Online-Electrosuisse-Shop verfügbar.

 

Autor
Peter Bryner

ist dipl. Elektroinstallateur und MAS FHNW Energieexperte.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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