Die Energie der Sonne bewegt Elektrobusse
Batteriespeichersystemlösung
Die aktuellen Transformationen der Energiewirtschaft und der Mobilität stellen grosse Herausforderungen dar. In Zeiten steigender Energiekosten und des Klimawandels bekommen nachhaltige Projekte eine zusätzliche Bedeutung. Ein Mobilitätsprojekt des öffentlichen Personennahverkehrs verknüpft nun die erneuerbare Erzeugung mit der Mobilität.
Mit dem Einsatz des ersten Postauto-Elektrobusses in Brugg erfolgte auch die Installation einer Ladestation, einer PV-Anlage (Bild 1) und eines Batteriespeichers mit Steuerung. «Als uns die Postauto AG angefragt hat, eine Ladestation für moderne Elektrobusse am Busterminal Brugg zu installieren, dachten wir sofort, es wäre sinnvoll und nachhaltig, wenn der Bus mit erneuerbarer Energie geladen werden könnte. Damit die Solarenergie nicht ins Netz, sondern direkt in den Bus eingespeist wird, braucht es einen Batteriespeicher», erklärt Philippe Ramuz, Geschäftsleiter Netz-Dienstleistungen der IBB Energie AG. Er führt weiter aus: «Ladestationen für Elektrobusse stellen aufgrund ihrer hohen Leistungsspitzen und der vielen täglichen Ladezyklen das Energieversorgungsnetz vor eine grosse Herausforderung.
Zur Gewährleistung der Netzstabilität und der besseren Ausnutzung der Solarenergie wurde von der IBB das Institut für Elektrische Energietechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit der Evaluation eines Speichersystems für die Elektrobusladestation beauftragt.» Bei der Bewertung wurde von diversen Speichertechnologien die wirtschaftlich, ökologisch und technisch beste Variante für das Projekt gewählt. Zudem musste ein weiterer Ausbau der Ladeinfrastruktur berücksichtigt werden. Schliesslich wurde die Firma Pfiffner mit der Systemintegration und Errichtung eines Batteriespeichersystems mit zentralem Energiemanagementsystem beauftragt.
Systemübersicht
Durch das ganzheitliche Energiekonzept «Elektropostauto» der IBB wird das Ziel verfolgt, die auf dem Dach des Busterminals erzeugte Solarenergie für Elektrobusse der Postauto AG zu nutzen. Die PV-Anlage mit 88 kW Nennleistung, geplant und installiert von der Kabeltechnik Swiss AG, besteht aus 242 Solarmodulen. Die erzeugte Energie wird lokal in einem Batteriespeicher zwischengespeichert und mittels Schnellladung von bis zu 300 kW in die Elektrobusse geladen. Dies erfolgt über Pantograf-Schnelllader der Firma Furrer+Frey bei einem nur wenige Minuten dauernden Stopp des Elektrobusses, wenn die Fahrgäste Aus- und Einsteigen.
Das System (Bild 2) wurde gemeinsam mit dem Institut für Elektrische Energietechnik an der FHNW entwickelt und enthält einen modularen Batteriespeicher, das zentrale Energiemanagementsystem (EMS), welches das gesamte System überwacht und steuert, die PV-Anlage sowie die Elektrobus-Ladestation. Das EMS berücksichtigt dabei die Netzlast, die Wetterdaten wie auch den aktuellen Fahrplan.
Die Pilotlinie
Die erste Pilotlinie L361 «Brugg AG – Unterwindisch» mit einer Distanz von 5 km und einer Jahresfahrleistung von 35’000 km wurde 2021 in Betrieb genommen. Der eingesetzte vollelektrische Niederflurbus «Citywide» von Scania hat einen Energieverbrauch von 0,75 – 1,6 kWh/km und kann mit bis zu 300 kW an einem HPC-Pantografen geladen werden. Der Elektrobus fährt an sonnigen Tagen komplett unabhängig von fossiler Energie, womit bis zu 11 200 l Diesel und 36 t CO2 pro Jahr eingespart werden.
Batteriespeichersystem
Das Batteriespeichersystem ist ein modularer «all in one» 800 V DC Fenecon Industrial Batteriespeicher in einem 10-Fuss-Container. Bei dem Projekt ist das System mit acht BMW i3 Lithium- Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid-Modulen (NMC) ausgerüstet, die sich in Millionen von Kilometern in Fahrzeugen weltweit bewährt haben. Die Systemleistung beträgt 352 kW und die Systemkapazität 328 kWh.
Das Batteriepack mit zehnjähriger Garantie bietet Investitionssicherheit und war ein weiterer Grund für die Beschaffung dieses Systems. Das Konzept lässt sowohl den Einsatz von neuen als auch von Second-Life-Batterien diverser Batteriepack-Lieferanten wie BWM, Audi, Renault zu.
Alle Komponenten – Batteriepacks, Wechselrichter, Thermomanagement, Niederspannungshauptverteilung und EMS – sind im Gehäuse integriert (Einstiegsbild). Es sind keine Anbauten an der Aussenseite des Containers sichtbar. Gerade bei technischen Einrichtungen im öffentlichen Raum beugt dieser Containeraufbau dem Vandalismus vor, verbessert die Wartungsfähigkeit und dient der Ästhetik. Mario Schärz, Projektleiter bei der IBB: «Gerade im hoch frequentierten Bahnhofsbereich war uns die Erscheinung des Batteriespeichers und die Vandalismussicherheit sehr wichtig.»
Wenn künftig die Buslinien erweitert und die Elektrobus-Ladestationen ausgebaut werden, kann die Systemleistung und Kapazität im Container durch Ergänzung von Batteriemodulen verdoppelt werden. So wächst der Batteriespeicher entsprechend den Kundenanforderungen stetig mit.
Für die AC/DC-Wandlung werden Wechselrichter der neusten Technologie von Refuenergy eingesetzt. Jeder der vier Wechselrichter hat eine Nennleistung von 88 kW. Die Wechselrichter sind im oberen Bereich des Containers von aussen gut zugänglich installiert. Durch die Systemstruktur und die Verwendung mehrerer Wechselrichter ist bei Ausfall einer Komponente ein Weiterbetrieb im Teillastbetrieb möglich.
Eine maximale Leistung, ein sicherer Betrieb und eine lange Lebensdauer sind zentrale Anforderungen an ein Batteriesystem. Um dies zu gewährleisten, muss es immer in seinem «Wohlfühltemperaturbereich» betrieben werden. Ein Flüssigkeitskühlsystem sorgt dafür, dass in den Batteriezellen stets die ideale Temperatur herrscht. So heizt es bei Bedarf die Batteriezelle auf oder kühlt sie herunter.
Lieferung, Montage und Inbetriebsetzung
Das Batteriespeichersystem wurde komplett montiert und werksseitig geprüft auf die Baustelle geliefert. So konnte der Aufwand auf der Baustelle auf ein Minimum reduziert werden und die Inbetriebsetzung in kurzer Zeit erfolgen (Bild 3).
Energiemanagementsystem
Der gesamte Betrieb der Anlage wird durch ein zentrales EMS gesteuert. Im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Institut für Elektrische Energietechnik der FHNW wurde ein Algorithmus zum automatischen Betrieb des Speichers entwickelt. Dieser ermöglicht einen netzdienlichen Betrieb des Batteriespeichersystems mit simultan ausgeführter Lastspitzenkappung und Eigenverbrauchsoptimierung. Am Netzknotenpunkt wird die Leistung so optimiert, dass sowohl Rückspeisespitzen durch die PV-Anlage als auch Bezugsspitzen der Elektrobusladestation vermieden werden.
Das Batteriespeichersystem wird über die Vorgaben von Entladeleistung (Energie, welche in das Netz eingespeist wird) und Beladeleistung (Energie, welche aus dem Netz entnommen und in den Speicher eingespeichert wird) gesteuert. Diese Parameter erhält der Speicher vom EMS über eine Modbus-Schnittstelle. In die Prognosen des EMS zur Steuerung des Batteriespeichersystems gehen neben den aktuellen Wetterdaten die Fahrplandaten des Elektrobusses wie auch dessen Energieverbrauch ein. Scheint die Sonne nicht oder nicht ausreichend, wird der Speicher netzdienlich mit geringer Leistung aus dem Netz beladen, um in jedem Fall die erforderliche Leistung der Elektrobusladestation bereitzustellen. In einer Weiterentwicklung des Algorithmus ist es vorgesehen, auch die Netztarifdaten zu berücksichtigen.
In Bild 4 sind die diversen Verbraucher und der Ladezustand des Batteriespeichers im klassischen Betriebsmodus «Eigenverbrauchsoptimierung» dargestellt. In diesem Modus wird die erzeugte Solarenergie (grüne Kurve), sofern keine Busladung erfolgt, vollständig im Batteriespeichersystem gespeichert. Der Ladezustand (graue gepunktete Linie) erhöht sich. Deutlich ersichtlich sind die Lastspitzen bei der Busladung zur vollen bzw. halben Stunde. Der Leistungsbezug der Ladestation wird vollständig durch das Batteriespeichersystem und die PV-Anlage abgedeckt.
«Die blaue Kurve stellt die Netzeinspeisung dar. Hierbei ist zu erkennen, dass bei vollgeladenem Batteriespeichersystem die komplette Solarleistung ins Netz zurückgespeist wird, ausser beim Laden des Elektrobusses. Dieser plötzliche Wechsel von null auf maximale Rückspeisung und die absolute Höhe der Rückspeisung stellen eine Belastung für das Stromnetz dar.
In Bild 5 ist die Wirksamkeit des von der FHNW entwickelten Algorithmus bezüglich Reduktion von Höhe und abruptem Wechsel der Rückspeisung deutlich zu erkennen. Die ins Netz zurückgespeiste Energie wird unabhängig vom Laden des Elektrobusses gleichmässig über den Tag verteilt, das Batteriespeichersystem wird in jenem Zeitraum geladen, in dem die höchste Solarproduktion auftritt.
Fazit
Dank der guten Zusammenarbeit aller Partner konnte das Projekt mit Installation des Speichersystems und inkl. des neuen Steuerungsalgorithmus in nur acht Monaten realisiert werden.
Die hohen Leistungsspitzen beim Laden von Elektrobussen stellen eine Herausforderung für das Verteilnetz dar. Durch den Einsatz eines Batteriespeichersystems mit cleverem Algorithmus zum simultanen Betrieb von Lastspitzenkappung und Eigenverbrauchsoptimierung konnten die Lastspitzen und die Rückspeisespitzen gekappt und die lokal erzeugte Solarenergie den lokalen Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden. Dies liefert einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des IBB-Versorgungsnetzes und senkt die Netzentgelte. Zudem bestehen Einsparpotenziale beim Netzausbau. Beispielsweise können Kosten durch kleinere Trafos, Kabelverbindungen und Schaltanlagen eingespart werden.
Die modernen Elektrobusse erfreuen Fahrgäste und Buschauffeure durch ihren geräuschlosen, zügigen und komfortablen Betrieb.
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